shionoro
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Wie kann Europa auf die globalen Flüchtlingsströme reagieren?
20.09.2021 um 03:45paxito schrieb:Worum dann? Eine "Stabilität" kannst du auch mit Militärdiktaturen und Islamistischen Regimen schaffen, aber das wäre zynisch.Die Logik dahinter ist, dass ich letztendlich solcherlei Regime nicht abschaffen kann, wenn ich nicht für mehr Stabilität sorge.
Ja, wir könnten z.b. in Burma die Militärjunta ausradieren und wieder irgendwen anders einsetzen, und vielleicht könnten wir sogar mit waffengewalt verhindern, dass weitere Massaker an den Rohynga passieren. Aber wir werden so die Situation nicht stabilisieren können, sondern destabilisieren (mal als Beispiel).
Es macht mehr sinn, zu schauen, was mit unseren werten vereinbar ist und dem land dienlich ist, aber zugleich eine Unterstützung von dem lokalen Machthabe erfährt (möglicherweise als Deal, wenn er das nicht will, aber etwas anderes will).
Es ist nicht zynisch, auch in Regionen, die sehr weit von unseren Werten weg sind Kompromisse zur Verbesserung der Situation zu suchen.
Wenn ich erreichen kann, dass die Taliban teilweise Bildung von Frauen zulassen, ist das letztendlich besser, als die taliban umzubringen und in einem vollkommen instabilen Land in einigen Bubbles ein paar Mädchenschulen aufzubauen, die dann aber mehr Rechte haben.
Aber das Grundproblem sind wie gesagt NICHT die werte. Da, wo besonders hilfsbedarf ist, geht es um wirtschaft, existenz und lebensgrundlagen. Ich muss mich in Äthiopien nicht über Frauenrechte streiten, wenn ich langfristig den Hunger dort bekämpfen will. Das schließt nicht aus, dass ich nicht anderweitig dort auch Konsense Suche, um Frauenrechte zu erwirken. Dazu ist es aber ohnehin gut, wenn ich bereits dort eine Vertrauensbasis habe und nicht nur alle zehn jahre mal vorbeischaue, um zu sagen, dass bitteschön Frauenrechte umgesetzt werden sollen.
paxito schrieb:Es sind Unsummen an Entwicklungshilfe allein nach Afrika geflossen und auch "good governance" Ansätze wurden da verfolgt. Es gibt Erfolge, durchaus, aber die sind sehr überschaubar und setzen ein Mindestmaß an politischer Stabilität voraus.Es geht nicht nur um die Summen (und auch da geht deutlich mehr als weltweit 150 milliarden im Jahr an Entwicklungshilfe). Es geht um das 'wie'. Es geht hier ja vorrangig um die Frage, wie man als internationale Gemeinschaft helfen kann, Stabilität auf der Welt zu erreichen.
Ein rein ziviler Ansatz in einem Land wie Libyen? Was sollte der bringen, mitten in Bürgerkriegswirren? Noch absurder sieht es im nahen Osten aus, dort geht es nicht mal im Kern um Armut sondern um eine explosive politische Mischung, der Iran-Saudi Arabien Konflikt, die destabilisierten Länder Syrien und Irak, das Israel - Palästina Problem, nichts davon lässt sich mit zivilen Mitteln von Außen lösen. Oder mir fehlt die Phantasie dafür.
Da sollte es nicht nur um die Frage gehen: "Wie kann ein Staat denn selbst beispielsweise gegen Geldverschwendung vorgehen?" sondern eben auch um die Frage "welche anderen Staaten könnten hier wie unterstützend tätig werden" und natürlich darum, welche dieser anderen Staaten dazu bereit sind und wie man da einen Kompromiss finden kann.
Am Beispiel Nordafrika z.B. wissen wir, dass Arbeitslosigkeit ein starker Treiber für die Bürgerkriege war (also Jugendarbeitslosigkeit). Hier wäre z.B. eine Frage gewesen, ob Europa nicht mit allerlei Arbeitsvisa, Investitionen und ggf. durch erzwungene Lohnsteigerungen lokaler westlicher Firmen dem hätte entgegenwirken können und so der Region langfristig auch wirtschaftlich helfen könnte (und nebenbei sogar selbst davon profitieren könnte).
Das muss natürlich diealer weise passieren, bevor der Bürgerkrieg ausbricht.
paxito schrieb:Konflikt und Friedensforschung gibt es jetzt schon ein bisschen länger, aber manches kannst du eben nicht von Außen in ein Land hinein tragen. Das funktioniert nicht, weder mit viel Geld noch mit vielen Waffen.Und wo gibt es da wirklich institutionen, die das bündeln und sowohl mit budget als auch authorität ausgestattet sind, um z.B. Internationale Verträge vorzuschlagen und zu kommunizieren? Sowas gibt es nicht.
paxito schrieb:Du machst es dir sehr einfach, wenn du glaubst man bräuchte "nur" die richtigen Experten, die richtigen Pläne, die richtige Strategie. Ist ja alles nicht völlig falsch, aber ist dir mal in den Sinn gekommen, dass du gerade bei den wirklich großen Krisenherden selbst mit der besten Strategie nichts ausrichten kannst? Das manche Entwicklung aus einem Land selbst, aus der Bevölkerung selbst kommen muss und nicht von Außen geschaffen werden kann? Diese Mutmaßung (und Haltung meinerseits) lässt sich zumindest recht gut historisch belegen. Während die Idee des politischen Interventionismus relativ bescheidene Erfolge erzielt hat.Was heißt denn eigentlich "aus der bevölkerung selbst"? Will die lybische Bevölkerung Krieg? Die syrische? Will man in Somalia Arm sein und im Yemen verhungern?
Wir leben in einer Zeit, in der alle Länder miteinander vernetzt sind. Die Probleme in einem Land sind häufig nicht aus dem Land selbst heraus lösbar. Yemen kann seine Probleme nicht lösen, wenn der Iranisch/Saudische Machtkampf weiter geht.
Und nach wie vor: Wenn man in einem Land, von Experten verbrieft, nichts oder nur wenig ausrichten kann, dann kann man ja zum nächst stabileren Land gehen. Was ist das Problem daran? Wenn du glaubst, in Somalia nichts machen zu können, alles klar, dann lass uns in den Libanon gehen und da ernsthafte Stabilitätshilfe leisten.