Afghanistan, die Luft wird dicker

fischersfritzi schrieb:Wer will denn ALLE herholen?

Deshalb fragte ich, worüber wir eigentlich reden. Siehe:

V8Turbo schrieb:Und überhaupt worüber reden wir? Die Ortkräfte rausholen oder jedem Afghanen ein Leben in Deutschland ermöglichen?

Häufig klingt es hier nämlich nicht nach "holt die Ortskräfte raus", sondern nach "schafft eine Dauerhafte Lüftbrucke Berlin-Kabul-Berlin". (Natürlich überspitzt)

Ich weiss nicht, ob ich den Bürgern Afghanistans Unrecht tue, aber ich habe nicht den Eindruck, dass wirklich ein breiter Wille vorhanden ist, dass da keine Mittelalterspiele mehr stattfinden. Wenn ich mir das Verhalten der Armee anschaue, scheint man nicht ernsthaft gewillt gewesen zu sein, Taliban aufzuhalten, die im Verhältnis 7:1 unterlegen waren.

@V8Turbo

V8Turbo schrieb:Und wieso nur Afghanen? Schon mal nach Mali geschaut? Nach Libyen? Südsudan? Jemen? Sollten wir die nicht, hilfsbereit und selbstlos wie wir sind, auch aufnehmen?
Rettung aus der Not brauchen aktuell so ca. 200 Millionen Menschen. Sollten wir die nicht alle aufnehmen? Wieso nur Afghanen? Lasst uns allen helfen!!! Pack ma´s!

Und warum willst DU Dich engherzig auf diese 200 Millionen beschränken? Was ist mit Tunesien, Marokko, Pakistan, Indien ?
Ok, kein Bürgerkrieg oder so, aber man weiss ja nie. Da muss man vorbeugend aufnehmen.

@umma
Asyl ist nun mal gar nicht für alle diese Menschen gedacht. Soweit ich weiss, ist Afghanistan jetzt auch nicht direkt ein Nachbarland. Wer also hierher kommt (die wirklich zu rettenden Ortskräfte ausgenommen) ist schon nicht mehr in Gefahr.
Und für die 'Armee' gilt nun mal, dass es kein Asylgrund sein kann, lieber wegzurennen, die Waffen ordnungsgemäß den Terroristen zu übergeben, sich schön ins Ausland abzusetzen, damit Wildfremde dann vor Ort die Kohlen aus dem Feuer holen.

sacredheart schrieb:Verhalten der Armee anschaue, scheint man nicht ernsthaft gewillt gewesen zu sein, Taliban aufzuhalten, die im Verhältnis 7:1 unterlegen waren.

Eher 3 zu 1.. Laut "Papieren"

Ändert ja nichts am grundsätzlichen.

Land auf dem silbertablett übergeben.

Russland vertraut den Sicherheitszusagen der Taliban.
Daher bleibt die russische Botschaft in Kabul geöffnet.
Seit 2015 gibt es Gespräche zwischen der Russischen Föderation und den Taliban, dementsprechend gut ist die gegenseitige Beziehung.
Die Einstellung der Russen gegenüber den Taliban ist offenbar sehr pragmatisch.

Während unter anderem Deutschland und die USA ihre Botschaften evakuieren ließen, hieß es von russischer Seite, dass ihre Botschaft in Kabul ihre Arbeit wie gewohnt fortsetzen werde. "Die Taliban haben uns bereits alle relevanten Versprechen gegeben. Hoffen wir, dass sie eingehalten werden", so der Botschafter.

Seit Jahren schon unterhält Moskau Kontakte zu "beiden Seiten" - der nun vertriebenen afghanischen Regierung und den Taliban. Obwohl die Taliban in Russland als extremistische Organisation eingestuft und damit verboten sind, berichtete der Sonderbeauftragte des Präsidenten für Afghanistan, Zamir Kabulow, Ende Dezember 2015 von der Existenz sogenannter Kommunikationskanäle.
Mehrfach kamen Vertreter der Taliban seitdem zu Gesprächen nach Moskau - zuletzt vor gut einem Monat. Gestern erklärte Kabulow, dass Russland dadurch die Situation vor Ort sehr gut einschätzen könne und deswegen keinen Grund zur Besorgnis habe.
"Wir haben nicht umsonst all die Jahre Kontakte zur Taliban-Bewegung geknüpft, viele Punkte diskutiert und gesehen, dass dies eine Kraft ist, die, selbst wenn sie nicht vollständig an die Macht kommt, in Zukunft definitiv eine führende Rolle in Afghanistan spielen wird", Kabulow.

Über den konkreten Umgang Russlands mit den neuen Machtverhältnissen vor Ort, wollte der Sonderbeauftragte jedoch noch nichts sagen: "Die Anerkennung oder Nichtanerkennung hängt vom Verhalten der neuen Kräfte ab. Wir werden uns genau ansehen, wie verantwortungsvoll sie das Land in naher Zukunft regieren werden - und dann eine Entscheidung treffen."
Die Taliban seien sogar, so Kabulow weiter, bessere Partner "als die Kabuler Marionettenregierung".

Link

@Fedaykin

Offensichtlich ist doch eine erhebliche Zustimmung zu den taliban in großen teilen der Bevölkerung verankert, sonst wäre der Gesamtverlauf nicht erklärbar. Für diejenigen, die des Mittelalters müde sind, tut es mir wirklich sehr leid.
Aber es scheint nun mal der Wille einer großen Gruppe zu sein. Letzten Endes muss sich jedes Land aus sich selbst heraus entwickeln.

Und wenn große Teile der Bevölkerung Afghanistans eben vor ca 1000 Jahren stehengeblieben sind, muss man das wohl schweren herzens hinnehmen.

sacredheart schrieb:Offensichtlich ist doch eine erhebliche Zustimmung zu den taliban in großen teilen der Bevölkerung verankert, sonst wäre der Gesamtverlauf nicht erklärbar. Für diejenigen, die des Mittelalters müde sind, tut es mir wirklich sehr leid.

Das sehe ich ähnlich. Mir tun wirklich die leid, die frei und offen leben wollen und dies nun von so einem Regime wieder versagt bekommen. Und diejenigen, die eben frei leben wollen, sollte man auch hier in Europa aufnehmen, für diese Menschen bleibt keine andere Möglichkeit.

@CosmicQueen

Dass die mal eben alle in Europa leben können, sehe ich nicht so. Gehen wir mal von 15 Millionen Menschen aus als Basis.
Die werden dann auf eine Koaltion der Willgen verteilt, sprich 100 Menschen Luxemburg, 14.999.900 Deutschland.

Ich sehe nicht im Ansatz, wie das gehen sollte.

Ich sehe auch nicht, wie wir überhaupt feststellen wollen, ob da gerade Menschen einreisen, die frei leben wollen oder ob da gerade im Einzelfall Leute ankommen, die die Freuden des 'ursprünglichen' Islam auch nach Deutschland bringen wollen.

sacredheart schrieb:Ich sehe auch nicht, wie wir überhaupt feststellen wollen, ob da gerade Menschen einreisen, die frei leben wollen oder ob da gerade im Einzelfall Leute ankommen, die die Freuden des 'ursprünglichen' Islam auch nach Deutschland bringen wollen.

Ja, das wird schwierig. Dazu müsste man die momentane Lebensführung genauer überprüfen können.

Larry08 schrieb:Oder greifen dann die Europäer ein?

Warum sollten die Europäer das tun, gibt es da auch nur einen einzigen vernünftigen Grund für?

@CosmicQueen

CosmicQueen schrieb:Ja, das wird schwierig. Dazu müsste man die momentane Lebensführung genauer überprüfen können.

Das wird wohl nicht möglich sein. Man kann ja schlecht die Taliban um Ausstellung eines qualifizierten Führunszeugnisses bitten. Und wenn das ganz schlecht ausfällt, sind es wohl nette Leute.

@sacredheart
@CosmicQueen

Ich weise nochmal auf folgendes hin. Die Frauenrechte ohne Taliban sind auch nicht so, wie wir Freiheit definieren. Der Normalzustand dort ohne Taliban ist:

Im Februar 2014 unterzeichnete das afghanische Parlament wieder ein Gesetz, das Männern, die Frauen misshandeln, faktisch Straffreiheit garantiert. Auch das Tragen der Burka, „Ehrenmorde“, erzwungene Hochzeiten oder der Verkauf von Frauen gelten danach als eher normal.[23]

Quelle: Wikipedia: Frauenrechte unter den Taliban#:~:text=Frauenrechte nach den Taliban,-Die Frauenrechte nach&text=Im Februar 2014 unterzeichnete das,gelten danach als eher normal.

Das würde auch nicht unproblematisch in vielen Fällen

abberline schrieb:Die Frauenrechte ohne Taliban sind auch nicht so, wie wir Freiheit definieren.

In allen anderen islamischen Ländern ist das nicht anders, nur regt sich da niemand drüber auf.

-VOLLSTRECKER- schrieb:In allen anderen islamischen Ländern ist das nicht anders, nur regt sich da niemand drüber auf.

Das ist faktisch nicht richtig.
Hier muss differenziert werden. Die Länder, die die Scharia anerkennen, sind GsD in der Minderzahl.
Und „aufregen“ tun sich in den einzelnen Ländern in der Tat welche.
Nicht alle über einen Kamm scheren.

@-VOLLSTRECKER-
Ich glaub, Afghanistan ist da schon bei den Härtefällen und jetzt bekommen sie obendrauf nochmals Steinzeit hoch zwei.
Ich frag mich halt nur, ob es hier keine Probleme geben wird, wenn Leute hierher kommen, für die oft gilt

abberline schrieb:Männern, die Frauen misshandeln, faktisch Straffreiheit garantiert. Auch das Tragen der Burka, „Ehrenmorde“, erzwungene Hochzeiten oder der Verkauf von Frauen gelten danach als eher normal.[23]

Flüchten tun die, weil es jetzt noch schlimmer wird, das Normalsystem schien für viele Leute wohl ok?

@Fedaykin
Richtig, das Land wurde von der "Armee" (eher Lachnummer) auf dem Silbertablett serviert, weil die beim ersten zauseligen Typen, der mit Waffe angerannt kam, gleich alle die Waffen gestreckt haben und abgehauen sind

Ja ..aber ausschliesslich den Afghanen die Schuld zuzuweisen ist halt auch irgendwie billig. Oder wie es Isabelle Jacobi formulierte:

Die USA waren 20 Jahre lang Hauptplayer in Afghanistan; davonmachen können sie sich, gänzlich aus der Verantwortung ziehen nicht.

Und ja klar Robinette war enttäuscht, aber war das nötig:

Kein Wort gegenüber den zehntausenden von Afghaninnen und Afghanen, die mit den US-Truppen, US-Medien und Nichtregierungsorganisationen zusammengearbeitet haben – fast eine Generation lang – und nun um ihr Leben fürchten müssen. Nicht einmal gute Wünsche.

Auch kein Dankeswort gegenüber den amerikanischen Soldaten und Soldatinnen, die im längsten Krieg der US-Geschichte gekämpft haben und gefallen sind. Sie und ihre Hinterbliebenen bekommen nun von ihrem Armeeoberhaupt zu hören, dass die Mission seit zehn Jahren sinnlos war – und damit Tschüss.

Quelle: https://www.srf.ch/news/international/machtuebernahme-der-taliban-die-gefuehlskaelte-von-joe-biden


Und was das Mittelater betrifft, so können wir uns doch wenigstens einig werden, dass es unter den Taliban nicht besser wird und vielleicht nur noch von der IS übertroffen werden kann.

-VOLLSTRECKER- schrieb:Oder greifen dann die Europäer ein?

Warum sollten die Europäer das tun, gibt es da auch nur einen einzigen vernünftigen Grund für?

Natürlich werden sie das nicht tun, auch nicht wenn die vom User Anti_Venom hypothetischen Massaker durch Taliban stattfinden würden.

Das die afghanische Armee kampflos aufgegeben hat, kann ich verstehen. Man hat sie auf westlichen Niveau ausgebildet, gegen Guerillakämpfer stehen die Chancen da eher schlecht, siehe Vietnam.
Kämpfen sollten sie für eine Art von westlicher Demokratie, das für sie so Abstrakt sein muss, wie die Vorstellung über die Reeperbahn.
Wenn der Großteil einer Bevölkerung selten Zugang zu Bildung hat, gelingt keine Missionierung.

TatzFatal schrieb:gegen Guerillakämpfer stehen die Chancen da eher schlecht, siehe Vietnam.

Vietnam und Afghanistan sind in keiner Weise vergleichbar. Nicht zuletzt da Vietnam großflächig mit Regenwald bedeckt ist/ war.

TatzFatal schrieb:Das die afghanische Armee kampflos aufgegeben hat, kann ich verstehen. Man hat sie auf westlichen Niveau ausgebildet, gegen Guerillakämpfer stehen die Chancen da eher schlecht, siehe Vietnam

Eigentlich ist das eher schlecht. In Vietnam wurde man Militärisch auch nicht geschlagen.

Selbst Tetoffensive war ein reinfalle was den vietcong quasi aufgerieben hat. Danach kam alles eher aus dem Norden.

Wenn die Taliban ne Stadt etc einnehmen wollen klapp das nicht aus dem Hinterhalt, da muss man antreten.

TatzFatal schrieb:Demokratie, das für sie so Abstrakt sein muss, wie die Vorstellung über die Reeperbahn.
Wenn der Großteil einer Bevölkerung

Das ist ein Problem. Demokratie ist am schwersten zu etablieren. Pragmatisch wäre es wohl einen starken Mann einzusetzen.

Alternativ wäre die Zersplitterung in afgahnistan angebracht. In viele kleine Nation, Gebiete die die stanmesloyalitaten oder dergleichen berücksichtigt hätten. Das wirft dann aber ökonomische Schwierigkeiten auf.

Für zahlreiche Ortskräfte kommt die Rettungsaktion der Deutschen wohl zu spät.
Die Taliban werden Einheimischen die Ausreise nicht erlauben.
Deutsche Staatsangehörige betrifft das nicht, sie werden ausreisen können, solange die Evakuierungsaktion läuft.

Nach dem holprigen Start der Evakuierungsmission der Bundeswehr sollen in den kommenden Tagen noch zahlreiche deutsche Staatsangehörige und afghanische Ortskräfte aus Afghanistan ausgeflogen werden. Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers der Bundeswehr-Universität München, Carlo Masala, könnte das jedoch schwierig werden. "Die Taliban haben angekündigt, dass Afghanen das Land nicht verlassen dürfen", sagte er bei tagesschau24. Das sei vor allem ein Problem mit Hinblick auf die Ortskräfte. "Ob wir die rausbekommen, dafür gibt es keine Garantie." Optimistischer zeigte sich Masala bei den verbliebenen Deutschen in Kabul. So lange die US-Amerikaner den Flughafen sichern würden, könnten Ausländer ausgeflogen werden, so der Politikwissenschaftler. Das hätten die Taliban zugestanden. "Die US-Amerikaner haben versprochen, dass sie noch zwei Wochen in Kabul bleiben werden", sagte Masala. So lange könne die Evakuierungsoperation damit wohl andauern.

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