Also ich bleibe dabei und sage, ich bin enttäuscht von ARD und ZDF, es ist inzwischen Juli und ich habe immer noch keine brauchbare Sendung oder Doku über die deutsche Energiepolitik gesehen. Es wird aber fast jeden Abend gequasselt, vielleicht habe ich ja was verpasst
:ask: Dabei gab es ja durchaus gute Artikel in Tageszeitungen und Wirtschaftsmagazinen.
Weil ich heute etwas Zeit hatte und dann doch etwas neugierig war, hatte ich mir den Auftritt von Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel bei Lanz angeschaut, Lanz sagt da ja auch am Anfang, heute ein bischen Vergangenheitsbewältigung. Link zur Sendung:
Markus Lanz vom 7. Juli 2022
Zu Gast: Politiker Sigmar Gabriel, Journalist Roman Pletter, Politologin Sabine Fischer und Journalist Vassili Golod
Quelle:
https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-7-juli-2022-100.html (Archiv-Version vom 13.07.2022)Ich verlor aber die Geduld. Das fing schon damit an, dass die Recherche der Redaktion sich offensichtlich darauf beschränkte, Lanz ihn (also Gabriel) mit den Aussagen von Christoph Heusgen schon vom April konfrontieren zu lassen, sie sind hier ganz gut kontextualisiert von Thomas Jäger:
In der „New York Times“ erklärte Merkels außenpolitischer Berater Christoph Heusgen, dass Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier die größten Unterstützer für die Lobbyarbeit von Gerhard Schröder gewesen seien. Die Hälfte der 62 Treffen, die zwischen Januar 2015 und Oktober 2017 wegen Nord Stream 2 abgehalten wurden, entfielen auf die beiden Minister direkt oder auf ihre Mitarbeiter. Alleine 16 Treffen sind zwischen Februar 2015 und Januar 2017 für Sigmar Gabriel, damals Bundesminister für Wirtschaft, dokumentiert.
Quelle:
https://www.focus.de/politik/deutschland/gastbeitrag-von-thomas-jaeger-gabriels-seltsames-russland-bild-und-warum-er-der-new-york-times-droht_id_89441599.htmlWoraufhin Gabriel sagte, dazu könne er nichts sagen, er kenne die Aussagen nicht, da müsste er (Lanz) schon den Mann dann auch einladen. In der Folge kam die Kritik von Roman Pletter (ZEIT), ja, aber de facto spielte sich das dann so ab, dasss er eher der Stichwortgeber war, für Gabriels für Verteidigungen usw. Eigentlich redete fast nur Gabriel, insofern schade, als mit Sabine Fischer eine Frau mit wirklich Ahnung da war, die aber dann kaum Redezeit bekam. Andere Journalisten hätten Gabriel sicher schärfer angepackt, aber das wird ja auch im Vorfeld abgesprochen und wer weiß, vielleicht wäre Gabriel sonst gar nicht gekommen.
Wie gesagt, ich verlor dann die Geduld. Irgendwie lief alles darauf hinaus, also was Fehler anbelangt, die wurden alle schon vor seiner Amtszeit gemacht und eigentlich habe er, Gabriel, auch nie für ein Ende der Sanktionen gegen Russland lobbyiert. Das ist so die in etwa Kurzform, wer will, kann sich alles im ZDF-Link (siehe oben) anschauen.
Also nur kurz dazu, zu den 2 Punkten.
Also ich weiß ja nicht, so Gabriel 2015, hm:
Gabriel wirbt für Aufhebung der Sanktionen gegen Russland
"Jeder wird so klug sein zu wissen, dass man nicht auf der einen Seite Sanktionen dauerhaft aufrechterhalten und auf der anderen Seite darum bitten kann, zusammenzuarbeiten", sagte Gabriel. Ein "anderes und besseres Verhältnis" fange bei einer zweiten Gaspipeline an und ende bei der Aufhebung der Sanktionen gegen Russland. Die EU knüpft ein Ende der Strafmaßnahmen an eine vollständige Umsetzung des Minsker Friedensabkommens, das unter anderem eine Waffenruhe in der Ostukraine vorsieht.
Quelle:
https://www.sueddeutsche.de/politik/moskaus-rolle-im-syrien-krieg-gabriel-wirbt-fuer-aufhebung-der-sanktionen-gegen-russland-1.2666045Und zur Frage Gasspeicher und Gazproms Zugriff auf den deutschen Gasmarkt, siehe auch, von Frederik Richter und David Schraven
https://correctiv.org/aktuelles/russland-ukraine-2/2022/06/30/bundesregierung-stuetzte-abgabe-von-gasspeichern-an-gazprom-mit-milliardenbuergschaft/Daraus, das war die Strategie:
Kurz darauf steigt Gazprom unter Vermittlung auch durch Gerhard Schröder als Hauptsponsor bei dem Bundesligisten Schalke 04 ein. Der Konzern und sein Logo wird so erstmals einem Millionenpublikum in Deutschland geläufig. Ein ehemaliger leitender Angestellter der Gazprom Germania erklärt im Herbst 2007 in einem Gespräch die Gazprom-Strategie. Der ehemalige leitende Angestellte der Gazprom Germania sagte, er könne seinen Namen nicht nennen, da er Angst um seine Sicherheit habe.
Gazprom versuche entlang der Pipelines immer weiter ins deutsche Geschäft hineinzuwachsen: von den Gasquellen in Russland, über die Pipelines und Speicher bis zum Verkauf des Gases an die Endkunden. Die Menschen sollten sich an Gazprom gewöhnen, damit eine Art vertikales Kartell geschaffen werden könne. Der leitende Angestellte sagte, diese Bemühungen seien nicht nur auf die Firma Gazprom Germania bezogen, sondern würden auch andere Beteiligungen der Gazprom in deutschen Gasfirmen einbeziehen.
Noch ein bischen zu Oblast MV:
Besonders Mecklenburg-Vorpommern, an dessen Küste die Nord Stream-Pipeline Deutschland erreicht, wurde in den letzten Jahren zu einem regelrechten Vorposten Russlands in Deutschland. Am Ende konstruierte die Landesregierung unter SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig mithilfe des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder sogar eine Stiftung, um die Sanktionen der USA umgehen zu können. Wie der Tagesspiegel berichtete, informierte Schwesig den heutigen Bundeskanzler und damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und später auch die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel über den schmutzigen Deal, der das Milliardengeschäft mit Gazprom trotz des Widerstands aus den USA möglich machen sollte.
Der russische Einfluss in Mecklenburg-Vorpommern breitete sich auf verschiedenen Wegen aus – von den Direktinvestitionen russischer Oligarchen in örtliche Betriebe über PR-Aktionen wie den Russlandtag in Rostock bis hin zu Konzertkarten, die die Gazprom-Tochter Nord Stream 2 an Mitarbeiter der Staatskanzlei verschenkte. Die Geschenke, zum Beispiel für ein Philharmonie-Konzert, gehen aus einer Unterlage hervor, die CORRECTIV mithilfe des Informationsfreiheitsgesetzes erhielt.
Und zum sogenannten Asset-Tausch, den "Tausch" der Beteiligungen:
Das Geschäft wurde im September 2015 vollzogen. Die Gasspeicher Deutschlands gingen in den Besitz der Gazprom über. Und damit die volle Kontrolle über die strategischen Gasreserven des Landes.
Deutschland war nun in großen Teilen abhängig.
Für die Absicherung der Investitionen von Wintershall in dem neuen Gasfeld in Sibirien stellte Gabriel zusätzlich 1,8 Milliarden Euro bereit. „Nach erster Prüfung stehen die Sanktionen der EU gegen Russland dem Projekt nicht entgegen“, heißt es in einer Vorlage an den Minister ...
Die Bedenkenlosigkeit, mit der das Geschäft durchgewunken wurde, verwundert. Erst am 15. Juni 2015 hatten Gutachter im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums die Versorgungssicherheit Deutschlands untersucht. Sie prüften, welche Rolle die Gasspeicher für die Versorgungssicherheit bei einem politischen Konflikt mit Russland spielen würden. Ihr Ergebnis: Wenn die Gasspeicher nicht rechtzeitig befüllt werden können, käme es schon bei einem normalen – also milden Winter – ab Februar zu wochenlangen Versorgungslücken in Deutschland.
Klar ausgedrückt: In dem Gutachten steht, dass die Übergabe der Kontrolle dieser für die Versorgung Deutschlands wichtigen Einrichtungen an Gazprom der russischen Regierung Tür und Tor öffnet, das Land lahm zu legen. Ganz wie sie wünschen. Der derzeitige Lieferstopp ist ein eindrücklicher Beleg dafür.
Die grüne Bundestagsfraktion fragte damals nach. Ob durch das Geschäft zwischen BASF und Gazprom Sanktionen umgangen würden oder die Abhängigkeit von Russland vergrößert würde? Die Anfrage hatten unter anderem Annalena Baerbock, heute Außenministerin, und Oliver Krischer, heute Umweltminister in NRW, unterschrieben. Sie bekamen von Gabriels Ministerium zur Antwort: „Die Versorgungssicherheit und die Diversifizierung der Bezugsquellen von Erdgas werden durch den mit dem Asset-Tausch bewirkten Eigentumswechsel nicht beeinträchtigt.“
Damit war die Diskussion weitgehend beendet.
Zugleich lag die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas inzwischen bei über 50 Prozent der Gasimporte. Ohne russisches Gas ging nichts mehr.
Quelle:
https://correctiv.org/aktuelles/russland-ukraine-2/2022/06/30/bundesregierung-stuetzte-abgabe-von-gasspeichern-an-gazprom-mit-milliardenbuergschaft/Tja.
Die Lanz-Sendung war letztlich wohl schön choreographiert, aber mit wenig Erkenntniswert.