stereotyp schrieb:So monokausal meinte ich es zwar nicht, aber im Prinzip ja. Und da meine ich insbesondere,dass Andersgläubige alks weniger wert angesehen werden (kuffar).
Das gibt es zum Teil unter Muslimen, aber findest du nicht, dass es das unter Deutschen auch gibt? Unausgesprochen würde ich durchaus sehen, dass der Obdachlose bei uns weniger Wert ist, oder für viele eben auch der Migrant. Auch da sehe ich nicht das Alleinstellungsmerkmal.
Letztendlich habe ich eher das Gefühl, dass sich Verbrechen und Gewalt an sehr universellen menschlichen Parametern festmacht, die zwar Eigenheiten in der Kultur haben können, aber letztendlich doch ähnlich sind. Der Deutsche, der seine Frau schlägt, tut das oft aus sehr ähnlichen Gründen wie der Araber, der das macht. Dasselbe gilt für Drogenhandel oder Körperverletzung.
stereotyp schrieb:Greift das nicht gerade um sich in Europa? In Schweden glaub ich wird die Armee gegen Clanbanden eingesetzt, und auch in Deutschland greift man wesentlich härter durch als früher. Dänemark und Belgien sind auch so Beispiele.
Aber ist dieses durchgreifen von Erfolg gekrönt? Man ist dabei gescheitert, diese Gewalt zu präventieren, das stimmt. In Deutschland auch. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass wir gerade in eine friedlichere und gewaltlosere Gesellschaft schlittern, ob bei Clans oder sonstwo. Du?
stereotyp schrieb:Und was folgerst Du jetzt daraus? Die Clans mal einfach weitermachen lassen? Für mich macht dein Argument kaum einen Unterschied. Dann müssen eben auch die Nachzügler die Härte des Gesetzes spüren.
Daraus folgere ich, dass wir unsere Energie auf reale Problemlösungen steuern sollten anstatt alles dafür aufzuwenden, um gegen Windmühlen zu kämpfen. Das heißt nicht, dass man einfach nicht mehr Verbrechen verfolgt. Das tut man ja schon jetzt. Die Frage ist, ob es sich wirklich lohnt, sich quasi mit Clans zu prügeln und sie zu ärgern, ohne dass das Verbrechen senkst. Denn da sind wir doch wieder bei der Opferperspektive: Wir wollen verbrechen senken. Wir wollen nicht Clans lediglich wütend machen ohne das zu erreichen.
Der erste Schritt ist, einzusehen, dass Verbrechen eine viel größere soziale als kriminalistische Komponente hat. Das ist keine Verharmlosung von Verbrechen. Das ist, als würde ich dir sagen, dass Gesundheit eine viel größere Lebensstilkomponente als medizinische Komponente hat. Ja, wenn jemand krank ist braucht er Medizin, aber besser als der 5te komplizierte Bypass ist, abzunehmen.
Das ist mein ganzer Punkt: Wir müssen darüber reden, wie wir realistisch Verbrechen senken können. Und dabei ist es hinderlich, sich auf einzelne effekthascherische Kriminelle oder auf emotionale Argumente zu fokussieren. Es wird nicht gehen, ohne die systematik hinter dem Täterwerden zu begreifen und zu ändern.
stereotyp schrieb:Das geht schon wieder in Richtung Bananenrepublik. Ich lehne das strikt ab. Ein Staat, der es nicht schafft, mit seinem Gewaltmonopol für die Einhaltung seiner Gesetze zu sorgen, denn kann man eben nicht mehr ernst nehmen. (Ich spreche nicht von Bagatelldelikten.
Deutschland ist kein solcher Staat und in Europa ist mir auch kein solcher bekannt. In jedem Staat, ob hier oder in Singapur oder Saudi Arabien werden Gesetze übertreten. Die Frage ist nur, wer das macht und in welcher Form. Das wirst du am offensichtlichsten bei der Gewalt in der Ehe und gegenüber Kindern sehen. Kein Staat kann realistisch alle verbrechen (oder sogar nur die Mehrheit) verfolgen, weil sehr, sehr viel Gewalt im Verborgenen stattfindet. Wenn wir weiter glauben, wir KÖNNTEN irgendwann mal mit kriminalistischen Methoden jede Straftat ahnden, riskieren wir, auf einem Irrweg zu bleiben und nicht die Stellschrauben zu bedienen, die wir brauchen, um Gewalt zu senken.
stereotyp schrieb:Jetzt wo es gerade interessant wird, brichst Du ab? Schade eigentlich. Vielleicht willst Du ja später noch mehr dazu schreiben.
Ich kann da gerne ein Beispiel geben, was ich am eindrücklichsten finde.
https://www.sueddeutsche.de/panorama/vergewaltigung-die-7-wichtigsten-fakten-zu-sexueller-gewalt-1.2937498Angezeigt hat Gabriele Liebig ihren Partner nie. "Mir erschien das sinnlos, damals", sagt sie. Nur 15 Prozent der Frauen in Deutschland gehen der EU-Studie zufolge zur Polizei, wenn ihr Partner gewalttätig wird; 17 Prozent sind es, wenn sie nicht mit dem Täter zusammen sind. Bei vielen Frauen ist Scham der Grund. Einige rechnen sich nur geringe Erfolgschancen aus, andere sagen, sie hätten selbst eine Lösung gefunden oder wollten alleine zurechtkommen.
15% der Vergewaltigungen werden angezeigt (und das ist die höchste Schätzung, vielleicht sind es weniger). Und bei den Anzeigen steht oft Aussage gegen Aussage:
https://www.tagesschau.de/investigativ/report-muenchen/verurteilungen-vergewaltigung-101.html"Das liegt daran, dass 85 Prozent der Frauen keine Anzeige machen, und dann gibt es folglich auch keine Verurteilungen. Und von den 15 Prozent die übrig bleiben, werden letztendlich nur 7,5 Prozent der Täter verurteilt. Das ist indiskutabel."
Nur die Hälfte von den angezeigten Männern wird verurteilt. Und dann überleg dir noch dazu, dass es auch missbrauch unter Vergewaltigung gibt, der wohl noch seltener angezeigt wird und schlechter nachweisbar ist (begrapschen, subtile Bedrohung usw.)
Unsere Dunkelziffer liegt also über 90%. Das ist eine Hausnummer. Und das ist bei sehr vielen verbrechensarten so. Bei Drogenkonsum und Drogenhandel wirst du wohl auch sehr niedrige Hellfelder haben. Wäre es anders, würdest du nicht im Dark Web Menschen bestellen können, die dir Drogen nach Hause liefern. Der Staat kann das verfolgen (in beiden Fällen tut er das auch), aber ich muss dich fragen: Wie realistisch kann er das unterbinden? Er kann einzelne Täter bestrafen und das ist auch wichtig für das Gerechtigkeitsgefühl der Bevölkerung, trotzdem müssen wir uns doch dem Umstand stellen, dass wir, um Verbrechen zu SENKEN, andere Mittel brauchen.
Selbst wenn du jetzt z.B. sagen würdest, man könne doch Frauen zur Anzeige ermutigen, würden wegen der Art des Verbrechens (oft Aussage gegen Aussage) nur ca die Hälfte der Täter verurteilt werden können. Das wäre besser, aber wirklich akzeptabel wohl kaum (und es ist auch nicht realistisch, die Quote anzeigebereiter Frauen so hoch zu bekommen).
und wenn wir jetzt an die Opfer denken (und wir sollten an beide als Menschen denken, an Opfer und Täter), dann müssen wir doch eine alternative Strategie überlegen. Wir können nicht hinnehmen, dass so viele Frauen vergewaltigt werden, ob wir nun die Täter hart oder milde bestrafen. Denn diese Bestrafung wird diese Art von Verbrechen nicht deutlich weiter senken können.
Und hier kommt jetzt die soziale Komponente ins Spiel. Wir müssen uns tief damit beschäftigen, wie Männer zu Täter und Frauen zu Opfern werden. Was sind risikomerkmale. Wie kann ich schon in Schulen z.B. im Sexualkundeunterricht Kindern dabei helfen zu erkennen, wenn Grenzen überschritten werden? Wie kann ich den Frauen die Hilfe brauchen Hilfe anbieten (Stichwort Frauenhäuser ausbauen). Wie kann ich Männer sensibilisieren, bei ihren Freunden darauf zu achten, ob diese sich übergriffig verhalten?
Wie kann ich Polizei, Lehrer, Jugendamt und Ärzte besser sensibilisieren, Missbrauchssituationen zu erkennen und sich einfühlsam den Opfern gegenüber zu verhalten, damit die Bereitschaft steigt, sich zu öffnen? Wie kann ich Täter für Sexualdelikte resozialisieren?
Das sind alles Dinge, über die ich gern beim Thema Verbrechensbekämpfung diskutieren würde, weil mir wichtig ist, Gewalt zu senken. Und ich finde, dass uns dieses denken vom islamischen kriminellen den man irgendwie brechen muss, ob mit Abschiebung oder harter Strafe, davon wegführt, uns diese schwierigen aber notwendigen Fragen zu stellen.
Ich will einen jungen muslimischen (oder anderweitigen) Intensivtäter nicht brechen, ich will dass er niemanden mehr Gewalt antut. Und das will ich auch beim unscheinbaren Familienvater, der nie angezeigt wird.
Oben ging es um häusliche Gewalt, aber bei Clankriminalität ist es ähnlich. Die Frage ist nicht, ob ich einzelne Täter fertigmachen kann. Die Frage ist, ob ich ein tragfähiges, gesellschaftliches Konzept habe, was plausibel oder sogar nachweisbar Intensivtäter dazu bringt, weniger Taten zu begehen (oder im Idealfall jugendliche dazu bringt, kein Intensivtäter zu werden). Dieses Konzept darf durchaus Bestrafung als einen Anteil haben, aber im Hinblick darauf, dass auch bei Clankriminalität die Dunkelziffer wohl gigantisch sein wird, muss man sich an der Realität orientieren. Die Realität ist: Ich kenne keinen Staat, der es geschafft, durch kriminalistische Methoden allein gang Kriminalität oder auch andere Gewaltformen wie häusliche Gewalt deutlich zu senken.