Über Soldaten
29.10.2006 um 20:54
Mordmerkmale
Im deutschen Recht unterscheidet sich der Mord vom Totschlag (§ 212StGB) dadurch, dass mindestens eines der in § 211 Abs. 2 StGB genannten Mordmerkmale imRahmen der Tötung verwirklicht wird.
Strittig ist, wie Mord und Totschlagrechtsdogmatisch zueinander stehen. Die Rechtsprechung (allen voran der BGH) sieht in §211 einen eigenen Straftatbestand, während die herrschende Lehre § 211 als Qualifikationzu § 212 begreift. Relevanz hat der Streit, wenn ein Teilnehmer der Tat einpersonenbezogenes Mordmerkmal nicht aufweist, da dieser nach der Ansicht derRechtsprechung über § 28 Abs. 1 StGB nur in den Genuss einer Strafmilderung kommt.
Die Mordmerkmale müssen auf Grund der absoluten Strafandrohung aus Absatz 1 sehrrestriktiv ausgelegt werden. Dies ist schon verfassungsrechtlich geboten. Die Literaturund die Rechtsprechung haben verschiedene Rechtsfiguren geschaffen, um dieserrestriktiven Auslegung gerecht zu werden, dazu gehören 1. die positive und die negativeTypenkorrektur und 2. die sog. Rechtsfolgenlösung. Diese Figuren können jedoch alle nichtin jeder Hinsicht überzeugen. Diesen Zustand zu beseitigen ist der Gesetzgeber gefordert.Unterschieden werden drei Merkmalsgruppen (zwei täterbezogene und eine tatbezogene):
* Gruppe 1: Niedrige Beweggründe (täterbezogen)
Der Täter handelt ausMordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder aus einem anderenniedrigen Beweggrund heraus.
o Mordlust
Allein die Tötungeines Menschen an sich ist Zweck der Tathandlung. Die Freude an der Vernichtung einesMenschenlebens bzw. der Wunsch, jemanden sterben zu sehen, treibt den Täter zur Tat.Mögliche Ursachen sind beispielsweise Langeweile, Neugier oder Angeberei. Mordlust kanneiner natürlichen Neigung entspringen, oder gezielt trainiert werden. Ein Mord ausMordlust ist oftmals mit sadistischen Handlungen verbunden. Eng verwandt mit der Mordlustist die Motivation, einen perfekten Mord zu begehen.
o Befriedigung desGeschlechtstriebes
Hier will sich der Täter durch die Ermordung einesMenschen sexuell befriedigen („Lustmord“). Die Befriedigung erfolgt entweder direkt durchden Akt der Tötung oder im Nachhinein an der Leiche. Ebenfalls erfüllt ist das Merkmal,wenn der Täter den Tod seines Opfers bei einer Vergewaltigung billigend in Kauf nimmt, d.h. Gewalt anwendet und sich darüber im Klaren ist, dass sein Opfer dadurch möglicherweisestirbt. Auch ist das Mordmerkmal dann gegeben, wenn man sich erst nach dem Mord anhandvon Videos, Fotos oder Tonaufnahmen, die bei der Tat hergestellt wurde, sexuell erregt.
o Habgier
Darunter wird das rücksichtslose Streben nachVermögensmehrung oder Besitzerhaltung um jeden Preis (höchst strittig!) verstanden. DemTäter geht es also darum, sein Vermögen durch die Tötung seines Opfers zu vermehren (z.B. eine Erbschaft oder Lebensversicherung zu kassieren, Auftragsmord) oder zu behalten(z. B. einen bestimmten Betrag - Unterhalt, Schadenersatz - nicht zahlen zu müssen).
o Sonstige niedrige Beweggründe
Die herrschende Meinung verstehtunter diesem Begriff solche Motive, die sittlich auf niedrigster Ebene angesiedelt sindund nach den Wertmaßstäben des deutschen Kulturkreises besonders verwerflich oder garverachtenswert sind. Darunter fallen z.B. Neid, Rassenhass und Rachsucht. So genanntenormal-psychologische Verhaltensweisen wie zum Beispiel Wut und Eifersucht sind dannniedrige Beweggründe, wenn die Motive, auf die sie sich gründen, als niedrige Beweggründeeinzustufen sind, also wenn z.B. Grund der Eifersucht eine erhebliche Eigensucht ist.Auch die sog. „Ehrenmorde“ können unter „sonstige niedrige Beweggründe“ subsumiertwerden, da zur Bestimmung dieses Mordmerkmals nicht der ausländische, sondern derinländische Kulturkreis entscheidend ist.
* Gruppe 2: Besonders verwerflicheBegehungsweise (tatbezogen)
Die Tat selbst muss dieses Merkmal erfüllen, undzwar indem sie entweder heimtückisch oder grausam war oder mit gemeingefährlichen Mittelndurchgeführt wurde.
o Heimtücke
Der Heimtückebegriff istumstritten. Der Mörder muss die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötungausnutzen und geht gegen dieses in feindlicher Willensrichtung vor. Arglos ist derjenige,der sich im Moment der Tat keines Angriffs bewusst ist. Die Wehrlosigkeit ist Folge derArglosigkeit, da die Verteidigungsbereitschaft und -möglichkeit eines arglosen Opferseingeschränkt ist. Schwierig ist die Abgrenzung bei Kleinstkindern, welche keinen Argwohnentwickeln können, und Bewusstlosen. In solchen Fällen wird die Arglosigkeit dannangenommen, wenn der Täter den natürlichen Schutz- und Abwehrinstinkt beim Kindüberwindet, indem er z. B. das bittere Gift mit Zucker süßt, damit es genießbar wird. BeiSchlafenden wird angenommen, dass diese ihre Arglosigkeit „mit in den Schlaf nehmen“. EinBewusstloser kann hingegen nicht arglos sein. Aufgrund der vom Bundesverfassungsgerichtim Hinblick auf die lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehene restriktive Auslegung diesesMordmerkmals werden in der Literatur und Rechtsprechung umstritteneEinschränkungsversuche gemacht. Einerseits wird auf Tatbestandsseite zusätzlich ein„besonderer Vertrauensbruch“, eine „besondere Verwerflichkeit“ oder ein „tückischverschlagenes Vorgehen“ gefordert. Die Rechtsprechung versucht die Rechtsfolge durchStrafmilderung abzufedern.
o Grausamkeit
Das Opfer istkörperlichen oder seelischen Qualen ausgesetzt, die nach Intensität und Dauer über das„normale Maß“ einer Tötung hinausgehen, wobei der Täter aus gefühlloser, unbarmherzigerGesinnung heraus handelt. Dies trifft beispielsweise zu, wenn der Sterbeakt des Opfersvom Täter verlängert oder anderweitig intensiviert wird (z. B. Tötung durch dauerhaftenNahrungs- bzw. Flüssigkeitsentzug oder Folter).
o Gemeingefährliche Mittel
Mittel sind dann gemeingefährlich, wenn der Täter sie im Einzelfall nichtsicher zu beherrschen vermag und sie geeignet sind, Leib und Leben mehrerer Menschen zugefährden. Die Gefahr beschränkt sich also nicht nur auf eine Einzelperson, sondern wirdauf die Allgemeinheit ausgeweitet. Beispiele sind u. a. der Einsatz von Sprengstoff,mehrere, unkontrollierte Schüsse aus einer Waffe oder Feuer in der Nähe einerMenschenmenge.
* Gruppe 3: Verwerflichkeit der deliktischen Zielsetzung(täterbezogen)
o Ermöglichung oder Verdeckung einer Straftat
Wenn das dritte Mordmerkmal erfüllt sein soll, so muss es das maßgebliche Ziel desTäters gewesen sein, entweder eine Tat zu ermöglichen oder eine solche zu verdecken.Darunter fällt nicht nur eine eigene, sondern auch die Tat eines Dritten. Sie mussallerdings nicht strafbar und auch nicht tatsächlich begangen worden sein, es reicht,wenn der Täter dies irrigerweise annimmt. Beispiele hierfür sind das Töten eines Zeugenoder Ermittlers, wobei entscheidend ist, dass die Straftat aus Sicht des Täters nochverheimlicht werden kann.