Infidel schrieb:Nur weil die Leute konsequenteres Handeln gegen Klima fordern heißt das nicht, dass
1. Linksextremisten als Freunde und Verbündete betrachtet werden
2. Linksextreme gute Vorschläge parat haben
3. Leute in nennenswerten Ausmaßen sich linksextremistischen Ideologien zuwenden
Dazu ein paar Dinge.
1. Der Klimawandel lässt sich sicherlich nicht ohne die Innovationskraft des Kapitalismus lösen.
Linke die mit irgendwelchem Planwirtschaftsgerede kommen haben das Problem einfach nicht verstanden. Sowas gibt es aber zumindest im akademischen Bereich gar nicht, also keine Gefahr.
2. Der Kapitalismus ist aber gleichzeitig Ursache des Klimawandels und der Grund dafür, dass wir es bisher nicht schaffen etwas dagegen zu unternehmen.
Kapitalismuskritik und grundlegende Reformen sind unbedingt notwendig. Wenn diese Position für dich "links" ist, dann hast du ein Problem.
3. Es wird keinen plötzliche technologischen Durchbruch geben, der das Problem löst. Die Kategorien in denen wir uns hier Bewegen sind gewaltig. Wir haben in den letzten 200 Jahren Kohlenstoff in unsere Atmosphäre gepumpt der über hunderte Millionen Jahre gebunden worden war und damit die Zusammensetzung unserer Atmosphäre und den gesamten Energiehaushalt des Planeten signifikant verändert.
Das fein abgestimmte Ökosystem unseres Planeten gerät deshalb völlig aus den Fugen.
Der Energieaufwand den wir betreiben müssten um diesen Kohlenstoff wieder aus der Atmosphäre zu holen ist um ein vielfaches größer als der Aufwand ihn in die Atmosphäre hinein zu blasen. Wir haben diese Zeit auch gar nicht.
Bäume zu pflanzen wäre tatsächlich das wohl wirksamste und günstigste Mittel, allerdings arbeiten wir da konsequent in die falsche Richtung und holzen unwiederbringlich Urwälder ab.
Aber damit das überhaupt was ausmacht müssen wir unsere gesamte Industrie elektrifizieren und gleichzeitig unseren gesamten Energiebedarf regenerativ decken. Das muss oberste Priorität haben.
Dazu fehlt uns keine besondere Technik, kein wissenschaftlicher Durchbruch. Es ist eine einfache Frage der Entscheidung.
Ein ganz konkretes Problem kapitalistischer Natur:
Fossile Wertschöpfungsketten sind massivst aufgeblasen.
Werden sie vollständig durch regenerative Wertschöpfungsketten ersetz, bei gleichbleibendem oder steigendem gesellschaftlichen Nutzen, ist die kapitalistische Wertschöpfung trotzdem deutlich niedriger.
Veranschaulicht: Wir haben eine gesellschaftliche Nachfrage nach Mobilität. Diese Nachfrage wird über Produkte gedeckt, die mit fossilen Energieträgern funktionieren. Das Industrie- und Handelsvolumen, dass an dieser gesellschaftlichen Nachfrage hängt hat sich über die letzten 150 Jahre gebildet und ist extrem ineffizient. Ineffizienz bedeutet in dem Fall, dass private Akteure viel mehr Geld aus dem System ziehen können als eigentlich nötig.
Effizientere Lösungen werden vor allem deswegen nicht umgesetzt, weil sich mit ihnen nicht so viel Geld verdienen lässt.
In einem System, dass auf Wachstum angewiesen ist, ist Ineffizienz oft profitabel.
Für die Politik bedeutet das(vor Allem in Deutschland), dass das Umsatteln auf eine nachhaltige Lösung mit einem Schrumpfen der Wirtschaft verbunden ist, selbst wenn der gesellschaftliche Nutzen gleich bleibt oder sogar steigt.
Klingt eigentlich nicht so wild, hätten wir uns die letzten 40 Jahre nicht fanatisch eingeredet, dass Rezessionen etwas schlimmes sind und ewiges Wachstum unser Ziel sein muss.
Infidel schrieb:Und nun zurück zu Linksextremismus.
Solange Klimaschutz und Verteilungsgerechtigkeit sind aber zentralen Themen die hierfür diskutiert werden müssen.
Beim Klima hört es ja nicht auf. Das nächste Ding ist die Verteilung.
Arbeit als Schlüssel zur Verteilung geschöpfter Werte ist ein System an das wir gewöhnt sind, aber die Datengrundlage die wir haben zeigt auch, dass dieses System am zusammenbrechen ist.
Wertschöpfung wird mit jedem Jahr weiter von menschlicher Arbeit entkoppelt. Automatisierung und AI decken immer größere werden Teile von Wertschöpfungsketten ab. Der Mensch wird aus dem System heraus optimiert.
Ein gutes Beispiel ist hier der Vergleich von Automobilkonzernen und Softwarekonzernen.
Nehmen wir BMW und Electronic Arts (Spieleentwickler), denn die haben beide eine ähnliche Marktkapitalisierung von ca. $40 Milliarden.
Während BMW über 130.000 Mitarbeiter hat, hat EA nur knapp über 9000.
EA erwirtschaftet mit seinen 9000 Mitarbeitern mehr als doppelt so viel Gewinn wie BMW mit seinen 130.000.
Auf der einen Seite zeigt das wie relativ menschliche Arbeit in der Wertschöpfung ist.
Aber der anderen Seite zeigt es wie Ausbeutung funktioniert.
Die BMW-Mitarbeiter verdienen im Schnitt wahrscheinlich deutlich weniger als die EA-Mitarbeiter, aber trotzdem sind sie relativ an der Wertschöpfung gemessen weniger ausgebeutet.
Bei 3 Milliarden Gewinn in 2020 ist jeder EA Mitarbeiter im Schnitt für über 330.000$ Gewinn verantwortlich.
Verdient aber wohl nichtmal die Hälfte davon.
Bei 1.82 Milliarden Gewinn in 2020 ist jeder BMW Mitarbeiter im Schnitt für nur 14.000$ Gewinn verantwortlich.
Verdient aber ein vielfaches davon.
Mit anderen Worten: Die Softwareentwickler bei EA nehmen zwar teilweise über 100.000 im Jahr mit nach Hause, sind aber prozentual an der Wertschöpfungskette gemessen stärker ausgebeutet als die BMW-Mitarbeiter die deutlich weniger verdienen im Schnitt.
Die Frage wie wir als Gesellschaft das Kapital das erwirtschaftet wurde verteilen wollen ist eine, die wir uns längst hätten stellen müssen.
Arbeit ist keine Lösung die langfristig funktioniert.
Eine Lösung wären bspw. Gesetze die Steuersätze auf verschiedenste Kapitalformen daran festmachen aus welchen Wertschöpfungsketten dieses Kapital entsprungen ist und wie die beschaffen waren.
So könnten bspw. notwendige aber unprofitable Branchen wie Pflege, Dienstleistungen und viele Arten von Produktion entlastet werden, während höchst profitable Branchen die riesige Werte ohne nennenswerte Arbeitskraft schöpfen sozial verträglich gemacht werden.
Wenn du Klimaschutz und Verteilungsfragen in die linke Ecke stellst, dann verschließt du die Augen vor offensichtlichen Problemen der Gegenwart, die in Zukunft nur noch drastischer werden.
Wenn die Politik das tut, dann provoziert sie eine sich radikalisierende Bevölkerung.
Mit linker Ideologie hat das nichts zu tun.
Vielmehr ist das der Totalitarismus der Wissenschaft. Unsere Demokratien haben so ihre Problemen mit totalitären Rahmenbedingungen.
Die totalitäre Natur der Aufklärung und die Dialektik der Aufklärung sind aber wirklich Themen für einen anderen Thread.