DerKlassiker schrieb:Frankreich und Deutschland sind beides Länder, in denen Vernunft einen hohen Stellenwert genießt
Daher ja auch die blutigen Kriege im 19. Jh.
DerKlassiker schrieb:deshalb fanden sie es wohl nach einem Jahrhundert andauernder Konflikte und Kriege irgendwann ziemlich unvernünftig, ihre nachbarschaftliche Beziehung auf so unselige Art und Weise weiterzuführen
Hm, ich dachte bisher immer, Deutschland hätte aus WK1 nicht gelernt und daher einen Revanchekrieg angezettelt, der sich nach Polen zunächst mal als erstes gegen Frankreich ganz speziell richtete, um den Vertrag von Versailles rückgängig zu machen. Ich weiß nicht, was das mit Vernunft zu tun hat. Nach WK2 war Deutschland "tot", zerstört und zerlegt in diverse Einzelteile, womit das Thema Nationalismus sich politisch erledigt hatte, leider nicht in den Köpfen einiger unverbesserlicher Nationalisten, die auch heute wieder groß die Klappe aufreißen. Immerhin ist Deutschland eingehegt, wegen dem es in erster Linie die EU überhaupt gab und gibt. Von daher ist schon die Fragestellung "Nationalismus als Lösung?" absurd.
DerKlassiker schrieb:Im Grunde beschreibst Du doch selbst, dass es da Gegensätze gibt, die sich nicht so einfach aufbrechen lassen und dass selbst irgendwelche gemeinsamen Bündnisse, seien die nun militärischer, wirtschaftlicher oder politischer Natur diese Gegensätze offenbar nicht einebnen können.
Nein, das habe ich nicht geschrieben, sondern vielmehr, dass sich der Konflikt wohl nur durch die beidseitige Mitgliedschaft in der EU endgültig aufheben und "natürlich" lösen lässt. Staatenbunde sind, wie du selbst schreibst, das beste Kriegsverhinderungsmittel, und ich füge noch hinzu, in dessen Verlauf auch die nationalistische Denkweise sich mäßigt und eine erweiterte Perspektive, die beide mit einschließt, zulässt. Das ist allerdings ein langwieriger Prozess, denn wir stellen gerade am Brexit fest, dass das europäische Bewusstsein noch längst nicht so weit ist wie die Staatenunion an sich. Aber allemal besser als voll souveräne, isolierte Einzelstaaten.
DerKlassiker schrieb: das Problem ist allerdings immer, dass man hier auf Biegen und Brechen eine Vereinigung letztendlich nur um der Vereinigung willen herbeiführen will.
Die Konsequenzen bei einem Scheitern deuten sich ja bereits mit dem Brexit an, zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht. Bei einem tatsächlichen Brexit dürfte sich Großbritannien, zumindest England und Wales, aber auch mental noch weiter von Kontinentaleuropa entfernen und eine größere Nähe zu den USA und Kanada suchen.
Das Problem mit Europa ist aus meiner Sicht ein ganz anders: Dass es zu lange und zu ausschließlich als reine Wirtschafts- und Währungsunion ausgelegt war und die europäische Idee eines frpedlichen, supranationalen Kontinents dabei zu kurz kam. Erst im Verlauf dieses Prozesses waren es gerade die Grünen Cohn-Bendit und der damalige Außenminister Fischer, die dieses Manko erkannten und ein Europa mit einem gemeinsamen starken Parlament und einer gemeinsamen Verfassung forderten, um einen richtigen Staatenbund voranzubringen, den mehr eint als allein der wirtschaftliche Vorteil. Schließlich ist Europa auch ein "Kulturraum". Es fehlte permanent die emotionale Komponente, eben die Erkenntnis, dass es mehr gibt als nur Abwesenheit von Krieg. Die leider nur vorübergehend gefallenen Grenzen innerhalb des Schengen-Raums ließen immerhin erahnen, wohin die Reise hätte gehen können. Nun ist man aufgrund der unsäglichen Flüchtlingspolitik, des Streits um die Krümmung von Gurken, Bananen und Möhren und des drohenden Brexits zu der Erkenntnis gekommen, dass man Europa als Idee im Prozess der Vereinigung falsch konzipiert und vergessen hatte, "das Volk mitzunehmen". Der zunehmende Rechtspopulismus in Europa ist das dunkle Kind dieses falschen, undemokratischen Prozesses.
Daher sollte man aus meiner Sicht JETZT anfangen, ein Europa der zwei Geschwindigkeiten zu bauen, eben das Kerneuropa der einstigen 6 Gründerstaaten, erweitert evtl. um Österreich, falls die ihr FPÖ-Problem rechtzeitig lösen können, und einem umfassenderen Europa der anderen 22 Staaten, die gerne auch wieder nationale Eigenwährungen einführen können, die aber auch dem Kerneuropa beitrten können, wenn sie den echten Wunsch dazu haben und bereit sind auch die verantwortung mit zu tragen.
Je Stärker die gegenseitigen Verknüpfungen desto geringer ein zwischenstaatlicher Krieg. Ist so.
Das leuchtet bei Faktenlage nicht unbedingt ein.
Ich bin ja selten mit Fedaykin mal einer Meinung, aber hier ist mir tatsächlich das Hemd näher als der Schuh, ums mal abgewandelt zu sagen.
DerKlassiker schrieb: Möglicherweise sind Kroaten und Serben, das lässt die geografische Lage vermuten, etwas heißblütiger als Dänen und Schweden oder Engländer und Schotten, was möglicherweise auf das entsprechende "Konfliktmanagement" Auswirkungen haben könnte.
Du meinst, je dichter am Äquator, umso heißblütiger die Bevölkerung. Das ist ja fast schon... na ich sags lieber nicht. Zeigt mir aber, dass du im politischen und sozialen Denken noch etwas unreif bist. Es hat wie gesagt nichts mit der Bluttemperatur zu tun, sondern mit einer Jahrtausende alten Geschichte, und da braucht es mehr als ein paar Jahre, um diese Mentalitäten zumindest was den nationalistisch-revanchistischen Aspekt angeht, zu überwinden. Das ist ein sehr schwerer Lernprozess, frag mal Anonymus.
DerKlassiker schrieb:Dass die EU maßgeblich zur Überwindung des Balkankonfliktes beiträgt, halte ich für ein Gerücht. Der Balkankrieg wurde 1995 übrigens unter Vermittlung der USA (Abkommen von Dayton) beendet, die EU war da eher Randfigur
Auch da spielten leider noch relativ nationalistische Gedankengänge eine Rolle, sonst hätte sich Deutschland nicht "aus historischen Gründen" ungefragt, ungebeten und vorschnell auf die Seite Kroatiens gestellt, worüber Frankreich, England und die USA überhaupt nicht amüsiert waren. Aber inzwischen sind wir >20 Jahre weiter und der 2. Weltkrieg liegt um eben dieselbe Distanz ebenfalls weiter zurück, und Merkel ist weniger nationalistisch als Kohl.
DerKlassiker schrieb:Was ist z. B. mit Kosovo?
Spätestens wenn der ganze Balkan in der EU ist, erübrigt sich diese Frage von selbst. Bis dahin: Auch Serben und Kosovaren lernen dazu, es ist inzwischen eine neue Generation, die nachgewachsen ist. Man muss nicht dauernd die Fehler der Vorfahren erneut wiederholen.