Völkermord in Tibet
11.12.2006 um 14:16
Dazu muss man kein Schüler derer sein.
Die verteilen auch nicht fleißigEmpfehlungsschreiben, Shoko Asahara war mit den Promotionen des Dalai Lamas ein gemachterMann in Japan, die Buddhisten liefen ihm hinterher und seine Weltuntergangssekte wurdeein mächtiger industrieller Komplex dadurch!
Zurück in Japan begann fürAsahara erst seine eigentliche Mission.
Mithin aufgrund der Empfehlungsschreiben desDalai Lama - gezielte
Einschüchterung der zuständigen Beamten beschleunigte dasVerfahren -
wurde Aum Shinrikyo im August 1989 offiziell als Religionsgemeinschaft
anerkannt. Als solche schaltete die Sekte eine Anzeigenserie in Magazinen
undZeitschriften, in der die Menschen aufgefordert wurden, ihre
Familien zu verlassenund sich der ,,am raschesten anwachsenden religiö-
sen Glaubensgemeinschaft in derGeschichte Japans'' anzuschließen.499
Ende des Jahres beherrschte Asahara bereits einImperium von mehr als
viertausend Gefolgsleuten und einem Vermögen inZigmillionenhöhe. Er
begann, überall im Land Grundstücke aufzukaufen und erklärte ineinem
Fernsehinterview: ,,Ich beabsichtige, ein spiritueller Diktator zu werden,
ein Weltbeherrscher '' Kritische Stimmen von außen wußte Asahara
durch blankenTerror zum Schweigen zu bringen: Ende 1989 etwa wurde
der Tokioter Anwalt undSektenspezialist Tsutsumi Sakamoto, der eine
Bürgerinitiative gegen Aum vertrat,zusammen mit seiner Frau und seinem
14 Monate alten Sohn von einem Rollkommandoermordet.
Durch die offizielle Anerkennung vor jeder Kontrolle geschützt, war
Aumnicht mehr aufzuhalten. Der Zustrom neuer Mitglieder nahm immer
gigantischere Ausmaßean: Tausende, fast ausnahmslos junge Menschen
zwischen Anfang und Mitte Zwanzigbrachen ihre Ausbildungen ab,
kündigten ihre teils hochdotierten Karriereposten undJobs, verließen ihre
Familien und Freunde, um sich Asahara anzuschließen. VieleNeuzug
änge der Sekte waren StudentInnen der Naturwissenschaften und Technik
undzählten zu den otaku, den Computerfreaks Japans, die ihre gesamte
Freizeit damitverbringen, sich in Computernetzwerke einzuloggen
und wahllos irgendwelche Datenanzusammeln. Asahara konnte sich
perfekt einklinken in einer lebensunerfahrenenGeneration, die innerhalb
des japanischen Schulsystems nicht anderes gelernt hatte,als reibungslos zu funktionieren. Wie die Autoren Kaplan und Marshall es formulieren:
,,Talentierte junge Menschen werden in dieser Ausbildungsmaschinerie
zerrieben.Was in dieser Welt zählt, sind Anpassung, Gehorsam und reines
Auswendiglernen.Japanische Schüler sollen nicht analysieren oder
hinterfragen, sie sollen nur Faktenanhäufen und diese in endlosen Prü-
fungen wie Computer voller Gigabytes an Datenwieder abspulen. In
Japan kann man das Gymnasium absolvieren, ohne jemals Ethik-,Philosophie-
oder Religíonsunterricht besucht zu haben.'' 501 Asahara bot beides,
den gewohnten Drill und zugleich das Versprechen, das paralysierende
Sinnvakuumzu füllen. Keineswegs strömten der Sekte irgendwelche
Gestrandete zu, vielmehr warenes in erster Linie Angehörige der akademischen
Intelligenz, Chemiker, Biologen,Ärzte, Computerspezialisten
mit teils brillanten Karriereaussichten, die sich zuseinen Füßen einfanden:
Die High-Tech-Generation des postindustriellen Japan warfasziniert
von Asaharas geschickt inszenierten Prophezeiungen der herandämmernden
Apokalypse und der elitären Zusage des eigenen Überlebens in einer
neuen,besseren, lebenswerteren Welt. Und sie war fasziniert von seinem
absolut irrationalenesoterischen Firlefanz.
Anfang 1990 bewarben sich Asahara und fünfundzwanzig seinerJünger
bei den Wahlen zum japanischen Unterhaus. Trotz großangelegter
Werbekampagnen - Asahara hatte 7 Millionen US-Dollar für seinen
Wahlkampfinvestiert - und der Prophezeiung eines überwältigenden
Erfolges fielen sämtlicheAum-Kandidaten durch. Nach der Wahlniederlage
kreisten Asaharas Predigten mehr undmehr um den bevorstehenden
Weltuntergang. Hatte er dessen Termin zunächstfür 2003vorhergesagt,
so verlegte er diesen immer weiter nach vorne. Letztlich prophezeite er
den Beginn von Armageddon für das Jahr 1996: Japan werde durch einen
atomarenAngriff der USA und der UNO vollständig vernichtet, ein folgender
Weltkrieg bedeutedas Ende jeder Zivilisation. Die Amerikaner
hätten bereits damit begonnen, dieAum-Gemeinschaft anzugreifen, da
deren spirituelle Kraft eine Gefahr für sie bedeute.Jeden Tag, so Asahara,
kreisten Flugzeuge über der Kommune am Fuji und besprühtendiese mit
biochemischen Kampfstoffen. Dies erkläre auch den schlechtenGesundheitszustand
vieler seiner Anhänger. Für die ,,Mönche'' und ,,Nonnen'' in
Kamikuishiki, dìe den ganzen Tag hart arbeiteten, wenig schliefen und
katastrophal mangelernährt waren, hatte es wohl tatsächlich den Anschein,
alswürde die Zivilisation bald aufhören zu existieren.
,,Wir brauchen viele Waffen, umArmageddon abwehren zu können'',
erklärte Asahara seinen Anhängern. ,,Aum muß sich zueiner Militärmacht umwandeln.''Die Aufrüstung war ein Leichtes. Aum Shinrikyo
warinnerhalb kürzester Zeit zu einer der reichsten Sekten der Welt aufgestiegen,
Anfang1993 verfügte der Gu_ über ein Vermögen von rund 140
Millionen US-Dollar. Unter demSchutz von Gesetzen, die anerkannten
religiösen Gemeinschaften quasi Steuerbefreiunggewähren, errichtete
Asahara daraus ein gigantisches Wirtschaftsimperium. Dutzendeprofitabler
Firmen wurden gegründet beziehungsweise aufgekauft, darunter
Export-und Import-Gesellschaften, Restaurants, eine Computerdiscountkette,
ein Krankenhaus,eine Fabrik für Präzisionsmaschinen; daneben
betrieb er Fitneßzentren,Schönheitssalons, einen Partner- sowie einen
Wahrsageservice und zahllose weitereGeschäfte. In Japan und Übersee
erwarb er an die dreihundert Immobilien. 1995, nursechs Jahre nach jener
einträglichen Empfehlung durch den Dalai Lama, belief sich dasVermö-
gen der Sekte aufrund eine Milliarde US-Dollar.
Mit diesem Geldorganisierte Asahara die vorhergesagte Apokalypse.
Kein Horrorfilm kann übertreffen,was im Reich von Aum Shinrikyo
Wirklichkeit wurde. Schon seit Mitte 1990 wurde ingeheimen Labors an
der Herstellung biologischer Kampfstoffe gearbeitet. In ersterLinie züchtete
man Kulturen mit Botulismus-Erregern, deren Typ A, ein vielfaches
toxischer als Strychnin, als tödlichste aller biologischen Substanzen gilt.
Daneben experimentierte man mit dem hochinfektiösen Milzbrand-Erreger
undversuchte sich an dem tödlichen Ebola-Virus aus Zaire. Man
stellte gewaltige Mengenan LSD und Amphetaminen her, produzierte
Sprengstoffe wie TNT und baute einecomputergesteuerte Fabrik zur
Massenproduktion automatischer AK-47-Gewehre, derStandardwaffe der
russischen Annee. Die Blaupausen für die Gewehre liefertenVerbindungen,
die Asahara in Moskau geknüpft hatte. Auf seiner ersten Reise nach
Rußland im Frühjahr 1992 spendete er Radio Moskau einen Betrag von
700.000US-Dollar: fortan wurde zweimal täglich eine halbe Stunde
Aums ,,Absolute Wahrheitdes Heiligen Himmels'' ausgestrahlt. Daneben
sponserte er zahlreicheForschungsinstitute, die nach dem Zusammenbruch
der Sowjetunion unter mangelnderfinanzieller Ausstattung zu
leiden hatten, mit enormen Geldbeträgen. Auch mitSpitzenpolitikern
rund um Vizepräsident Alexander Ruzkoj traf er zusammen, wobeiwiederum
großzügige Spendengelder flossen. Bald standen Asahara in Ruß-
landTüren und Tore offen, Aum Shinrikyo konnte Filialen im ganzen
Land etablieren. 1993verfügte die russische Gliederung der Sekte bereits
über zehntausend Mitglieder, 1995waren es dreißigtausend. In Rußland
fanden sich aus dem Nachlaß der Sowjetunionzahllose unterbezahlte oder
arbeitslose Speziaisten für Massenvernichtungsmittel,Physiker, Chemiker,
Biologen, Atomwissenschaftler, die Asahara für sich einzuspannen
wußte. Kurz nach seinem ersten Rußland-Besuch begann man in den
Labors der Sektemit Nervengift-Versuchen. Aum Shinrikyo bediente sich
auch auf demWaffen-Schwarzmarkt Rußlands: um 700.000 US-Dollar
kaufte man einenKampfhubschrauber, der, in Einzelteile zerlegt, über die
Slowakei, Österreich und dieNiederlande nach Japan verschifft wurde.
Desweiteren zeigte man sich sehr interessie_an Gewehren mit Laserlinsen,
Minen und Handgranten; auch an T-72-Panzern und einemMiG-
29-Jagdbomber. Wie sich später herausstellte, stand auch ein 15-Millionen-
Dollar-Angebot für Nuklearsprengstoffim Raume.
In der japanischen Sektenzentralebeschäftigten sich hochqualifizierte
Wissenschaftler mit der Herstellung einerStrahlenwaffe. 1993 kaufte
Aum eigens eine 200.000-Hektar-Farm in Australien, um dortnach Uran
zu schürfen. Das Vorhaben scheiterte zwar, auf der abgelegenen Ranch
konnte man dafür ungestört die neue Sarin-Produktion testen: Eine Herde
Schafeverendete unter heftigen Krämpfen. Wenige Monate später erfolgte
im japanischenMatsumoto der erste ,,Test'' an Menschen.
Im Sommer 1994 verfügte derHitler-Bewunderer Asahara über ein
Arsenal an Waffen und Kampfstoffen, um ganzeLandstriche zu entvölkern.
Er begann, mit Hilfe einer Litanei antisemitischer Texteaus dem
Dritten Reich, gegen die Juden zu hetzen - zu denen er auch Kaiser Akihito,
Bill Clinton und Madonna zählte -, die sich verschworen hätten,
Japan zuvernichten. Um dies zu verhindern, so kündete er seinen Anhängern,
sei es nötig,sofort die Macht zu übernehmen. Der Plan zum Staatsstreich
trug den Namen ,,Tag X''.Ein Spezialistenteam von Aum-Kämpfern
sollte in die Hauptstadt Tokio einmarschieren,deren Bevölkerung
man zuvor durch einen verheerenden Luftangriff mit Sarinausgelöscht
hätte. Die Asahara-Truppe sollte die Errichtung einer Theokratieverkünden
und Asahara zum neuen Führer der Nation ausrufen. Für den Einsatz
trainierte eine paramilitärische Abteilung der Sekte im Gebirge den Nahkampf.
Dasentscheidende Signal Armageddons kam unvorhergesehen. Am
17. Januar 1995 erschütterteein mächtiges Erdbeben die Stadt Kobe in
Zentraljapan, bei dem fünfeinhalbtausendMenschen starben. Asahara
erklärte das Beben zu einem Angriff der USA miteiner,,seismischen
Waffe'' und tat kund: ,,Es bleibt uns keine andere Wahl als derKampf.''503
Nachdem die Polizei für den 21. März 1995 eine landesweite Razzia in
allen Einrichtungen der Sekte angekündigt hatte, beschloß Asahara den
Angriff.Als Ziel wurde der große U-Bahnhof Kasumigaseki im Zentrum
Tokios anvisiert. Über demBahnhof befinden sich wichtige Regierungsund
Verwaltungsgebäude, vor allem auch diePräsidien von Stadt- und
Staatspolizei; Kasumigaseki gilt als das ,,Herz desjapanischen Staates''.
Am 20. März, kurz nach acht Uhr morgens, brach hier dasInferno los.
Im April 1996 wurde Aum Shinrikyo offiziell verboten, bis zum Sommer
1997 konnten mehr als hundert der 138 verhafteten Führungskader
der Sekte zuteils hohen Gefängnis- oder Geldstrafen verurteilt werden. In
den Hauptverfahren umdie Giftgasanschläge und die Morde an den Abtr
ünnigen und Kritikern waren dieUrteile Mitte 1999 noch nicht gesprochen;
nur in einem Fall war gegen ein führendesAum-Mitglied die
Todesstrafe verhängt worden.
Die Reaktion des Dalai Lama undseines Hofstaates auf die Terroranschl
äge Asharas ist bezeichnend: Plötzlich wurdebehauptet, Asahara
sei ,,niemand Besonderes'' gewesen, ,,Seine Heiligkeit''verlautbarte,für
ihn sei der Japaner einfach einer unter Hunderten von Verehrerngewesen,
die er jedes Jahr empfange.