Afghanistan, die Luft wird dicker
29.09.2015 um 21:28Es fehlt in Afghanistan ein starker Diktator wie Assad oder Gaddafi. Das ist das Problem.
In Kundus liefern sich die Taliban und die afghanische Armee den dritten Tag in Folge heftige Kämpfe. Am Flughafen der Stadt seien die Aufständischen mit 5000 Soldaten und der Unterstützung durch US-Kampfflugzeuge zurückgedrängt worden, teilten afghanische Sicherheitskreise mit.http://www.srf.ch/news/international/kampf-um-kundus-geht-weiter
«Die Taliban haben die ganze Nacht angegriffen», sagte Provinzratsmitglied Sajed Asadullah Sadat. Seinen Angaben zufolge macht die Gegenoffensive der Regierung zur Rückeroberung von Kundus aber keine Fortschritte. «Die Taliban halten weiter ihre Stellungen.»
Hunderte afghanische Sicherheitskräfte aus Kabul und Tachar, die zur Verstärkung kommen sollten, stecken in der Nachbarprovinz Baghlan fest, weil Taliban-Kämpfer Strassen mit Steinen und Sandsäcken blockiert hatten.
«Ich habe ernste Zweifel an der Fähigkeit der Regierung, Kundus zurückzuerobern, wenn sie nicht einmal erfolgreich Verstärkung schicken kann», stellte Provinratsmitglied Sadat in Aussicht.
Während die Verstärkung auf dem Landweg nicht nach Kundus kam, trafen auf dem Luftweg nach Angaben aus Sicherheitskreisen mehrere Hundert Mann zur Verstärkung der Sicherheitskräfte ein. In Kundus sind mittlerweile auch Nato-Soldaten im Einsatz. Die Spezialkräfte berieten ihre afghanischen Kollegen, sagte ein Nato-Sprecher am Mittwoch.
Nach Angaben aus westlichen Militärkreisen handelt es sich um Soldaten aus Deutschland, Grossbritannien und den USA. Wie viele Soldaten nach Kundus geschickt wurden, war nicht bekannt.
Doch die Taliban sind so stark, weil die Regierung zerstritten ist, ihre Vertreter notorisch korrupt und die Sicherheitstruppen schwach sind. Trotz jahrelangem Training durch die Nato flohen die afghanischen Polizisten und Soldaten am Montag Hals über Kopf aus der Stadt Kundus und verschanzten sich auf dem Flughafengelände. Dort warteten sie auf Hilfe auch von den noch im Land stationierten Nato-Truppen.http://www.srf.ch/news/international/hoeren-sie-die-gewehrsalven
Ende 2016 wollte die Nato ihre Truppen eigentlich ganz aus dem Land abziehen. Doch das werden sie nun überdenken müssen. Dass die Taliban in den letzten Tagen nicht auch noch den Flughafen von Kundus eingenommen haben, ist vor allem amerikanischen Luftangriffen zu verdanken.
Auch in der vergangenen Nacht überflogen US-Kampfjets die Stadt. Für Rahimullah und seine Familie bedeutet das Hoffnung und Schrecken zugleich: «Ich fürchte mich jetzt am meisten vor den Kampfjets. Vielleicht werden sie unsere Häuser bombardieren, um die Taliban, die sich darin verstecken, zu töten. Wir können jetzt nur abwarten und hoffen.»
«Als die Taliban die Kontrolle über Kundus erlangten, haben sie verkündet, sie würden Recht und Ordnung und die Scharia in der Stadt einführen», sagte eine Bürgerrechtlerin. «Alles was sie taten, hat dagegen verstossen. Ich weiss nicht, wer uns aus dieser Situation befreien kann.»http://www.srf.ch/news/international/drei-tage-schreckensherrschaft-in-kundus
Die Taliban haben bei ihrem Eroberungszug im afghanischen Kundus nach Angaben von Amnesty International schwerste Verbrechen begangen. Mit Morden an Zivilisten, Gruppenvergewaltigungen, Entführungen und dem Einsatz von Todesschwadronen hätten die Taliban in kürzester Zeit eine «Schreckensherrschaft» in der Stadt errichtet, hiess es in einer Erklärung der Menschenrechtsorganisation.
Drei Klinikmitarbeiter der Nichtregierungsorganisation Ärzte ohne Grenzen wurden bei Bombenangriffen in der nordafghanischen Stadt Kundus getötet. Mehr als dreissig Menschen würden vermisst, teilte die Organisation weiter mit.
Das Krankenhaus wurde bei den Explosionen in der Nacht auf Samstag nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen sehr stark beschädigt. Der Leiter der Organisation vor Ort, Bart Janssens, erklärte, es lägen noch keine abschliessenden Angaben über die Zahl der Opfer vor.
Noch ist unklar, wer für die Bombenangriffe verantwortlich ist. Ein Sprecher der Nato-Mission in Afghanistan erklärte: «Die US-Streitkräfte haben am 3. Oktober um 2.15 Uhr Ortszeit einen Luftangriff nahe der Einrichtung durchgeführt, wo einzelne Personen die Truppen bedrohten.» Dabei sei womöglich eine nahe gelegene Klinik beschädigt worden. Der Vorfall werde nun untersucht.
Fedaykin schrieb:Na was ungenau ist kannst du dir bei Assad anschauen.Mit Fassbomben kannst du ganz schlecht zielen, sind eben Flächenbomben ...
Ich weiß nur eins, in Afghanistan kamen in den letzten Monaten mehr Zivilisten ums Leben als in den vergangenen 14 Jahren. In Afghanistan kamen doppelt so viel Polizisten in den letzten Monaten seit Jahresbeginn ums Leben als alle 14 Jahre vorher. Das heißt, die Sicherheitslage in Afghanistan im Jahr 2015 ist schlimmer als in all den Jahren, in denen die NATO – also ISAF, die Bundeswehr ist auch dabei – dort tätig war und für Sicherheit sorgen sollte. Und ausgerechnet jetzt entscheidet man in Deutschland de facto zumindest, das Land scheint doch nicht so unsicher zu sein, also, man kann die Leute wieder zurückschicken, die bis vor wenigen Tagen noch oder bis heute eigentlich noch Abschiebestopp aus den gleichen Gründen unterlagen.http://www.deutschlandradiokultur.de/fluechtlingskrise-warum-ausgerechnet-die-afghanen-nach.1008.de.html?dram:article_id=335126
Die islamistischen Taliban stehen offenbar kurz davor, die Macht in der südafghanischen Provinz Helmand zu übernehmen. Davor hat Vize-Gouverneur Mohammed Jan Rasuljar gewarnt.http://www.srf.ch/news/ticker (Archiv-Version vom 05.02.2016)
Allein am Freitag und Samstag seien 90 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte getötet worden. Die Armee erhalte nicht genügend Lebensmittel und Waffen. Verwundete Soldaten würden nicht in Sicherheit gebracht.
Rasuljar forderte den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani auf Facebook auf, umgehend einzugreifen. Andernfalls werde der Staat die Kontrolle über das Gebiet verlieren.
Wer in Afghanistan Frieden will, muss mit den radikalislamischen Taliban an einen Tisch sitzen. Das glauben inzwischen auch die USA, China, Pakistan und die afghanische Regierung. Sie bilden die Friedensallianz für Afghanistan. Derzeit trifft sich das Gremium in Kabul. Es wird vermutet, dass es bald ein Datum für neue Friedensgespräche mit den Taliban bekannt gibt.http://www.srf.ch/news/international/schlechte-aussichten-fuer-friedensgespraeche-in-afghanistan
Derweil sind die Gotteskrieger in Afghanistan weiter auf dem Vormarsch. Es scheint sogar, als ob die afghanische Regierung in der Defensive ist, seit ein Grossteil der westlichen Truppen das Land verlassen hat.
Entsprechend dürfte die Bereitschaft für Gespräche bei den Taliban eher klein sein, wie auch Afghanistan-Kenner Thomas Ruttig im Gespräch vermutet. Zumal in Kürze ihre alljährliche Frühjahrs-Offensive beginnen dürfte, die angesichts der derzeitigen Kräfteverhältnisse die Taliban noch näher an ihr Ziel bringen könnte: Eine Machtübernahme in Kabul.