Ruf nach Rauchverbot in deutschen Gaststätten wird laut
01.03.2007 um 04:00
Warum die Anti-Raucher-Kampagne Heuchelei ist
Die Kampagne gegen Zigarettenqualmträgt hysterische Züge. Dahinter steckt Lustfeindlichkeit. Und die Suche nach klarenFeindbildern in einer unübersichtlichen Welt. Unser Autor zeigt, wie heuchlerisch undundemokratisch die Anti-Raucher-Kampagne ist.
Von Imre von der Heydt
DasRauchverbot kommt - die Menschheit ist gerettet. Der gesundheitsbewusste Zeitgeist hatgewonnen. Hurra! Jetzt kann man vielleicht noch ein Mal zurückblicken, ein letztes Maldas Wort ergreifen und - ohne jegliche Nähe zur Tabaklobby - die ganze Kampagne als dasbezeichnen, was sie in Wahrheit ist: Gesundheitshysterie, heuchlerisch, undemokratisch,hypochondrisch und paranoid.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Niemand behauptet,dass Rauchen gesund sei. Gleichwohl gibt es eine ganze Reihe von Hinweisen, die nahelegen, dass die vermeintlichen Risiken abhängig sind von der täglichen Menge gerauchterZigaretten, von der individuellen gesundheitlichen Verfassung sowie einer Vielzahl vonAspekten der persönlichen Lebensführung.
Ähnliches gilt für die angeblich akutenGefahren des Passivrauchens, die zum Gegenstand einer systematischen Panikmache gewordensind. Jedermann, der sich nur für zwei Minuten mit den behaupteten 3300 jährlichen Totendurch Passivrauch beschäftigt, wird feststellen, dass diese Zahl jeder seriösen, auchwissenschaftlichen Grundlage entbehrt. Es gibt schlichtweg keinen Grund, bei mäßigemKontakt mit Passivrauch in Zweifel zu verfallen. Andernfalls dürfte man in unserenGroßstädten auch nicht mehr vor die Tür gehen.
Ein berechtigter Einwand gegen dasöffentliche Rauchen ist die damit verbundene Belästigung. Deshalb auch sind die diversenVerbote und Einschränkungen in öffentlichen Gebäuden durchaus sinnvolle Maßnahmen. Dasangestrebte Totalverbot in Kneipen, Bars und Restaurants hingegen trägt hysterische Zügeund ist das Ergebnis systematischer gesundheitspolitischer Demagogie.
DieAufgeregtheit, mit der hier zu Werke gegangen wird, legt den Gedanken nahe, dass es garnicht nur ums Rauchen geht. Ein möglicher Erklärungsansatz mag im Dilemma des modernenMenschen zu suchen sein, der in einer zunehmend unübersichtlichen und von ökologischenKatastrophenmeldungen erfüllten Welt ausgerechnet die Gesundheit zu seiner neuenErsatzreligion erwählt hat. Schmelzende Pole, kippende Meere, verseuchte Böden,Feinstaubbelastung, Lebensmittelskandale sowie überall lauernde Mikrogifte nagen amNervenkostüm der Gesundheitswilligen und befördern ein Gefühl der Angst und Hilflosigkeit- und wohl auch: des schlechten Gewissens.
So gesehen, kann man denAnti-Raucher-Feldzug auch als eine groß angelegte Ersatzhandlung und Ablenkungskampagne(und letztlich auch Beschäftigungstherapie) betrachten. Die weltweite ökologischeZerstörung des Planeten wird nur widerwillig registriert, während der Gesundheitsapologetvereinzelte private Genussneigungen zu gewaltigen Gefahrenherden aufbauscht.
Esist an der Zeit, sich mit den Kehrseiten der modernen Gesundheitsbesessenheitauseinanderzusetzen. Denn wohl niemals zuvor hat die Gesundheit im Bewusstsein derMenschen eine so dominante Rolle gespielt, wurde soviel Aufwand betrieben, wurde sovielüber Gesundheit nachgedacht, gejammert und geredet. Die Folge ist das Leben als ständigerGefahrenherd für Erkrankungen, als ständige Vorbeugemaßnahme gegen mögliche Erkrankungen,und schließlich auch als ständige Angst vor möglichen Erkrankungen. Die Gefahrenpsychosewird zum Dauerbegleiter: Überall lauern Gefahren, überall werden Feinde vermutet, esentsteht ein paranoides Sicherheits- und Kontrollbedürfnis. Zuletzt wird das Leben ansich kontinuierlich seiner Fehlerhaftigkeit und Bösartigkeit überführt. Der Kampf gegendas Rauchen bietet sich an zum großen Stellvertreterkrieg.
Aber warum rauchen dieMenschen überhaupt? Es gibt eine moderne Neigung, das Rauchen mit einem Mangel an Bildungund mit "asozialen" Verhältnissen in Verbindung zu bringen. Viele Beispiele aus derGeschichte bezeugen das Gegenteil: Überall, wo geistiger Aufbruch herrschte, wurde derTabakkonsum geschätzt und gepflegt: in den Herrenclubs der europäischen Geistes-Eliten,in der Künstlerboheme der Jahrhundertwende; selbst die Emanzipation der Frau fand ihrensymbolischen Ausdruck in einer drastisch ansteigenden Zahl von Raucherinnen.
Inder Dichtung, in der Literatur, im Film und sogar in der Philosophie gibt es vielfacheHinweise auf eine kulturpolitische und kulturphilosophische Dimension des Rauchens, seineWürde, seine Lustbereitung, sogar seine erkenntnistheoretischen Aspekte (bei Sartre).Rauchen, gerade nicht als Zwang verstanden, sondern als Befreiung vonZwängen.
Wahrscheinlich auch deshalb waren die Raucher schon immer massivenVerboten und zum Teil hasserfüllten Diffamierungskampagnen ausgesetzt. Seit dem Ende des15. Jahrhunderts, als der Tabak von Amerika nach Europa kam, wird das Rauchen bekämpftund verteufelt. Schon Rodrigo de la Jerez, ein Begleiter Columbus' und wahrscheinlich dererste offizielle europäische Raucher, wurde, als er aus Mund und Nase qualmend ausAmerika heimkehrte, von der Inquisition umgehend in den Kerker geworfen.
James I.,König von England und Schottland, listete 1603/4 in seiner persönlich verfasstenStreitschrift "A Counterblaste to Tobacco" bereits alle bis heute geltenden Argumentegegen das Rauchen auf und nannte es zugleich "die größte aller Sünden" ("the greatestsinne of all"). Auch die seiner Meinung nach offenkundige Schädlichkeit desPassivrauchens wurde von ihm bereits ins Feld geführt.
Die moderneAnti-Raucher-Kampagne vertritt also einen Standpunkt, der bereits über 450 Jahre alt ist.Nur mit anderen Mitteln: An die Stelle der politischen Autorität des Königs und dermoralischen Instanz der Kirche ist die juristische Streitkraft von selbsternanntenGesundheitsaposteln und die unerschütterliche Autorität der modernen medizinischenForschung getreten.
Rauchen als "Verschwendung", "Sünde" und "gottloses Laster":Vieles deutet daraufhin, dass die tief in unserer christlichen Glaubenstraditionverankerte, asketische Grundhaltung zum Leben eine der entscheidenden Antriebsfedern auchder modernen Anti-Raucher-Bewegung ist. Sie erklärt den missionarischen Eifer, mit demdas Rauchen auch heute noch verfolgt wird und sie macht plausibel, warum der Hauptanstoßder modernen Verbotswelle aus dem puritanisch geprägten Amerika kommt.
VonNietzsche stammt der Schlüsselbegriff des "asketischen Priesters", der als Archetypuseines zutiefst misanthropischen, lustfeindlichen, paranoiden und missionarischveranlagten Menschen den moralisch-psychologischen Kern der Bewegung erklärt: "DieserHass gegen das Menschliche, mehr noch gegen das Thierische, mehr noch gegen dasStoffliche, dieser Abscheu vor den Sinnen, vor der Vernunft selbst, diese Furcht vor demGlück und der Schönheit, dieses Verlangen hinweg aus allem Schein, Wechsel, Werden, Tod,Wunsch, Verlangen selbst - das alles bedeutet (¿) einen Widerwillen gegen das Leben, eineAuflehnung gegen die grundsätzlichsten Voraussetzungen des Lebens."
Wobei auch dieAmerikaner und Puritaner anerkennen müssen: Egal, ob wir essen oder trinken, arbeitenoder Sport treiben, Stress haben oder Feste feiern - das Leben ist nun einmalunweigerlich ein Vorgang, der zu Abnutzung und Verschleiß führt, unabhängig davon, ob wires streng asketisch führen oder in vollen Zügen genießen.
Der fröhliche Autofahrervor mir bläst mir auf dem Fahrrad seine Abgase ins Gesicht. Für den Strom, der meineWohnung erleuchtet, glüht im Zweifel irgenmorgenpost.deo ein Atomkraftwerk. So bezahlenwir alle die Annehmlichkeiten der modernen Zivilisation mit höchst riskantenNebenwirkungen. Da wird man ja wohl hin und wieder - und natürlich rücksichtsvoll! - einerauchen dürfen.
aus der Berliner Morgenpost
Sorry , etwas lang , aber mirsprach der Artikel aus der Seele...