Link: blog.kairaven.de (extern) (Archiv-Version vom 04.12.2007)Die Mär der legitimen Online-Durchsuchung
Seitdem gestern der FDPAbegordnete Hartfrid Wolff zusammen mit der innenpolitischen Sprecherin derFDP-Bundestagsfraktion Gisela Piltz in einer Pressemitteilung von seiner Anfrage bei derBundesregierung bezüglich der Rechtsgrundlage für "Online-Durchsuchungen" und derenBeantwortung durch die Bundesregierung berichtete – die Wolff beide ruhig mal im Originalwiedergebene könnte – stolpere ich heute immer wieder über die gleichlautende SchlagzeileVerfassungsschutz darf Computer durchschnüffeln wie bei der Netzeitung. DiePressemitteilung der beiden Politiker trug noch den treffenderen Titel"Online-Durchsuchungen schon jetzt legal?" Aber so schnell kann's gehen.
Die"Bundesregierung" sieht laut Wolff eine Rechtsgrundlage für den Bundesverfassungsschutzzur Anwendung von "Online-Durchsuchungen" in § 8 Abs. 2 desBundesverfassungsschutz-Gesetzes:
§ 8 Befugnisse des Bundesamtes fürVerfassungsschutz
(2) Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf Methoden,Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung, wie den Einsatz vonVertrauensleuten und Gewährspersonen, Observationen, Bild- und Tonaufzeichnungen,Tarnpapiere und Tarnkennzeichen anwenden. Diese sind in einer Dienstvorschrift zubenennen, die auch die Zuständigkeit für die Anordnung solcher Informationsbeschaffungenregelt. Die Dienstvorschrift bedarf der Zustimmung des Bundesministeriums des Innern, derdas Parlamentarische Kontrollgremium unterrichtet.
Was dazu anzumerken ist:
Die Aussage der Bundesregierung ist eine Meinung sonst nichts. Wie es bereits in derPressemitteilung heißt, zweifelt selbst das Bundesinnenministerium daran, ob es sich bei§ 8 (2) um eine Rechtsgrundlage handelt: "Ob das als rechtliche Grundlage ausreicht, istmehr als zweifelhaft, wie das Innenministerium ja auch sofort einräumt."
Wenn man die"Online-Durchsuchung" als Platzhalter für technische Mittel und Methoden nimmt, mit denenverdeckt und unersichtlich für den Betroffenen über einen unbestimmten Zeitraum aufpersönliche Daten Zugriff genommen wird bzw. nehmen muss, weil die Funktionalität undRealisierbarkeit von "Online-Durchsuchungen", "Bundestrojanern" & Co. ja gar nichtfeststeht und dann der Passus "Methoden, Gegenstände und Instrumente" ausreichen würde,um "Online-Durchsuchungen" zu legitimieren, würde alles Denkbare an heimlichertechnischer Überwachung durch Nachrichtendienste möglich.
Das soll nicht so seinund deshalb gibt es schon mal die Einschränkungen durch die Aufzählung von Mitteln. Unterden Mitteln werden nicht umsonst die "Bild- und Tonaufzeichnungen" als technische Mittelgenannt, weil sie zu den technischen Hauptmitteln der Dienste zählen und besondersintensiv in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. Das Einsatzmittelder technischen verdeckten Online-Durchsuchung gegen private Ton-, Text- und Bilddatenmüsste dort ebenfalls stehen, um zulässig zu sein. Das gilt auch für § 9 Besondere Formender Datenerhebung, der den Mitteleinsatz nach § 8 (2) Begrenzungen und Abwägungenunterwirft.
Die Mittel und Methoden, also auch Online-Durchsuchung-artige Technikensind in einer Dienstvorschrift aufzuführen, die Schäuble abzunicken und demKontrollgremium mitzuteilen hat, was automatisch zu den Fragen führt, die dieBundesregierung ebenfalls zu beantworten hätte: Ist die "Online-Durchsuchung" bereitsBestandteil einer Dienstvorschrift für den Bundesverfassungsschutz? Hat Schäuble einederartige Dienstvorschrift abgesegnet? Über welche Informationen verfügt dasKontrollgremium? Also Herr Wolff, ran an's Werk.
Zur Online-Durchsuchung hatSchäubles Kollege, der NRW-Innenminister Wolf seinerseits eine "Rechtsgrundlage"geschaffen, gegen die aber, wie den Journalisten bekannt sein dürfte, eineVerfassungsbeschwerde anhängig ist. Ob es also langfristig überhaupt eine"Rechtsgrundlage" geben wird, ist bis zum Beschluss der Verfassungsrichter noch genausooffen wie die Realität der "Online-Durchsuchung" selbst.
Was bleibt ist ein Gericht,das mal wieder die rechtsstaatlichen Grenzen definieren und setzen muss, weil deutscheSicherheits- und Innenpolitiker dazu nicht mehr in der Lage oder nicht mehr bereit sind.Außerdem jede Menge heiße Luft der Bundesregierung und des Bundesinnenministers – einVortasten, ob man ein Gesetz so umbiegen kann, dass man es den eigenen Wünschen undTräumen schlechtsizend zusprechen könnte und ob es nicht wenigstens dazu taugt, die Märvon der Rechtmäßigkeit durch Presse und Medien in die Öffentlichkeit transportieren zulassen.
http://blog.kairaven.de/archives/1061-Die-Maer-der-legitimen-Online-Durchsuchung.html (Archiv-Version vom 04.12.2007)