Politik und Religion
11.08.2016 um 23:11Das wird jetzt ein ganz schwieriges aber notwendiges Thema, weil es Übersicht schafft in dem Wirrwarr, der mit Flüchtlingen, Islam und Terrorismus zu tun hat.
Wie wir wissen, verläuft der Spalt durch die Bevölkerung ebenso wie durch unser schönes Forum hier, fast genau durch die Mitte, wodurch wir zwei fein säuberliche Hälften haben. Seltsamerweise verläuft dieser Spalt nicht zwischen links und rechts, sondern geht – mit Ausnahme der AfD, die eine eindeutige Position hat – quer durch alle Parteien, Schichten und politischen Einstellungen. Dennoch bezeichnen die meisten die eine Einstellung als "links" und die andere als "rechts".
Klar, wie die Hälften verteilt sind. Die eine Hälfte hat nichts gegen Flüchtlinge, auch wenn sie nicht umhin kann zuzugeben, dass die Politik sich im Handling der Flüchtlingsfrage alles andere als geschickt angestellt hat, aber wir leben ja nun mal nicht isoliert, sondern haben "die ganze EU noch am Bein", die sich da alles andere als "unioniert" oder gar solidarisch verhält; diese eine Hälfte hat auch nichts gegen den Islam, fühlt sich trotz der Terroranschläge noch sicher, hat was dagegen, dass im Namen der Sicherheit immer ´weiter in unsere freiheitlichen Rechte eingegriffen und diese kurz bis kahl geschoren werden, hat auch nichts gegen den Islam, obwohl die meisten dieser Hälfte Atheisten sind, kann die Hysterie nicht verstehen und mahnt stattdessen zur Besonnenheit.
Die andere Hälfte will Merkel weghaben, hat "nix gegen den Islam aber", verwischt die Trennung zwischen Islam und Islamismus bis zur Unkernntlichkeit, hält jeden Flüchtling für einen potenziellen IS-Schläfer oder für einen potenziellen islamistischen Terroristen, möchte am liebsten den ganzen Islam abschaffen, ist für eine harte Flüchtlingspolitik, wehrt sich gegen den "allumfassenden Asylmissbrauch", spricht bei Flüchtlingen von "überwiegend jungen temperamentvollen Männern" und überlegt sich voll im Einklang mit AfD und Pegida, wie dem Untergang des Abenlands noch zuvorgekommen werden könnte, denn "wenn wir das weiter so schleifen lassen, sind wir in 50 Jahren eine islamische Republik mit Scharia-Grundgesetz".
Mir fiel das im immer wieder sich von selbst revitalisierenden Burka-Thread auf – wo es doch nur um ein Kleidungsstück geht und nicht um die Havarie des ganzen Abendlands –, dass das Thema nur die Oberfläche ist für sublimere subversive Gedankengänge, die man aber nicht allzu deutlich auszusprechen wagt, um nicht gleich sofort gesperrt zu werden, bei denen es um eine geistig-politische Grundhaltung geht, noch dazu um eine, die keine Kompromisse zulässt. Aber selbst das Thema Religion ist nur ein oberflächlich aufgesetztes, denn hinter Religion verbirgt sich Kultur, und hinter Kultur verbergen sich divergente Ethnien, die diejenigen, die ich zu der ersten Gruppe zähle, für nicht kompatibel mit "uns selbst" halten. Letztendlich die uralte Rassismus-Frage. Aber das soll hier nicht das Thema sein, auch wenn das natürlich stets mit reinspielt, aber ich will das auf einer anderen Ebene halten.
Also wie gesagt, man wird im Burka-Thread eher fündig als in anderen, vielleicht, weil die Harmlosigkeit des Themas die Mods hier weniger konzentriert mitlesen lässt wie etwa im Asylanten-, AfD- oder Sinddiedeutschenausländerfeindlich-Thread. Also gleich mal ran mit dem Zitat von @yenredrose:
Du wirst es nicht glauben, ich schreibe es trotzdem. Das Christentum im allgemeinen und Religionen im besonderen haben rein garnichts mit den kriegerischen Auseinandersetzungen zu tun.
Nach Martin Luther gab unzählige Kriege zwischen den christlichen Nationen und den beiden Haupstströmungen. Erst nach 1945, was noch garnicht so lange her ist gab es eine lange Friedensperiode (Nordirland und Jogoslawien ausgenommen) in Europa.
Im Islam gibt es neben den zwei Hauptstömungen Sunis und Shiis mindestens ebenso viele Nebenströmungen und Sekten wie im Christentum. Der Koran kann ebenso wie die Bibel ausgelegt werden, um entsprechende Jünger (Gleichgesinnte) um sich zu scharen.
Zeitlos gültig ist übrigens nur das Alte Testament, soweit ich weiß.
Um es etwas präziser zu sagen: Ist die Religion – wir sprechen jetzt (nicht nur) vom Islam – gerade dabei, die Politik am Schlafittchen zu nehmen und 250 Jahre Aufklärung und Laizismus aufzuheben und rückgängig zu machen? Und wenn überhaupt, kann natürlich nur der Islam daran schuld sein, oder?
Der Islam ist im Vergleich zum Juden- und zum Christentum eine "verspätete" Großreligion, die gerade dabei ist zu versuchen, den mehr als 600 Jahre Rückstand aufzuholen, aber mMn befindet er sich aktuell gerade in der Sturm- und Drangperiode, vergleichbar mit der Zeit der Hexenverbrennungen im Christentum, und noch vor der Aufklärung. Daraus zu schließen, dass er eine "falsche" Religion sei, ist ebenso verheerend wie die anderen geistigen Kurzschlüsse, die aus der Richtung der einen Gruppierung bzw. Hälfte der Bevölkerung kommen, die ich zuerst erwähnt habe. Er verträgt sich nur leider insgesamt schlecht mit "westlichen Werten", die schon durch das Reinigungsbad der Aufklärung gegangen bzw. aus diesem überhaupt erst als "neue Werte" hervorgegangen sind, dazu zählen auch die Menschenrechte.
Auf der anderen Seite ist die Genesis des Islam nicht viel anders als die des Juden- und des Christentums; es sind eben nur Unterschiede in einigen wenigen Aspekten, in denen sie sich unterscheiden, die aber für die Gläubigen so gravierend zu sein scheinen, dass sie sich nicht unter ein Dach bringen lassen, so dass die 3 monotheistischen Strömungen, die alle 3 aus der gleichen Quelle entsprungen sind und sich wie gesagt nur in Nuancen unterscheiden, so unvereinbar zu sein scheinen, dass es aussieht, als ob sich jeder Christ, jeder Jude und jeder Muslim mit einem Buddhisten besser verstehen kann als mit den Anhängern der anderen beiden "Schwesterreligionen".
Nach den Vorfällen seit 9/11. also schon seit 15 Jahren, ist es Mode geworden, alle außen- und vor allem innenpolitischen Streitigkeiten, Auseinandersetzungen und Grundsatzkonflikte "dem Islam" anzuhängen, geradeso als sei er verantwortlich für Hartz 4, Höcke, Trump und das schlechte Wetter bzw. das Jahr ohne Sommer. Überall wo was Schlimmes passiert, was auch schon so oder so ähnlich vor 50, 40, 30 oder 20 Jahren fast täglich passierte, fragt man plötzlich zuerst nach der Religion. Wenn es wieder mal eine der fast täglichen Messerstechereien mit Todesfolge gibt, fragt man als erstes: War der Angreifer bzw der Täter Muslim oder nicht? Wenn wieder irgendwo eine Frau von einem fremden Mann vergewaltigt wurde: Muslim oder nicht? Wenn ein Kind entführt wird und nach Wochen tot in einem Waldstück aufgefunden wird: War der Täter Muslim? Wenn der Staat im nächsten Jahr 3 Milliarden neue Schulden aufnehmen muss, weil die Ausgaben um genau diesen Betrag die Steuereinnahmen übersteigen, liegts bestimmt an den 3 Milliarden, die "wir" Erdogan geschenkt haben, damit er uns die Flüchtlinge vom Hals hält, also letztlich auch wieder an den Muslimen, denn die Flüchtlinge sind ja alles Muslime und keine Christen.
Kurzum: Das innenpolitische Klima ist derzeit dermaßen vergiftet, weil die Probleme – und zwar alle Probleme, die a priori überhaupt nichts mit Religion, also auch mit dem Islam nichts zu tun haben – denn was hätte die strukturelle Langzeitarbeitslosigkeit, die ständige Verteilung der Gelder von unten nach oben, die Energiewende, das demografische Elend, dass wir immer älter werden und als Volk konstant zahlenmäßig schrumpfen, die Verschiebung der Kräfteverhältnisse von Europa nach Ostasien, der seit Jahrzehnten überfällige, aber niemals in Angriff genommene grundlegende Umbau der Sozialsysteme, der permanente und wohl unaufhaltsame Rückgang unserer (einst) weltweiten Bedeutung in Forschung, Wissenschaft und Technologie, um nur einige Punkte zu nennen, in denen es mit Deutschland im internationalen Rennen schon seit Jahrzehnten bergab geht – weder mit dieser Regierung noch mit irgendeiner anderen seit zuletzt vielleicht der Schmidt-Regierung, und die ist schon sei einem Drittel Jahrhundert Geschichte, zu lösen sind. Und weil wir ahnen und wohl auch wissen, dass keine denkbare Regierung, allenfalls vielleicht eine von Linken und Grünen, aber die kommen ja zusammen nicht mal auf die AfD-Werte, den Mut, die Kraft und die Überzeugungskraft hat, diese notwendigen Umbaumaßnahmen unseres soziopolitischen und gesellschaftlichen Systems anzugehen, weil das für jeden erst mal tiefe finanzielle Einschnitte bedeuten würde, um die Zukunft und damit die Lebenswelt unserer Kinder und Kindeskinder auf eine solidere Basis zu stellen, suchen wir nach einfachen Lösungen, also zunächst mal nach einem Übeltäter und Gesamtschuldigen, den wir für die Murkserei unserer zurückliegenden und der gegenwärtigen Legislaturperiode(n) verantwortlich machen können, und das können ja eigentlich nur die "Ausländer" sein bzw. alle, die dem Islam anhängen.
Auf der anderen Seite muss die Politik, muss jede Regierung, aber auch jede Opposition, die die nächsten Wahlen gewinnen will, eine Politik anstreben, die nicht allzu lösgelöst ist vom "Volk" bzw. von "Volkes Stimme". Und was "Volkes Stimme" will, das liest man mit den dicksten Überschriften in den Springer-Medien (Bild, faz, Welt – die beiden Letzten zusammen mit Spiegel die hier am häufigsten gebräuchlichen Links), in den sozialen Netzwerken und natürlich auch in den Foren so wie in diesem. Da bekommen dann Rechtspopulisten, die die "einfachen Lösungen" im Programm haben, wie Seehofer, Petry und Gauland, höhere Zustimmungswerte als Merkel, Gabriel oder Wagenknecht.
Aber "vox populi", der Chor der vereinigten Stammtische, will eben einfache Lösungen, und wenn es nach diesen Stammtischen ginge, würde man nicht von wegen kulturellen Integrationsproblemen mit muslimischen Jugendlichen rumdrucksen, sondern so wie früher offen und ehrlich sagen "Ausländer raus" – aber so politisch unkorrekt traut sich allenfalls noch der "Höcke-Flügel" zu sein. Nein, ein Weltmeister im Rumdrucksen auf eine Art, dass aber jeder weiß, was gemeint ist, ist da eher ein Seehofer.
Und das heißt auf gut Deutsch: Der Islam ist an allem schuld, denn wenn es ihn nicht gäbe, hätten wir keine Flüchtlinge mehr hier, ja überhaupt keine Ausländer, denn alle, die sich rein optisch von uns unterscheiden – und das sindf eben keine Russlanddeutschen, auch wenn kaum einer von ihnen die deutsche Sprache beherrscht –, also eher alle, die das zur Schau stellen,was wir nicht sagen dürfen, nämlich "Südländische", und damit Muslime.
Wenn es also darum geht, dass (mindestens) die Hälfte der Bevölkerung – einer hier schrieb in einem anderen Thread: "Es ist mir wurst, ob einer einen deutschen Pass hat, das ist nur ein Stück Papier, der ist für mich noch lange kein Deutscher" – die "Ausländer", also alle die nicht mitteleuropäisch aussehen, raushaben will, und dies in toto mit "musimisch" (was für sie bedeutet: islamistisch), umschreibt, dann ist das vordergründi sehr wohl ein religionspolitisches Thema, nämlich dass die Politik, wenn auch mit jahrelanger Verzögerung und halbherzig, den populistischen Vereinfachern nachläuft, sich dann, völlig ungewollt, aber gezwungen, um nicht noch mehr Wählerstimmen einzubüßen, mit Religion beschäftigt, in dieser Zeit. mit dem Islam. Und damit kommt dann der Stellwenwert der Religion durch die Hintertür aufs Neue in unsere aufgeklärte Gesellschaft hinein und zwingt die Politik dazu, einen großen Teil der nachaufklärerischen Errungenschaften, also all unserer kulturellen Errungenschaten der letzten 250 Jahre, wieder aufzuweichen und teilweise rückgängig zu machen. Da versucht werden muss, die Scharia weit weit weg und außen vor zu halten, die "Bedrängung" durch "den Islam" dadurch aber nicht geringer wird, bleibt wohl wieder nur übrig, erneut am Grungesetz herumzuschnipseln und einige weitere Grundrechte und Freiheitsrechte mit Zusatzklauseln zu versehen, sie also einzuschränken, dafür aber verbal aufzuplustern. Wenn man sich mal den Artikel 16a zum Asylrecht durchliest und diesen mit dem Asylrecht vor 50 Jahren vergleicht, dann haben wir einen aufgeblasenen Roman von 5 oder 6 Seiten gegenüber einem Einzeiler vor 50 Jahren, wo es schlicht und ergreifend hieß: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht."
Wenn es also stimmt, dass wir heute gesellschaftspolitisch weiter zurückliegen als vor einem halben Jahrhundert, heißt das im Umkehrschluss, dass in den letzten 50 Jahren politisch ganz schön viel Scheiße gebaut worden ist.
Wie kommen wir also "mit" Religion aus dem Schlamasserl wieder raus? Denn man kann ja schlecht "den Islam!" verbieten, denn das würde bedeuten, dass man auch "das Chrisentum" verbieten müsste – unmöglich. Auf der anderen Seite: Gibt es eine andere Lösung, um klare und vorwärts gerichtete Politik machen zu können, die endlich mal daran geht, die wirklichen sozialpolitischen Probleme anzugehen? Denn der Tanz ums goldene Kalb "Islam" ist nur Scheinpolitik und Ersatzpolitik, der betrieben wird, weil "das Wirtshaus" (die Stammtische, die Bildzeitung) es so will.
Der Rahmen für eine Diskussion ist also sehr weit gesteckt.
Ich selbst muss noch eine Woche lang sehr konzentriert weiter woanders arbeiten und kann mich also erst in einer Woche hier richtig mit einklinken.
Wie wir wissen, verläuft der Spalt durch die Bevölkerung ebenso wie durch unser schönes Forum hier, fast genau durch die Mitte, wodurch wir zwei fein säuberliche Hälften haben. Seltsamerweise verläuft dieser Spalt nicht zwischen links und rechts, sondern geht – mit Ausnahme der AfD, die eine eindeutige Position hat – quer durch alle Parteien, Schichten und politischen Einstellungen. Dennoch bezeichnen die meisten die eine Einstellung als "links" und die andere als "rechts".
Klar, wie die Hälften verteilt sind. Die eine Hälfte hat nichts gegen Flüchtlinge, auch wenn sie nicht umhin kann zuzugeben, dass die Politik sich im Handling der Flüchtlingsfrage alles andere als geschickt angestellt hat, aber wir leben ja nun mal nicht isoliert, sondern haben "die ganze EU noch am Bein", die sich da alles andere als "unioniert" oder gar solidarisch verhält; diese eine Hälfte hat auch nichts gegen den Islam, fühlt sich trotz der Terroranschläge noch sicher, hat was dagegen, dass im Namen der Sicherheit immer ´weiter in unsere freiheitlichen Rechte eingegriffen und diese kurz bis kahl geschoren werden, hat auch nichts gegen den Islam, obwohl die meisten dieser Hälfte Atheisten sind, kann die Hysterie nicht verstehen und mahnt stattdessen zur Besonnenheit.
Die andere Hälfte will Merkel weghaben, hat "nix gegen den Islam aber", verwischt die Trennung zwischen Islam und Islamismus bis zur Unkernntlichkeit, hält jeden Flüchtling für einen potenziellen IS-Schläfer oder für einen potenziellen islamistischen Terroristen, möchte am liebsten den ganzen Islam abschaffen, ist für eine harte Flüchtlingspolitik, wehrt sich gegen den "allumfassenden Asylmissbrauch", spricht bei Flüchtlingen von "überwiegend jungen temperamentvollen Männern" und überlegt sich voll im Einklang mit AfD und Pegida, wie dem Untergang des Abenlands noch zuvorgekommen werden könnte, denn "wenn wir das weiter so schleifen lassen, sind wir in 50 Jahren eine islamische Republik mit Scharia-Grundgesetz".
Mir fiel das im immer wieder sich von selbst revitalisierenden Burka-Thread auf – wo es doch nur um ein Kleidungsstück geht und nicht um die Havarie des ganzen Abendlands –, dass das Thema nur die Oberfläche ist für sublimere subversive Gedankengänge, die man aber nicht allzu deutlich auszusprechen wagt, um nicht gleich sofort gesperrt zu werden, bei denen es um eine geistig-politische Grundhaltung geht, noch dazu um eine, die keine Kompromisse zulässt. Aber selbst das Thema Religion ist nur ein oberflächlich aufgesetztes, denn hinter Religion verbirgt sich Kultur, und hinter Kultur verbergen sich divergente Ethnien, die diejenigen, die ich zu der ersten Gruppe zähle, für nicht kompatibel mit "uns selbst" halten. Letztendlich die uralte Rassismus-Frage. Aber das soll hier nicht das Thema sein, auch wenn das natürlich stets mit reinspielt, aber ich will das auf einer anderen Ebene halten.
Also wie gesagt, man wird im Burka-Thread eher fündig als in anderen, vielleicht, weil die Harmlosigkeit des Themas die Mods hier weniger konzentriert mitlesen lässt wie etwa im Asylanten-, AfD- oder Sinddiedeutschenausländerfeindlich-Thread. Also gleich mal ran mit dem Zitat von @yenredrose:
Du wirst es nicht glauben, ich schreibe es trotzdem. Das Christentum im allgemeinen und Religionen im besonderen haben rein garnichts mit den kriegerischen Auseinandersetzungen zu tun.
Nach Martin Luther gab unzählige Kriege zwischen den christlichen Nationen und den beiden Haupstströmungen. Erst nach 1945, was noch garnicht so lange her ist gab es eine lange Friedensperiode (Nordirland und Jogoslawien ausgenommen) in Europa.
Im Islam gibt es neben den zwei Hauptstömungen Sunis und Shiis mindestens ebenso viele Nebenströmungen und Sekten wie im Christentum. Der Koran kann ebenso wie die Bibel ausgelegt werden, um entsprechende Jünger (Gleichgesinnte) um sich zu scharen.
Zeitlos gültig ist übrigens nur das Alte Testament, soweit ich weiß.
Um es etwas präziser zu sagen: Ist die Religion – wir sprechen jetzt (nicht nur) vom Islam – gerade dabei, die Politik am Schlafittchen zu nehmen und 250 Jahre Aufklärung und Laizismus aufzuheben und rückgängig zu machen? Und wenn überhaupt, kann natürlich nur der Islam daran schuld sein, oder?
Der Islam ist im Vergleich zum Juden- und zum Christentum eine "verspätete" Großreligion, die gerade dabei ist zu versuchen, den mehr als 600 Jahre Rückstand aufzuholen, aber mMn befindet er sich aktuell gerade in der Sturm- und Drangperiode, vergleichbar mit der Zeit der Hexenverbrennungen im Christentum, und noch vor der Aufklärung. Daraus zu schließen, dass er eine "falsche" Religion sei, ist ebenso verheerend wie die anderen geistigen Kurzschlüsse, die aus der Richtung der einen Gruppierung bzw. Hälfte der Bevölkerung kommen, die ich zuerst erwähnt habe. Er verträgt sich nur leider insgesamt schlecht mit "westlichen Werten", die schon durch das Reinigungsbad der Aufklärung gegangen bzw. aus diesem überhaupt erst als "neue Werte" hervorgegangen sind, dazu zählen auch die Menschenrechte.
Auf der anderen Seite ist die Genesis des Islam nicht viel anders als die des Juden- und des Christentums; es sind eben nur Unterschiede in einigen wenigen Aspekten, in denen sie sich unterscheiden, die aber für die Gläubigen so gravierend zu sein scheinen, dass sie sich nicht unter ein Dach bringen lassen, so dass die 3 monotheistischen Strömungen, die alle 3 aus der gleichen Quelle entsprungen sind und sich wie gesagt nur in Nuancen unterscheiden, so unvereinbar zu sein scheinen, dass es aussieht, als ob sich jeder Christ, jeder Jude und jeder Muslim mit einem Buddhisten besser verstehen kann als mit den Anhängern der anderen beiden "Schwesterreligionen".
Nach den Vorfällen seit 9/11. also schon seit 15 Jahren, ist es Mode geworden, alle außen- und vor allem innenpolitischen Streitigkeiten, Auseinandersetzungen und Grundsatzkonflikte "dem Islam" anzuhängen, geradeso als sei er verantwortlich für Hartz 4, Höcke, Trump und das schlechte Wetter bzw. das Jahr ohne Sommer. Überall wo was Schlimmes passiert, was auch schon so oder so ähnlich vor 50, 40, 30 oder 20 Jahren fast täglich passierte, fragt man plötzlich zuerst nach der Religion. Wenn es wieder mal eine der fast täglichen Messerstechereien mit Todesfolge gibt, fragt man als erstes: War der Angreifer bzw der Täter Muslim oder nicht? Wenn wieder irgendwo eine Frau von einem fremden Mann vergewaltigt wurde: Muslim oder nicht? Wenn ein Kind entführt wird und nach Wochen tot in einem Waldstück aufgefunden wird: War der Täter Muslim? Wenn der Staat im nächsten Jahr 3 Milliarden neue Schulden aufnehmen muss, weil die Ausgaben um genau diesen Betrag die Steuereinnahmen übersteigen, liegts bestimmt an den 3 Milliarden, die "wir" Erdogan geschenkt haben, damit er uns die Flüchtlinge vom Hals hält, also letztlich auch wieder an den Muslimen, denn die Flüchtlinge sind ja alles Muslime und keine Christen.
Kurzum: Das innenpolitische Klima ist derzeit dermaßen vergiftet, weil die Probleme – und zwar alle Probleme, die a priori überhaupt nichts mit Religion, also auch mit dem Islam nichts zu tun haben – denn was hätte die strukturelle Langzeitarbeitslosigkeit, die ständige Verteilung der Gelder von unten nach oben, die Energiewende, das demografische Elend, dass wir immer älter werden und als Volk konstant zahlenmäßig schrumpfen, die Verschiebung der Kräfteverhältnisse von Europa nach Ostasien, der seit Jahrzehnten überfällige, aber niemals in Angriff genommene grundlegende Umbau der Sozialsysteme, der permanente und wohl unaufhaltsame Rückgang unserer (einst) weltweiten Bedeutung in Forschung, Wissenschaft und Technologie, um nur einige Punkte zu nennen, in denen es mit Deutschland im internationalen Rennen schon seit Jahrzehnten bergab geht – weder mit dieser Regierung noch mit irgendeiner anderen seit zuletzt vielleicht der Schmidt-Regierung, und die ist schon sei einem Drittel Jahrhundert Geschichte, zu lösen sind. Und weil wir ahnen und wohl auch wissen, dass keine denkbare Regierung, allenfalls vielleicht eine von Linken und Grünen, aber die kommen ja zusammen nicht mal auf die AfD-Werte, den Mut, die Kraft und die Überzeugungskraft hat, diese notwendigen Umbaumaßnahmen unseres soziopolitischen und gesellschaftlichen Systems anzugehen, weil das für jeden erst mal tiefe finanzielle Einschnitte bedeuten würde, um die Zukunft und damit die Lebenswelt unserer Kinder und Kindeskinder auf eine solidere Basis zu stellen, suchen wir nach einfachen Lösungen, also zunächst mal nach einem Übeltäter und Gesamtschuldigen, den wir für die Murkserei unserer zurückliegenden und der gegenwärtigen Legislaturperiode(n) verantwortlich machen können, und das können ja eigentlich nur die "Ausländer" sein bzw. alle, die dem Islam anhängen.
Auf der anderen Seite muss die Politik, muss jede Regierung, aber auch jede Opposition, die die nächsten Wahlen gewinnen will, eine Politik anstreben, die nicht allzu lösgelöst ist vom "Volk" bzw. von "Volkes Stimme". Und was "Volkes Stimme" will, das liest man mit den dicksten Überschriften in den Springer-Medien (Bild, faz, Welt – die beiden Letzten zusammen mit Spiegel die hier am häufigsten gebräuchlichen Links), in den sozialen Netzwerken und natürlich auch in den Foren so wie in diesem. Da bekommen dann Rechtspopulisten, die die "einfachen Lösungen" im Programm haben, wie Seehofer, Petry und Gauland, höhere Zustimmungswerte als Merkel, Gabriel oder Wagenknecht.
Aber "vox populi", der Chor der vereinigten Stammtische, will eben einfache Lösungen, und wenn es nach diesen Stammtischen ginge, würde man nicht von wegen kulturellen Integrationsproblemen mit muslimischen Jugendlichen rumdrucksen, sondern so wie früher offen und ehrlich sagen "Ausländer raus" – aber so politisch unkorrekt traut sich allenfalls noch der "Höcke-Flügel" zu sein. Nein, ein Weltmeister im Rumdrucksen auf eine Art, dass aber jeder weiß, was gemeint ist, ist da eher ein Seehofer.
Und das heißt auf gut Deutsch: Der Islam ist an allem schuld, denn wenn es ihn nicht gäbe, hätten wir keine Flüchtlinge mehr hier, ja überhaupt keine Ausländer, denn alle, die sich rein optisch von uns unterscheiden – und das sindf eben keine Russlanddeutschen, auch wenn kaum einer von ihnen die deutsche Sprache beherrscht –, also eher alle, die das zur Schau stellen,was wir nicht sagen dürfen, nämlich "Südländische", und damit Muslime.
Wenn es also darum geht, dass (mindestens) die Hälfte der Bevölkerung – einer hier schrieb in einem anderen Thread: "Es ist mir wurst, ob einer einen deutschen Pass hat, das ist nur ein Stück Papier, der ist für mich noch lange kein Deutscher" – die "Ausländer", also alle die nicht mitteleuropäisch aussehen, raushaben will, und dies in toto mit "musimisch" (was für sie bedeutet: islamistisch), umschreibt, dann ist das vordergründi sehr wohl ein religionspolitisches Thema, nämlich dass die Politik, wenn auch mit jahrelanger Verzögerung und halbherzig, den populistischen Vereinfachern nachläuft, sich dann, völlig ungewollt, aber gezwungen, um nicht noch mehr Wählerstimmen einzubüßen, mit Religion beschäftigt, in dieser Zeit. mit dem Islam. Und damit kommt dann der Stellwenwert der Religion durch die Hintertür aufs Neue in unsere aufgeklärte Gesellschaft hinein und zwingt die Politik dazu, einen großen Teil der nachaufklärerischen Errungenschaften, also all unserer kulturellen Errungenschaten der letzten 250 Jahre, wieder aufzuweichen und teilweise rückgängig zu machen. Da versucht werden muss, die Scharia weit weit weg und außen vor zu halten, die "Bedrängung" durch "den Islam" dadurch aber nicht geringer wird, bleibt wohl wieder nur übrig, erneut am Grungesetz herumzuschnipseln und einige weitere Grundrechte und Freiheitsrechte mit Zusatzklauseln zu versehen, sie also einzuschränken, dafür aber verbal aufzuplustern. Wenn man sich mal den Artikel 16a zum Asylrecht durchliest und diesen mit dem Asylrecht vor 50 Jahren vergleicht, dann haben wir einen aufgeblasenen Roman von 5 oder 6 Seiten gegenüber einem Einzeiler vor 50 Jahren, wo es schlicht und ergreifend hieß: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht."
Wenn es also stimmt, dass wir heute gesellschaftspolitisch weiter zurückliegen als vor einem halben Jahrhundert, heißt das im Umkehrschluss, dass in den letzten 50 Jahren politisch ganz schön viel Scheiße gebaut worden ist.
Wie kommen wir also "mit" Religion aus dem Schlamasserl wieder raus? Denn man kann ja schlecht "den Islam!" verbieten, denn das würde bedeuten, dass man auch "das Chrisentum" verbieten müsste – unmöglich. Auf der anderen Seite: Gibt es eine andere Lösung, um klare und vorwärts gerichtete Politik machen zu können, die endlich mal daran geht, die wirklichen sozialpolitischen Probleme anzugehen? Denn der Tanz ums goldene Kalb "Islam" ist nur Scheinpolitik und Ersatzpolitik, der betrieben wird, weil "das Wirtshaus" (die Stammtische, die Bildzeitung) es so will.
Der Rahmen für eine Diskussion ist also sehr weit gesteckt.
Ich selbst muss noch eine Woche lang sehr konzentriert weiter woanders arbeiten und kann mich also erst in einer Woche hier richtig mit einklinken.