Ist Antisemitismus wieder "in"?
22.02.2019 um 10:20Zur Lage in Frankreich nach Grabschändungen und einem Angriff auf Alain Finkielkraut:
Bei den Grabschändungen hat man offenbar Hinweise auf eine rechtsextreme Speratistengruppe aus den 70ern und 80ern gefunden.
https://de.euronews.com/2019/02/19/nach-grabschaendung-macron-will-antisemitismus-entschlossen-bekaempfen
Zur Rede von Macron:
https://www.tagesspiegel.de/politik/antisemitismus-in-frankreich-macron-verspricht-haerteres-vorgehen-gegen-judenhass/24021350.html
In Deutschland weist hingegen der Schulunterricht offenbar eklatante Mängel auf:
Nach den Demonstrationen gegen den grassierenden Antisemitismus in Frankreich ist am Mittwoch eine neue Grabschändung bekannt geworden. Auf dem jüdischen Friedhof in Champagne-au-Mont-d'Or in der Nähe von Lyon wurden Gräber mit Hakenkreuzen beschmiert. Einen Grabstein besprühten die unbekannten Täter mit der Aufschrift „Shoa blabla“.https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/antisemitismus-demonstrationen-gegen-judenhass-in-paris-16050825.html
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Etwa 20.000 Menschen waren gekommen, um „Es reicht!“ („Ca suffit“) nach der Serie der antisemitischen Übergriffe, Schmierereien und Beschimpfungen zu sagen. Auch in 60 anderen Städten wurden Kundgebungen organisiert, im ganzen Land nahmen nach Angaben des Innenministeriums 50.000 Menschen teil. Das sei ein „wichtiges Signal“, wie Premierminister Edouard Philippe, betonte. Aber ausreichen wird es wohl kaum. Der frühere Präsident Nicolas Sarkozy forderte, der Staat müsse endlich Autorität zeigen. Sarkozy mahnte, dass der erstarkte Antisemitismus eine Folge des von Salafisten und anderen radikalen Predigern propagierten Judenhasses sei.
Als die Menschen in Paris und in anderen großen französischen Städten gegen den Judenhass protestierten, nahm die Polizei einen der Hetzer fest, der den Philosophen Alain Finkielkraut während einer Gelbwesten-Demonstration in Paris so hasserfüllt beschimpft hatte. Es handelt sich um den 36 Jahre alten Benjamin W. aus Mülhausen (Mulhouse) im Elsass, der zum Islam konvertiert ist und sich seither Souleyman nennen lässt.
Der Mann, der Finkielkraut als „Drecksrasse“ beschimpfte, geriet nach Angaben der Ermittler in den Bannkreis salafistischer Prediger.
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An den Schulen bestehen auch siebzehn Jahre nach der Veröffentlichung des Sammelbands „Die verlorenen Territorien der Republik“ die gleichen Missstände fort. Vor Klassen, deren Schüler überwiegend aus dem islamischen Kulturraum stammen, wird die Geschichte des Holocaust oftmals nicht oder nur unter größten Schwierigkeiten unterrichtet. Davon zeugten bereits 2002 die Berichte der Lehrer, die in dem Sammelband gedruckt wurden. Unter dem Hashtag #pasdevague, zu deutsch: nur keine Wellen schlagen, schlagen Lehrer seit Wochen in den sozialen Netzwerken Alarm, dass sich die Situation in vielen Banlieue-Klassen nicht gebessert hat.
Bei den Grabschändungen hat man offenbar Hinweise auf eine rechtsextreme Speratistengruppe aus den 70ern und 80ern gefunden.
https://de.euronews.com/2019/02/19/nach-grabschaendung-macron-will-antisemitismus-entschlossen-bekaempfen
Zur Rede von Macron:
https://www.tagesspiegel.de/politik/antisemitismus-in-frankreich-macron-verspricht-haerteres-vorgehen-gegen-judenhass/24021350.html
In Deutschland weist hingegen der Schulunterricht offenbar eklatante Mängel auf:
In Schulbüchern findet das Thema Antisemitismus nur im Zusammenhang mit der NS-Zeit statt, nicht aber mit jetzigen islamistischen und linksextremen Anfeindungen. Viele Lehrer fühlen sich alleingelassen mit dem Problem.https://www.welt.de/politik/deutschland/article189139639/Antisemitismus-Aktuelle-Anfeindungen-spielen-in-Lehrplaenen-keine-Rolle.html
Eine Möglichkeit bestehe darin, das Problem im Schulunterricht auszusparen und das Thema Juden und Israel „eigentlich meistens“ nicht aufzugreifen, sagt eine Berliner Lehrkraft. Denn sonst „wecke ich schlafende Hunde“. Die Alternative erleben Kollegen, die sich auf die Thematik einlassen. Israel solle verschwinden, bekämen sie von ihren Schülern zu hören, erläutert ein Pädagoge. Dabei gehe es vor allem um die territoriale Auflösung des jüdischen Staates: „Gründe werden nicht benannt, aber das Land gehöre den arabischstämmigen Völkern.“
Die Zitate finden sich in einer Studie über „Salafismus und Antisemitismus an Berliner Schulen“, die 2017 vom American Jewish Committee (AJC) herausgegeben wurde. Die 33-seitige Dokumentation bietet bedrückende Einblicke in den Alltag an Schulen in der Hauptstadt.
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„Viele Schüler sagen, wenn es um dieses Thema geht: Ja, ja, Deutschland unterstützt Israel immer, aber diesem Treiben werde bald ein Ende gemacht“, referiert eine weitere Lehrkraft die Stimmung: „Wenn wir erst einmal in bestimmten Positionen sind, dann ist damit Schluss. Dann wird’s genau umgekehrt sein.“
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Auch in den Schulbüchern geht es vor allem um den historischen Antisemitismus, weniger um den aktuellen. Letzterer würde vor allem im Zusammenhang mit Rechtsextremismus behandelt, sagt Dirk Sadowski vom Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung. Von 2011 bis 2015 nahm er als Leiter der Deutsch-Israelischen Schulbuchkommission die Lehrbücher für Geografie, Geschichte und Politik unter die Lupe: „Der islamistische Antisemitismus und der linksextremistische Antisemitismus wurden in den untersuchten Schulbüchern nicht thematisiert.“
In Schulbüchern scheine es Antisemitismus „nur in der politischen Rechten (und auch fast nur historisch) zu geben, kritisieren auch die Forscher Samuel Salzborn und Alexandra Kurth von der Technischen Universität Berlin und der Universität Gießen in dem aktuellen Gutachten „Antisemitismus in der Schule“.
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Ein Problem, das auch Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung, erkannt hat. „Die Schulbücher informieren unzureichend oder gar nicht über jüdisches Leben in Deutschland heute sowie über aktuellen, vor allem israelbezogenen Antisemitismus“, sagt er WELT. „Es wird oftmals der fatale Eindruck erweckt, dass mit dem Ende der NS-Herrschaft der Antisemitismus in Deutschland der Vergangenheit angehört.“