Hier geht es dann weiter durch Spon:
Die Revolution war ein Jahr alt, als Hassans Vater das Leben seiner Familie zwei Fremden und einem Esel anvertraute. 9000 Menschen hatten ihr Leben verloren, 230.000 ihr Zuhause aufgeben, 30.000 das Land verlassen. Die Truppen des Regimes nahmen Hassans Heimatstadt Idlib im Norden Syriens ein, und Hassans Vater sah für sich, seine Frau und die acht Kinder nur einen Ausweg: die Flucht.
Zu Fuß machten sie sich auf den Weg in die Türkei, gemeinsam mit ein paar Dutzend anderen, so erzählt es Hassan. Die offiziellen Grenzübergänge kamen nicht in Frage: Syrische Sicherheitskräfte fangen jeden ab, der sich von Baschar al-Assad abwendet. Auch viele der alten Schmugglerpfade durch die Berge sind nicht mehr sicher, dort machen Grenzpatrouillen Jagd auf Flüchtlinge.
So vertraute Hassans Familie auf die Hilfe zweier Soldaten der "Freien Syrischen Armee", jener Truppe aus Überläufern, die jetzt das Regime bekämpfen. Die Kämpfer kennen sich aus im Grenzgebiet; sie nutzen es als Rückzugsraum. Sie führten den Treck der Verzweifelten an den Grenzposten vorbei und trieben einen Esel immer ein paar Meter vor sich her - aus Angst vor den Minen, die Assads Schergen hier verbuddelt haben sollen.
Es ist kein Flüchtlingsstrom, der sich in die Türkei ergießt, es sind viele, viele Rinnsale, die sich vorbeischlängeln an den Wachposten des Regimes: einzelne Familien, manchmal Gruppen von einigen Dutzend, die fliehen vor Verfolgung, Folter, Tod. 16.000 haben sich bereits ins nördliche Nachbarland gerettet, knapp 2000 allein in den vergangenen Tagen. Die Flüchtlingslager, die in den zwölf Monaten des Aufstands auf der türkischen Seite der Grenze in der Provinz Hatay entstanden, sind so gut wie voll. Die Behörden lassen jetzt neue Zelte errichten und Containerstädte aufbauen, um all die Schutzsuchenden unterzubringen. Auf bis zu 45.000 Flüchtlinge bereitet sich das Land vor.
Abgehackte Hände, gequälte Gefangene
Was diejenigen, die schon da sind, aus ihrer Heimat erzählen, klingt nach systematischen Massakern:
Da ist Hassan, der 16-jährige Junge aus Idlib. Er habe gesehen, wie die gefürchteten Schabiha-Milizen einem Mann die Hände abhackten.
Da ist Ahmed, 26, der desertierte Sicherheitsmann aus Dschisr al-Schughur, der nicht auf Demonstranten schießen wollte. Er habe gesehen, wie in Assads Gefängnissen Peiniger ihre Opfer demütigten, quälten und vergewaltigten.
Da ist Malik, 40, der Händler aus derselben Stadt, Vater von vier Kindern, der jetzt nach Minen sucht, um die Fluchtwege offenzuhalten. Er habe gesehen, wie einer seiner engsten Freunde niedergeschossen wurde.
Da sind Studenten und Lehrlinge, Handwerker und Ingenieure, Tagelöhner und Soldaten, Mütter und Väter, die von dem Grauen in ihrer Heimat erzählen, von gebrandschatzten Dörfern, verschleppten Nachbarn, ermordeten Verwandten. Ihre Geschichten lassen sich nicht in allen Einzelheiten überprüfen, doch sie decken sich mit den Beobachtungen von Journalisten, die im Land waren, und Organisationen wie Amnesty International.
Brutale Folter auf dem "Fliegenden Teppich"
Es sind Berichte etwa über die Schabeh-Folter und eine Vorrichtung mit dem zynischen Namen "Fliegender Teppich": Bei Schabeh werden Gefangene an den gefesselten Handgelenken aufgehängt, geschlagen und gegen die Wand geschleudert. Beim "Fliegenden Teppich" schnallen die Folterknechte ihr Opfer auf eine klappbare Tischplatte, Kopf- und Fußende werden dann langsam angehoben, bis die Platte ein V bildet: Der Schmerz nimmt langsam zu, bis es sich anfühlt, als breche der Rücken.
In den Lagern entlang der Grenze sind die Flüchtlinge zwar weitestgehend in Sicherheit, doch auch hier erreichen sie die Schreckensmeldungen aus der Heimat. Über ihre Mobiltelefone empfangen sie Bilder und Filme von Schießereien und Hinrichtungen.
Viele von ihnen hoffen, ebenso wie oppositionelle Exilsyrer, dass die Türkei sich dazu durchringt, einen Schutzkorridor im Grenzgebiet zu errichten. Eine solche Pufferzone, so das Kalkül, würde Zivilisten Schutz bieten und potentielle Deserteure in Assads Truppen zur Fahnenflucht ermutigen.
Die Türkei spielt eine wichtige Rolle im Syrien-Konflikt
Ende vergangener Woche sagte der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan, diese Option werde geprüft - eine deutliche Drohung Richtung Damaskus. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass Erdogan eine solche Aktion ohne internationale Unterstützung wagt. Zumal sie schon seit einem Jahr immer wieder diskutiert wird. Sicher hingegen ist, dass Erdogans Land weiter eine führende Rolle bei dem Versuch spielen wird, den Konflikt zu lösen.
Zum einen beherbergt es die Führung der Widerstandskämpfer in einem Lager an der Grenze und die Köpfe der politischen Opposition in Istanbul. Zum anderen stimmt sich Erdogans Regierung mit den USA ab und sucht den Schulterschluss mit Arabischer Liga und EU, um den politischen Druck auf das Assad-Regime zu erhöhen.
Den Menschen in den Flüchtlingslagern bleibt nur zu hoffen, dass es den Mächtigen irgendwann gelingt, den Despoten Assad zu stürzen. Solange müssen sie ausharren und zusehen, wie ihre Kinder mit Patronenhülsen aus Syrien spielen - und wie Bagger Platz schaffen für neue Zelte.
http://m.spiegel.de/politik/ausland/a-822444.htmlskep schrieb:Wer es also wirklich ehrlich meint mit dem Wunsch nach mehr Demokratie und Partizipation der Menschen (...), muss sich jeglichem gewaltsamen Einmischungsversuch von Außen widersetzen."
Laber ,Laber, .......