Christ sein, heute
02.07.2004 um 13:18
Also, ich hab mich jetzt durch alle Beiträge dieses Threads durchgearbeitet und keinen einzigen Beitrag gefunden der auf die Anfangsfrage eingegangen wäre. Nämlich über eine Erfahrung was"Christ sein" heißt(Wunder oder Ähnliches)zu berichten. Von den "Contra-Beiträgen" erwarte ich das ja auch nicht. Aber von den "Pro-Beiträgen" hätte ich doch schon ein bißchen mehr erwartet. Gibts denn keine Wunder mehr in Eurem christlichen Leben?
Dann will ich mal eins aus meinem unchristlichen erzählen:
Ich war 23Jahre alt und lebte damals als Hippie in Amsterdam. Das war 1972.
Ich lebte damals mit der 2.Frau meines Lebens zusammen einer 29jährigen brasilianischen Tänzerin, der ich absolut nicht gewachsen war was Lebenserfahrung,Vitalität, Sexualität anbelangte. Aber sie war eine meiner wichtigsten Lehrerinen. Nach 6 Wochen des Zusammenlebens mit dieser Frau
war ich in den Grundfesten meiner damaligen Lebensvorstellungen erschüttert
und verließ die Beziehung obwohl ich absolut verliebt und in Liebe war zu dieser Frau. Aber ich konnte einfach nicht mehr mit dem was von ihr kam umgehen. Es war zuviel für mich. Ich verbrachte meine Tage mit dem erfolglosenVersuch auf langen Spaziergängen Klarheit in meinen Schädel zu bekommen. Klarheit darüber wer ich war und was ich hier auf dieser Welt überhaupt sollte und wollte.
Ich war ausgebrochen aus allen Beziehungen zu Eltern, Freunden etc. da ich all diese Beziehungen als eine Art Gefängnis erlebte. Als Gefängnis von Erwartungen und Vorstellungen in die ich nicht mehr eingesperrt sein wollte.
In meiner Vorstellung von mir selbst war ich in allem gescheitert, aber doch nicht bereit mir die Kugel zu geben. Intuitiv spürte ich, das mein wirkliches Leben noch vor mir lag.
Auf einem dieser Spaziergänge geschah es nun, daß ich aus einer spontanen Idee heraus meinen Pass in die Amstel warf an der ich gerade entlang spazierte. Ich wollte kein Deutscher mehr sein, das Kind meiner Eltern war ich sowieso schon lange nicht mehr, seitdem ich andere Wege eingeschlagen hatte als die von Ihnen für mich vorgesehenen. Ich wollte raus,einfach raus aus Allem.
Nun, gut. Ich setzte also meinen Spaziergang ohne Ausweis fort. Ein paar hundert Meter weiter setzte ich mich unter einen Baum, packte meine Gitarre aus und genoss dieses neue Gefühl, niemand zu sein.
Plötzlich stoppt ein Mofa vor mir mit einem Polizisten drauf. -Ich lebte zu der Zeit schon ca.ein halbes Jahr in Holland ohne je kontrolliert worden zu sein.-
Nun dieser Polizist wollte meine Papiere sehen. Ich sagte ihm wahrheitsgemäß, daß ich keine hätte. Daraufhin fragte er mich woher ich käme.
Meine Antwort: Ich bin auf diesem Weg hier entlang gelaufen und dachte mir das sei ein schöner Platz mich hinzusetzen und ein wenig Gitarre zu spielen.
Darauf er: Nein, ich meine wo Du geboren bist.(Wir unterhielten uns auf englisch und holländisch)
Ich: Das weiß ich nicht. Weißt Du denn wo du geboren bist.
Er: Natürlich weiß ich das!
Ich: Kannst Du Dich da genau erinnern, oder hat man dir das nur erzählt?
Mir hat man soviel erzählt was sich als falsch heraus gestellt hat, daß ich nur noch das weitergebe was ich selbst wirklich weiß.Und ich weiß nicht wo ich geboren bin.
Er überlegte etwas, dann nahm er sein Funkgerät und rief seine Kollegen mit einem Auto herbei. Die Polizisten waren immer sehr nett und ich auch.
Ich spürte deutlich das ein Abenteuer begann dessen Ausgang noch ungewiß war. Man nahm mich also mit auf die Polizeiwache "Amstelveen" einem Vorort Amsterdams.
Die Fragen der Polizisten nach den üblichen Auskünften endeten immer wieder in philosophischem Geplänkel, da ich konsequent meinen "Ich bin Niemand" Status aufrechterhielt.
Die Sache etwickelte sich dann so, daß ich in eine der Polizeizellen gesperrt wurde und das die Polizisten eine Anzeige in "Volkskrant" und einigen anderen Zeitungen lancierten mit der Überschrift: "Wer ist Mr.X." Darin wurde berichtet,
wie man mich aufgegriffen hatte, daß ich nicht feststellbar unter Drogen stünde und mich auch sonst irgendwie ganz normal verhielte, abgesehen von meiner Nichtbereitschaft meine Identität preiszugeben.
Im Laufe der nächsten Tage erschienen auch einige Leute die mich zu kennen glaubten. Eine Mutter die ihren Sohn vermisste, eine Frau die mich aus Mailand kannte, ein Pärchen die überzeugt waren mich aus Australien zu kennen. Alles Leute die ich nie gesehen hatte.
Das war so ungefähr was sich außerhalb der Zelle abspielte. In der Zelle drin war ich mit mir allein. Ich hatte das Gefühl nur noch diese Frage "Wer bin ich"
zu sein. Nicht nur intelektuell. Es war existentiell geworden. Ich denke es war am fünften Tag meines Gefangenseins. Ich war in meiner Zelle und rastete plötzlich total aus. Ich erlebte mich selbst als einen Kometen der ohne Ursprung und Ziel durch ein kaltes, einsames Weltall rast ohne irgendwo dazuzugehören. Irgendwie stand ich plötzlich neben meinem Körper der sich
in einem Weinkrampf auf der Pritsche hin und her schmiß, sich in die Hosen schiß und pisste. Ich zog mir dann irgendwann alle Klammotten aus rollte mich
nackt auf der Pritsche zusammen fühlte mich total warm und hatte das Gefühl
von absoluter Geborgenheit in einer Präsenz die ich nicht beschreiben kann.
P=lötzlich geht die Tür zu meiner zelle auf und zwei Polizisten sehen mich nackt auf der Pritsche liegen und fragen mich was los sei:
Ich sage: Jungs, ich habe immer die Freiheit gesucht und sie nie gefunden, jetzt weiß ich auch warum ich sie nicht gefunden hab. Ihr habt sie hier eingesperrt. Aber ich werde bald wieder hier rausgehen und dann nehme ich sie mit mir mit. Die beiden schüttelten nur verständnislos den Kopf. Aber von diesem Tag an war meine Zelle nie mehr verschlossen. Von polizeilicher Seite aus wahrscheinlich damit man mich besser beobachten konnte, von meiner Perspektive aus ein Zeichen auf dem richtigen Weg zu sein. Die ganze Geschichte dauerte ungefähr sechs Wochen und endete damit, daß man mich
frei ließ und ich noch weitere eineinhalb Jahre in Holland ohne Papiere lebte.
Und es war eine Richterin die das veranlasste. Aber jetzt kommt das Wunder.
Am 15. Januar habe ich Geburtstag, was natürlich keiner wussste. Am 15. Januar 1973, ich war schon ca.4Wochen in Polizeigewahrsam zur Feststellung meiner Identität, bekam ich Besuch von einer Frau die ich nie zuvor gesehen hatte. Diese Frau kam wie im Märchen mit einem Korb mit Blumen, Kuchen und einigen anderen leclkeren Sachen. Ich fragte sie erstaunt wer sie sei und warum sie mich besuchte. Da erzählte sie mir, daß ihr heute morgen beim
Aufräumen ihrer Wohnung diese alte Zeitung mit dem Artikel"Wer ist Mr. X?
in die Hände gekommen sei. Sie habe die Geschichte interessiert und sie habe bei der Polizei angerufen und nach mir gefragt. Daraufhin habe man ihr gesagt, daß ich noch immer in polizeilicher Obhut wäre, da man noch nicht feststellen konnte wer ich sei.
Daraufhin habe sie, einem Gefühl folgend, diese Sachen zusammengepackt um mich hier zu besuchen.
Ich war überwältigt. Das war ein Wunder!An meinem Geburtstag.Aus heiterem Himmel.
Seitdem weiß ich, daß das Leben ein Mysterium ist. Und ein Mysterium bleiben wird, egal wieviel ich meine zu wissen und zu erkennen.
Egal ob wir an Jesus, Buddha, Mohammed oder den Teufel glauben.
Das Wunder des Lebens ist so weit jenseits all unserer religiösen, politischen
oder wissenschaftlichen Vorstellungen, all unserem Denken von richtig oder falsch. Das Denken über Gott und die Welt ist nach meinem Verständnis nur ein von "gOTT" gegebener Spielplatz, auf dem wir spielen können. Wir können und sollen diese Spiel auch ernst nehmen damit wir richtigen Spaß dran haben, aber trotzdem nie vergessen daß es nur ein Spiel ist.
Es lebe der Spielplatz "ALL MYSTERY".