Jedimindtricks schrieb:die Republik scheint in einer massiven Krise
Na ja, so weit sind wir noch nicht. Derzeit finden einige reinigende Gewitter statt, die zwar zunächst dazu führen, dass einige Figuren reichlich betröpfelt dastehen (die SPD hatte da ja in der Vergangenheit schon einiges durch in der Post-Schröder-Ära), aber solche Disruptionen haben schließlich auch einen kathartischen Effekt, der den Prozess der Neufindung längerfristig beschleunigt, statt hemmt. Gerade das Erstarken der Ränder zwingt die sich im Umbruch befindende Mitte zur zweckorientierten Kooperation.
Für die nähere Zukunft erwarte ich ein stärker staatstragendes Agieren von Bündnis 90/Die Grünen (Kanzler Habeck als Interimslösung) sowie eine Renaissance der SPD mit einem politisch gereifteren Kevin Kühnert, der längerfristig die Führung der SPD übernehmen wird (ob im Duo wie jetzt Borjans und Esken oder als einzelner SPD-Vorsitzender sei dahingestellt). Die FDP wird sich aus absehbare Zeit erst mal wieder aus den Parlamenten verabschieden, bis sich in einer Post-Lindner-Ära eine neue Generation etabliert hat, die politisch in Erscheinung treten kann.
Bei der CDU erwarte ich eine längere Durststrecke irgendwo zwischen 10 und 20 Prozent in den Ländern, im Bund vielleicht nahe bei 20 Prozent, weil die Reformation hin zu einer stärker konservativen Partei - eventuell unter Merz - doch noch etwas Zeit benötigt, um bei gleichem Personal bei den Wählerschichten glaubwürdig rüberzukommen. Aber auch hier erwarte ich längerfristig einen Wiederaufstieg zu mehr als 30 Prozent Wählerstimmen, sobald die Transformation durchgelaufen ist.
Linke und AfD bleiben uns noch eine Weile erhalten - insbesondere bei der AfD erwarte ich noch weitere Zuwächse, da das Wählerklientel noch etwas Zeit benötigt, um zu begreifen, dass mit ihrer "Ventillösung" zwar der demokratische Diskurs gestört werden kann, aber Destruktivität an sich keine Lösungsoptionen bereithält, die auf Dauer auch für diese Wählerschaft befriedigend sein können. Dennoch wird man mit der Repräsentation der destruktiven Meckerer in den Parlamenten, die sich als Alternative bezeichnen, ohne eine zu sein, weiterhin auskommen müssen.