Kriegsverbrechen im Libanon
08.08.2006 um 16:21
Kriegsjunkies in Tel Aviv
Ehud Olmert und Amir Peretz sind die größte Gefahr fürIsrael
Uri Avnery
Es war für mich ein erschreckender Augenblick, als es mir wieSchuppen von den Augen fiel. Ich hörte eine der täglichen Reden unseresMinisterpräsidenten. Er sagte: »Wir sind ein wunderbares Volk!« Er sagte: »Wir habendiesen Krieg schon gewonnen, es ist der größte Sieg in der Geschichte unseres Staates.«Und weiter: »Wir haben das Antlitz des Nahen Ostens verändert«. Und noch mehr in dieserArt.
Nun, sagte ich zu mir selbst, das ist eben Ehud Olmert.
Ich kenneihn, seit er etwas über 20 Jahre alt war. Damals war ich Mitglied der Knesset, und Olmertwar (buchstäblich) Aktenträger eines anderen Knesset-Mitgliedes. Seitdem habe ich seineKarriere verfolgt. Er war niemals mehr als ein Parteifunktionär, ein Schmalspurpolitiker,der sich auf Manipulationen spezialisierte, ein mittelmäßiger Demagoge. Zwischendurchwechselte er mehrfach die Parteien und diente als Bürgermeister von Jerusalem mit derNote »kaum genügend«, bis er sich der vielversprechenden Sache Ariel Scharons anschloß.Rein zufällig wurde ihm der leere Titel »Stellvertretender Ministerpräsident« verliehen.Und als Scharon seinen Schlaganfall erlitt, geschah etwas, worüber Olmert selbst sehrüberrascht war: er wurde Ministerpräsident. Während seiner ganzen Karriere blieb er durchund durch Zyniker, an sich vom rechten Flügel, aber auch bereit, gegenüber Linkenvorzutäuschen, er sei ein Liberaler .
Also – sagte ich zu mir – das wird eineweitere zynische Rede sein. Doch plötzlich kam mir ein entsetzlicher Gedanke: »Nein, derMann glaubt tatsächlich, was er sagt!« Man kann es sich kaum vorstellen, aber anscheinendglaubt Olmert wirklich, dies sei ein erfolgreicher Krieg, den er gewinnen werde; er haberadikal die Situation Israels verändert; er sei dabei, den Neuen Nahen Osten zu bauen;er sei ein historischer Führer und Ariel Scharon weit überlegen, (der ja immerhin imLibanon besiegt worden war und der der Hisbollah gestattete, ihr Raketenarsenalaufzubauen). Je länger es ihm erlaubt sei, mit diesem Krieg fortzufahren, um so mehrwerde sein Ansehen bei zukünftigen Historikern wachsen.
Ehud Olmert hatoffensichtlich jeglichen Kontakt mit der Realität verloren. Er lebt in einerselbstgeschaffenen Seifenblase. Seine Reden zeigen, daß er ein echtes Problem hat. Vonallen Gefahren, denen Israel jetzt ausgesetzt ist, sind es diese, die man am ernstestennehmen sollte. Denn dieser Mann entscheidet ganz einfach über das Schicksal vonMillionen: wer sterben, wer Flüchtling, wessen Welt zerschmettert werden wird.
Aber Olmerts Problem mit dem Größenwahnsinn ist nichts im Vergleich zu dem, was mitAmir Peretz geschehen ist. Genau vor neun Monaten. nach der Wahl zum Vorsitzenden derArbeitspartei, hielt Peretz in Tel Aviv auf dem Rabin-Platz eine Rede und verriet seinenTraum: Im Niemandsland zwischen Israel und dem Gazastreifen solle ein Fußballfeld gebautwerden, und ein Fußballspiel solle zwischen der israelischen Jugend von Sderot und derpalästinensischen Jugend des nahen Bet Hanoun stattfinden. Ein israelischer Martin LutherKing! Neun Monate später wurde uns ein Monster geboren.
Bei derKnesset-Wahlkampagne erschien Peretz wie ein sozialer Revolutionär. Er verkündigte, erwolle das Antlitz der israelischen Gesellschaft verändern, die nationalen Prioritäten neufestlegen, Milliarden Schekel des Militärbudgets der Bildung, Erziehung, Wohlfahrtzukommen lassen und dafür sorgen, daß die Kluft zwischen den Reichen und Armen kleinerwerde. Als alter Friedensanhänger würde er natürlich Frieden mit den Palästinensern undder ganzen arabischen Welt anstreben. Dies ließ ihn die Stimmen vieler Bürger gewinnen,einschließlich vieler, die normalerweise nicht daran gedacht haben, jemals Arbeitsparteizu wählen.
Was dann folgte, ist Geschichte. Er verführte sich selbst, als Olmertihm das Verteidigungsministerium anbot. Das war Olmert, der Zyniker. Er wußte – genau wiewir –, daß Peretz in eine Falle tappt, daß er als reiner Zivilist ohne ernsthaftemilitärische Erfahrungen zur leichten Beute der Generäle werden würde. Aber Peretz schraknicht zurück. Das höchste Ziel seines Lebens ist, Ministerpräsident zu werden, und um einglaubwürdiger Kandidat zu sein, glaubte er, er müsse sich selbst als Sicherheitsexpertepräsentieren.
Seitdem ist Peretz zum Oberkriegstreiber geworden. Nicht nur, daßer alle Forderungen der Generäle unterstützt, nicht nur, daß er als ihr Sprecher fungiert– er hat auch mitgeholfen, Israel in den Krieg zu treiben. Seitdem fordert er, der Kriegsolle fortgesetzt und ausgedehnt werden, es solle mehr getötet, mehr zerstört, mehrbesetzt werden. Er erklärte selbst: »Nasrallah wird niemals den Namen Amir Peretzvergessen!« – wie ein verwöhntes Kind, das seinen Namen in eine Touristenattraktioneinritzt.
Im Augenblick versucht er sogar, extremer als Olmert zu sein. Währendder Ministerpräsident zögert, weiter zu gehen und um die zu vielen Todesfälle durchRaketen und durch Gefechte auf dem Boden besorgt ist, die ihm womöglich den Siegesglanzverdunkeln könnten, will Peretz den Litani-Fluß erreichen, was immer es auch kosten mag.Da gibt es keinen anderen Weg, falls man Ministerpräsident werden will: Man muß überLeichen gehen.
Übersetzung aus dem Englischen: Ellen Rohlfs und Christoph Glanz
quelle: junge welt, 08.08.2006
ist interessant und uri avnery kann mannun wirklich nicht mit dem vorwurf des antzionismus oder gar des antisemitismus kommen.