Fachkräftemangel in Deutschland?
12.07.2022 um 18:02Aberacadabera schrieb:Im Grunde gebe ich dir Recht, allerdings erlebe ich die Realität anders. Gerade im Handwerk bei Gewerken, die nicht extrem sicherheitsrelevant sind, werden zunehmend aus Gründen des Fachkräftemangels ungelernte eingestellt und eingearbeitet.Damit widersprichst du mir ja nicht.
anonymus88 schrieb:Ich beobachte einen massiven Zuwachs an Quereinsteigern in Handwerkstätigkeiten. Bei Berufen wie dem Elektriker ist das schon allein versicherungstechnisch nicht möglich, aber die Hürden fallen zunehmend.In den nicht sicherheitsrelevanten Berufen stand sogar schon zur Debatte die Meisterpflicht zu kippen.
Aberacadabera schrieb:Auf dem Bau auch gerne althelfer oder Junghelfer scherzhaft genannt. Nach wenigen Jahren ist der verdienst vergleichbar zu einer gelernten Kraft und das Aufgabengebiet in der Regel auch. Und ganz ehrlich, welcher Kunde fragt denn nach, ob der Handwerker gelernte Kraft ist, diesen oder jenen Nachweis hat? Laut Rechnung und eigener aussage hat sowieso immer nur der Meister persönlich gearbeitet.Das bekomme ich auch mit. Selbst mein Lehrbetrieb hat mittlerweile einen Helfer eingestellt. Das war früher undenkbar. Aber dass die in einer Tischlerei die Chance haben eine Gleichstellung zu erfahren, das glaube ich weniger. Du kannst durch lange Berufserfahrung vieles kompensieren ... aber nicht alles. Es gibt enorm viele theoretische Aspekte, die du in der Praxis nicht vermitteln kannst. Das wissen auch die Chefs, weil sie selbst Meister sind.
Die Sparten, in denen eine Gleichstellung wie du sie beschreibst aber wirklich möglich ... sogar gut möglich ist, sind die reinen Montageberufe. Da kannst du selbst ohne Ausbildung auf das selbe Niveau wie gelernte Fachkräfte kommen, sofern die Leistung passt. Küchen-,Fenster-, Garagentormontagen ... im Hoch- und Tiefbau, sowie Straßenbau kann ich es mir auch vorstellen. Wenn du einen Betrieb gründen willst, der nur vorgefertigte Bauteile einbaut, da fallen Einbauküchen, Türen, Fenster usw. drunter, dann benötigst du weder Meister noch Ausbildung. Führt aber nicht immer zu einer hohen Qualität.
In Baden-Württemberg gibt es schon noch Kunden, die nachfragen, was man gelernt hat. Aber das ist nicht mehr die Regel.
Aberacadabera schrieb:Ich habe darüber schon unzählige Diskussionen geführt, dass ich es irgendwie merkwürdig finde, dass es für den Kunden keine überprufbarkeit der Qualifikation gibt ( und nein, kein Handwerker führt da etwas mit sich und in der Regel verlässt man sich auf die Aussage). Ich finde es ebenso merkwürdig, dass ein Helfer nach wenigen Jahren denselben verdienst hat wie eine Fachkraft.Dazu wollte ich grad auch wieder einen Roman schreiben, ich fass mich lieber kurz. Du hast recht und besonders bei Wasser-, Gas- und Stromangelegenheiten fände ich es auch wirklich wichtig, den Nachweis zu sehen. Das mit einer Lohnangleichung Ungelernter, kenne ich wie gesagt nur aus den Montagebereichen und finde es prinzipiell auch nicht gut. Kompetenz ist auch da das A und O. Ein richtiger Handwerksmeister wird sein Gewerk nicht so degradieren, indem er einem Helfer den selben Lohn wie seinen Gesellen gibt. Im Hoch-, Tief- und Straßenbau kann es anders aussehen, da hab ich keinen Einblick. Aber natürlich fördert das die Einstellung, dass man auf die Lehre pfeifen kann und direkt los legt. Das Dumme ist, dass die betroffenen Tätigkeiten meist auch besser vergütet werden als das klassische Handwerk.
Aberacadabera schrieb:Heutzutage hat man zunehmend das Gefühl, dass jeder einzelne Azubi nur noch last und Kostenfaktor ist. Wo ist denn die Bereitschaft geblieben gross und breit auszubilden? Wie kann es denn sein, dass man lieber einen ungelernten Helfer einstellt, als sich mit Azubis abzugeben?Wie gesagt, in meiner Heimat werten es größere Firmen noch als imageschädigend, wenn sie sich nicht als Ausbildungsbetrieb deklarieren können. Daher gehe ich davon aus, dass sie einfach keine oder ungeeignete Azubis finden. Mein Meister von damals würde niemals einem Helfer den selben Lohn wie einem Gesellen zahlen. Kompetenz ist auch bei uns das A und O, wenn du am Ende jedoch nur an einer Maschine stehst, geht das auch als Ungelernter.