Entlassung für Hass-Posts
08.09.2015 um 12:20
Was für mich sehr deutlich wird, ist eine schwierig Zwickmühle.
Punkt 1: Erklärt man Hassposts gegen Ausländer, Asylbewerber, Homos usw. fortwährend und konsequent zur Privatsache, so fördert dies ein Umfeld, in welchem der Rechtsextremismus gedeiht.
Denn es sind ja keine belanglosen Meinungsäußerungen, die da geäußert werden, wohlgemerkt bewusst in der Öffentlichkeit. Denn wer heute noch glaubt, Facebook oder die Kommentarbereiche von Onlinezeitungen seien anonym und privat, der ist doch sehr, sehr naiv, um es mal vorsichtig zu formulieren.
Die Forderungen, Menschen zu ermorden oder Konzentrationslager zu öffnen oder zu ,,feiern", wenn kleine Kinder ertrinken (die Story dürfte aus den letzten Tagen geläufig sein, ohne hier groß weiter drauf einzugehen), sind für mich keine ,,Dumme-Jungen-Streiche" mehr.
Es sind aufstachelnde Äußerungen. Äußerungen, die mit fortschreitender Zahl dazu führen, dass ein Klima geschaffen wird, in welchem sich der aktive Täter wohl und sicher fühlt.
In dem er sich geschützt sieht bei seinen Taten, wenn er den Brandsatz wirft oder Feuer legt.
Denn er vollzieht in seinem Denken ja nur den ,,Volkswillen" und glaubt, man wird ihn schützen. Wie das ja tatsächlich auch der Fall ist, wenn auf das Anzünden von Asylbewerberheimen geantwortet wird, daran seien ja nur die Politiker schuld, die Merkel, die linken Gutmenschen, die würden ja die besorgten Bürger praktisch dazu zwingem, weil sie zulassen, dass Deutschland (wie sieht es eigentlich in Österreich und Schweiz aus?) von Ausländern ,,überrannt" wird.
Diese Erklärungsbereitschaft und Rechtfertigungsbereitschaft trotz des Angesichts solcher Taten hilft dem Rechtsextremismus, selbst wenn sich die Erklärenden gar nicht als Rechtsextremisten sehen.
Gerne wird ja auch behauptet, man habe ja selber ausländische Freunde.
Doch es sollte klar sein: Wenn man auch nicht direkt den Brandsatz wirft, so liefert man doch einen Beitrag dazu, indem man mit entsprechenden Forderungen das Klima aufheizt, anstachelt.
Und man schützt und ermutigt die Täter, wenn man die Taten der gewaltsamen Angriffe auf Asylbewerber und Heime erklären und rechtfertigen möchte.
Die Erschaffung eines dem Rechtsextremismus förderlichen Klimas ist fast gefährlicher, als der Rechtsextremismus selbst.
Auch darf man sich, in Anbetracht der NS-Zeit, die Frage stellen:,,Was war die gefährlichste Waffe der Nazis?"
Antwort:,,Die Propaganda!"
Indem immer und immer wieder die Feindbilder beschworen, die deutschen Bürger von jeder Verantwortung freigesprochen und idealisiert wurden, schuf man ein dem Nationalsozialismus und seinen Taten höchst förderliches Klima.
Wer war Schuld dran an der schwachen, deutschen Wirtschaft? Am verlorenen Arbeitsplatz und der Schuldenlast und den Versorgungsproblemen?
Die Ausländer (Frankreich, England...), die Kommis und Sozis und natürlich die Juden und die korrupten, unfähigen Politiker und der Geldadel.
Die Deutschen seien das großartigste Volk überhaupt, würden aber verraten und ausgebeutet und unten gehalten von den genannten Tätern.
Es war so auch nur Notwehr, was die Nationalsozialisten taten, so wurde dem Volk glaubhaft gemacht.
Sie konnten nur so stark werden, weil das Volk sie stark werden ließ.
Und hier kann ich nur sagen: Man wehre den Anfängen!
Die Gefahr ist heute nicht mehr in Europa, dass eine einzelne Partei oder Gruppe putscht und einen neuen Führer ernennt von einem Tag auf den anderen.
Die Gefahr ist heute subtiler, eine schleichende Radikalisierung, bis wieder die Rechtsextremen am Ende in die Regierungsfähigkeit gewählt werden könnten.
Deshalb darf es für mich keine Toleranz geben für Hassposts von schwerwiegender Sorte.
Punkt 2:
Gleichwohl ist es ein schmaler Grad zwischen dem Eintreten gegen Rechtsextremismus und der Unterdrückung von Meinungsfreiheit und freier Meinungsäußerung.
Dies sind ausgesprochen hohe Güter, die nicht leichtfertig unterminiert werden dürfen, weil eine Meinungsäußerung unpopulär oder moralisch fragwürdig ist.
Da es so etwas, wie eine allgemeingültige, jedem Menschen gleichermaßen innewohnende Moral nicht gibt, selbst wenn das vielleicht Leute wie Immanuel Kant annahmen, darf Moral nicht der alleinige Maßstab für rechtlich erlaubte Dinge sein.
Denn für die moralische Bewertung von Angelegenheiten ziehen wir oftmals unsere persönlichen Anschauungen heran und orientieren uns gleichzeitig gerne an der Masse.
Beides ist in keinster Weise objektiv, sondern sehr subjektiv.
Gesetzliche Vorgaben dürfen aber nicht einfach subjektiven Kriterien folgen, da sie für eine große Zahl anderer Menschen gelten. Sie müssen möglichst objektiv sein.
Die Gefahr bestünde darin, dass die Menge zu schnell urteilt, moralisch empört und sich zu Ankläger, Richter und Henker in einer Person aufschwingt.
Wenn man dem Urteil nicht anheim fallen will, dann sollte man besser ,,die richtige Meinung" haben, was dem Grundsatz der freien Meinungsäußerung widerspricht.
Stets eine schwierige Sache, da die Balance zu halten, wenn man mich fragt.
Man braucht ein gutes Urteilsvermögen und Ausgeglichenheit.
Manche Fälle sind natürlich offensichtliche Volksverhetzung und in manchen Angelegenheiten ist es auch gar nicht diskutabel, dass die betreffende Person ob ihrer Äußerungen für ihren jeweiligen Beruf ungeeignet ist.
Andere sind fragwürdiger. Da hilft es dann eventuelle, mal abzuschalten und eine Nacht drüber zu schlafen, bevor man weitere Maßnahmen ergreift.
Es kommt ja nicht drauf an, ob sofort jemand gemeldet wird oder einen Tag später.