vincent schrieb:Das ist mir auf den ersten Blick viel zu ideologisch getrübt. Ich glaube, ich kann da cesare halt verstehen, obwohl ich jetzt auch nicht so viel gelesen habe..
Eine Antihaltung ggü. einer reaktionären Mehrheitsgesellschaft, was meist ja auch der Fall ist, wird in den meisten Fällen progressiv sein. Nur mit Antihaltung kann man das schlecht begründen. Die durch die AKP ausgelöste islamisierung und Zersetzung des Laizismus, fanden sich nicht wenige AKP-nahe Muslima auf den Unis mit ihren Kopftüchern doch auch total progressiv.
Am Ende kann man das doch sowieso nur anhand der Begründung beurteilen. In einer Sache hast du recht, sich auf einen 1400 Jahre alten Mann und seine zweifelhaften Ansichten zu berufen und darin heute noch irgendwie Fortschritt zu sehen, grenzt im Allgemeinen ans Unmögliche ran.
Wie du selbst feststellst, ist das ja alles ohne konkreten Sachverhalt relativ.
Veränderung ist aus sich heraus nicht progressiv und das Festhalten an Normen und Werten nicht aus sich heraus reaktionär.
Was soll zugunsten von was verändert werden?
Dazu kommt noch, dass eine vorherrschende Ideologie oftmals wohl progressive wie reaktionäre Aspekte in sich vereint.
Eine fundamentale Antihaltung könnte daher auch - wenn wir uns mal an "den Westen" halten - in einer Ablehnung von demokratischen Prinzipien gipfeln.
Das ist also nicht nur undifferenziert sondern im schlimmsten Fall gefährlich.
Bleiben wir bei dem postulierten Kopftuch aus Protest (evtl hast du die Beiträge dazu ja gelesen):
Nun haben wir eine sich durch Abstammung definierende Mehrheitsgesellschaft, die in Folge dessen logischerweise auch Menschen exkludiert...zumindest dahingehend.
Dagegen protestiert man. Ein legitimes Anliegen und in meinen Augen auch progressiv so pauschal betrachtet.
Aber ist das tatsächlich noch progressiv, wenn man dem "Deutschsein" jetzt einfach das "Ausländersein" gegenüberstellt?
In meinen Augen nicht, denn man zementiert hier die vorgegebenen Kategorisierungen, man bewegt sich genau in den vorgegebenen Spielregeln. Keinerlei Emanzipation, nur der Beweis, dass man selbst nicht in der Lage ist, außerhalb des Konstrukts zu denken, das man eigentlich ablehnt.
Und das ist kein "Ausländerproblem" sondern die gesamten postmodernen Strömungen innerhalb der Linken haben es sich in Rassekonstrukten gemütlich gemacht, wo man zwar so ein wenig am den Schrauben zu drehen versucht, aber dann doch im Endeffekt Handlungen und Eigenheiten gewissen Gruppen zuordnet und das dann auch noch schützen möchte und als erhaltenswert deklariert.
Es ist ein wenig so als wolle man der Sklaverei damit begegnen, es auch für schwarze Menschen möglich zu machen, weiße Sklaven zu halten ohne je auf den Gedanken zu kommen, dass die Sklaverei an sich das Problem darstellt.
Und man hat dann noch gar nicht darüber gesprochen, dass man für diese Art Protest dann auch noch ein eher fragwürdiges Symbol bzgl Emanzipation wählt.
Auch nicht über den Zwang oder indirekten oder direkten sozialen Druck der teils mit dem Tragen einhergeht.
Ich könnte mich jetzt auch noch über religiöse Motivation, oder patriotische bis nationalistische, traditionaliatische, auslassen, aber das wird alles nicht besser.
Mir fällt keine Motivation ein, die ich beklatschen würde.