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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

28.877 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Russland, EU, Freiheit ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 19:37
@kintarooe

Das erstere hat mit der Aussage zu tun...bei den Kurden liegt es am Nationalismus, was keine Minderheiten erlaubte.
Aber wir sollten nicht die Maßstäbe vom 21. Jahrhundert anwenden...


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 19:55
Mehrere türkische Diplomaten versuchen sich im Ausland abzusetzen...

http://de.euronews.com/2016/08/11/tuerkische-diplomaten-setzen-sich-ab


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 20:37
@kintarooe
Zitat von kintarooekintarooe schrieb:Er wird kritisch gesehen weil er traditionalisten und Imame hängen ließ, weil die sich geweigert haben, westliche kleidung zu tragen... das ist nur ein Beispiel.
Ich schließe mich da der Meinung von @canales an. Diese Dinge kann man nicht nach den Maßstäben von heute beurteilen. Damals war die Anwendung von Todesstrafen gängige Praxis in vielen "Demokratien" in Europa. Heutzutage müsste man das anders lösen. Dagegen will Erdogan jetzt ernsthaft die Todesstrafe wieder einführen, im 21. Jahrhundert. Ich frage mich, wo die Türkei heute stünde, hätte sich Atatürk damals nicht durchgesetzt.

Aber ich stelle auch dir die Frage, die ich kürzlich Lukistar gefragt haben auf die er aber offensichtlich keine Antwort weiß: was denkst du denn, warum die islamische Welt, die der christlichen bis ins späte Mittelalter voraus war, diesen Vorsprung danach verloren hat?


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 21:02
@kintarooe
Zitat von kintarooekintarooe schrieb:Atatürk war aber auch ein kaltblütiger Diktator, der Kritiker und Oppositionelle hängen ließ. Minderheiten hatten keinerlei Rechte. Zudem waren nicht alle Errungenschaften die ihm zugesprochen wurden, sein alleinges Werk. Atatürk kommt mir hier viel zu gut weg. Unter seiner Herrschaft hat man viele in Bewegung gesetzt, damit die Türkei nicht wie die arabischen Nationen zerteilt, fremdgelesteuert und ausgebeutet wird. Doch tat er dies ohne Rücksicht auf die Bevölkerung, verankerte einen teilweise rassistischen Nationalismus in der Türkei und ein System das die Mehrheit der Bevölkerung in ihrer Entfaltung unterdrückte. Somit trieb er ein Keil zwischen die Religiöse Mehrheit und die anderen Minderheiten auf einer Seite und den Kemalisten auf anderer Seite.
Das Atatürk auch Fehler gemacht hat, sehe ich ein. Das er Kleidervorschriften erlassen hat, mag überflüssig gewesen sein. Das Imame wegen der Kleidungsvorschrift gehängt wurden ist meines Wissens nach eine Lüge. Es gab schon damals Imame, die anscheinend von griechischer Seite bestochen wurden. Eben diese Imame haben das griechische Heer als das neue Khalifatsheer bezeichnet, damit die türkische Bevölkerung keinen großen Widerstand leistet. Kannst ja in diesem Zusammenhang nach Iskilipli Atıf Hoca googlen.

Er war ein Imam, der die Rechtmäßigkeit der Besatzung durch Griechen und Engländer betonte.

Es geht um eine junge Republik. Er hat Schlüsse aus dem Zerfall des osmanischen Reiches gezogen. Da anscheinend die Religion den Zerfall des Reiches nicht verhindern konnte, orientierte er sich am Nationalismus. Die Glaubensbruderschaft hat die anderen muslimischen Völker nicht von ihren Unabhängigkeitsbemühungen abgehalten, oder?

Wir sind heute teilweise immer noch nicht dazu in der Lage uns mit dem Islam kritisch auseinander zu setzen. Du redest von einer Mehrheit der Bevölkerung, die sich nicht entfalten konnte. Du kannst dir gerne die Staaten im Nahen Osten ansehen. Ich glaube nicht, dass die Entwicklung der Türkei eine andere gewesen wäre, wenn die Religion nicht in den privaten Bereich gedrängt worden wäre.

Demokratisch war es sicherlich nicht, aber er wollte sich mit allen Mitteln von den alten Fesseln befreien. Die Wissenschaft war für ihn allerdings immer ein hohes Gut.

Es wäre schön, wenn die Atatürk-Kritiker auch Kritik an osmanischen Herrschern üben könnten. Man kann Atatürk kritisieren, ist ein gutes Recht, allerdings verursacht es einen faden Beigeschmack, wenn es von Personen kommt, die die osmanische Geschichte und ihre Herrscher in den Himmel loben und keine Kritik an dieser Zeit und diesen Herrschern vertragen können. Ich hoffe, dass du nicht zu diesen Menschen gehörst.

Nebenbei bemerkt bin ich kein verbitterter Gegner der osmanischen Zeit. Ich kann nur nichts anfangen mit irgendwelchen beschönigten Darstellungen, die absolut Nichts mit der Realität zu tun hatten.

Desweiteren finde ich es lustig, dass du Minderheiten und die religiöse Mehrheit als Opfer auf die eine Seite der Gleichung stellst und die Kemalisten als Verbrecher auf die andere Seite. Das impliziert ein gewisses Interesse der religiösen Bevölkerung an Minderheitenrechten.

Die Kopfbedeckung im osmanischen Reich (Fes) wurde erst ca. 100 Jahre vor Atatürk eingeführt. Den damaligen osmanischen Sultan Mahmut II. hat man wegen der Einführung auch als Ungläubigen beschimpft. Am Werke waren wieder religiöse Hardliner, die so vieles in der muslimischen Welt zerstört haben und ihr Werk heute noch mit vollem Erfolg weiterführen.


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 21:19
Hab ich etwas verpasst? Wer lobt hier das osmanische Reich?
Zitat von doetzdoetz schrieb:Ich glaube nicht, dass die Entwicklung der Türkei eine andere gewesen wäre, wenn die Religion nicht in den privaten Bereich gedrängt worden wäre.
Ich glaube schon, aber bestimmt keine bessere.


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 21:39
@Quiron

Das war nur vorsorglich von mir erwähnt. Gibt ja genug Akp-Fans, die sich so verhalten. Sicherlich auch auf Allmy.

Was haltet ihr eigentlich davon, das die Akp-Medien das Wort Demokratie im Augenblick so inflationär benutzen?


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 21:42
Naja, wenn man Demokratie darauf reduziert alle paar Jahre irgendwo ein Kreuzchen zu setzen, dann sind sie ja noch demokratisch. Vielleicht nicht so wie die weißen Teufel aus Europa, sondern mehr wie Thailand, Burma oder Venezuela, aber immerhin!


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 21:49
Gegen die Oppostionsparteien wird auch mal wieder vorgegangen....


http://www.fr-online.de/tuerkei/tuerkei--razzien-in-bueros-der-prokurdischen-hdp,23356680,34612386.html


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 21:51
@Quiron
Zitat von QuironQuiron schrieb:
Ich schließe mich da der Meinung von @canales an. Diese Dinge kann man nicht nach den Maßstäben von heute beurteilen. Damals war die Anwendung von Todesstrafen gängige Praxis in vielen "Demokratien" in Europa. Heutzutage müsste man das anders lösen. Dagegen will Erdogan jetzt ernsthaft die Todesstrafe wieder einführen, im 21. Jahrhundert. Ich frage mich, wo die Türkei heute stünde, hätte sich Atatürk damals nicht durchgesetzt.
Ich rede hier aber nicht über die Maßstäbe, sondern darüber das Atatürks Fehler dazu geführt haben, das sich die Türkei so Entwickelt hat wie sie es tat. Atatürks kompromisslose Politik hat dazu geführt das die Fronten auf vielen Seiten verhärtet ist.
Zitat von QuironQuiron schrieb:
Aber ich stelle auch dir die Frage, die ich kürzlich Lukistar gefragt haben auf die er aber offensichtlich keine Antwort weiß: was denkst du denn, warum die islamische Welt, die der christlichen bis ins späte Mittelalter voraus war, diesen Vorsprung danach verloren hat?
Das hat sehr viele Gründe. Ich würde das gern mal aufteilen in Gründe für die Islamische Welt und den Christlichen Teil
"der Westen"
Die Entdeckung Amerikas und der damit einhergehende Reichtum, die Eindämmung des kirchlichen oder päpstiche Einflusses. Der Buchdruck, der Wissen schneller verbreitetet. Der Niedergang des Feudalismus. Sicherlich gab es noch weitere Gründe warum die Christlichen Nationen die Führungsrolle übernahnen. Wie die etlichen innereuropäischen Kriege die die Miliärentwicklung vorran trieb.

Zur Islamischen Welt..hier beschränke ich mich auf das Osmanische Reich.

Die Osmanen waren nie für ihre Innovationen bekannt..sie waren ein Kriegervolk, das zu einem Großreich wurde und vorallem die vorhandenen Strukturen der eroberten Gebiete beibehielten.

Die Reihenfolge ist willkürlich

1. Der Verlust der Bedeutung der Seidenstraße, da europäische Mächte die Güter über den Seeweg transportierten
2. Teure Kriege an allen Fronten..Persien, Österreich Pole, Venedig und Russland am Kaukasus...
3. Der Einfluss der Janitscharen, welche Reformen verhinderten und selbst Sultane stürtzen
4. Wirtschaft kein Bürgertum usw..siehe zitat unten
Ergebnis der Münzverschlechterung, bei der man den Feingehalt an Silber reduziert hatte ohne den Wechselkurs zum Gold zu ändern, war eine ungeheure Inflation. Die Regierung hatte versucht, so die ständig wachsenden Ausgaben der Staatskasse zu decken, erreichte aber nur das Gegenteil. Am Ende des 16. Jh. stiegen die Preise rapide in die Höhe. Die stark angewachsene Bevölkerung zu ernähren, vor allem das Militär und die Stadtbewohner zu versorgen, wurde immer schwieriger. Gleichzeitig florierte der Schmuggel, vor allem der strengstens verbotene Export von Getreide. Die Reichsbewohner litten unter Hungersnöten und Armut. Der private Lebensstandard war rapide gesunken und in weiten Landstrichen kam es zu massenhafter Verelendung.

Zudem konnte die osmanische Gesellschaft, deren Sozialordnung auf Grundbesitz fußte, ab dem 17. Jh. die Entwicklungen, die in Europa zur Industrialisierung und somit zu einer neuen Epoche geführt hatten, nicht mitvollziehen. Eine dem europäischen Bürgertum vergleichbare Mittelschicht, deren sozialer und finanzieller Aufstieg auf Produktion und Handel basierte, gab es nicht. Die traditionelle Gesellschaft hatte keinen erhöhten Bedarf an Waren, somit war auch keinen Anstieg der Produktion zu verzeichnen. Auch hinreichend billige Arbeitskraft war vorhanden, so dass eine Motivation für technische Erfindungen oder gar eine Modernisierung der Produktion nicht existierte. Da das Vermögen der reichen Osmanen meist in Form von Gold oder Edelsteinen fest lag, erfolgte auch keine Kapitalbildung, die mit wirtschaftlichen Investitionen hätte einhergehen können. Schnell war man auf dem Weltmarkt nicht mehr wettbewerbsfähig. Zudem war der Staat selbst in keiner Weise in die Vorgänge auf den Märkten involviert. Zwar erhob er Steuern und Abgaben, ergriff aber keinerlei Maßnahmen zur Förderung von Wirtschaft und Handel. Schließlich überschwemmten ausländische Waren den einheimischen Markt. Diese in billiger Massenproduktion hergestellten Güter, deren Rohstoffe nicht selten aus dem Osmanischen Reich stammten, verdrängten als Reimporte die teuren Erzeugnisse der Zünfte, die dem Konkurrenzkampf nicht gewachsen waren. So wurde die einheimische Wirtschaft zusätzlich geschwächt. All diese Faktoren führten letztendlich zum wirtschaftlichen Ruin des Reiches und in letzter Konsequenz zum Staatsbankrott.



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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 21:53
@doetz "Was haltet ihr eigentlich davon, das die Akp-Medien das Wort Demokratie im Augenblick so inflationär benutzen?" Vielleicht wird es so noch häufig benutzt weil sie immer noch auf den "Zug der Demokratie" sich befinden?^^

Aber ehrlich gesagt, von Demokratie oder seinen Werten wird doch letzter Zeit auch nur geredet wenn es zufällig den eigenen Interessen dienlich ist. Wäre Erdogan der bessere Kumpel würde man nicht so negativ über ihn als Autokraten lesen sondern so suggerieren das er als Verteidiger der Demokratie da steht.


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11.08.2016 um 22:04
@lukistar du hast dich zu den Säuberungen vor dem Putsch geäußert
Zitat von lukistarlukistar schrieb: Mittlerweile ist die Polizei aber von Gülenisten gesäubert. Das geschah schon vor dem Putschversuch.
ich wüsste gern von dir mit welcher (rechtsstaatlichen ) Begründung die "Säuberungen der Polizei von Gülenisten" vorgenommen wurden!!!


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11.08.2016 um 22:07
@doetz
wieso sollte ich Osmanische Sultane kritisieren...das ist der Türkei Thead und die Sultane interessieren mich nicht und tuen auch nichts zur Sache. Die Tiefen Krater zwischen den einzelnen Parteien wurden mit Atatürk gegraben und verfolgeb die Türkei bis heute. Ich bin der Meinung das Erdogan sich auch nur aufgrund dieser Gräben an der macht halten kann und der Minderheiten diskriminierend 10% Hürde, welche durch das Kemalistische Regiem eingeführt wurde, um Mindeheiten von der Politik des Landes auszuschließen. Sie nutzt heutzutag noch einem Erdogan der sonst nie mit der AKP an der Macht sein könnte.

Hätten die Kemalisten damals die Islamische Mehr/Minderheit und die Kurden in ihre Politik eingebunden, dann würden viele Menschen nicht in die Arme von Erdogan und der PKK laufen.


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 22:07
@lawine

Immer diese Fangfragen!


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11.08.2016 um 22:21
@kintarooe
Zitat von kintarooekintarooe schrieb:Ich rede hier aber nicht über die Maßstäbe, sondern darüber das Atatürks Fehler dazu geführt haben, das sich die Türkei so Entwickelt hat wie sie es tat. Atatürks kompromisslose Politik hat dazu geführt das die Fronten auf vielen Seiten verhärtet ist.
Was wäre denn die Alternative gewesen, eine Zersplitterung der Gebiete mit anschließenden Auseinandersetzungen der verschiedenen Ethnien...man sollte, wenn man schon Vorwürfe macht auch die Alternativen betrachten.
Auch wenn wenn alles gut war, was Atatürk gemacht hat...es fehlen die Alternativen, aber im Nachhinein kann man immer sehr leicht kritisieren.


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 22:37
@kintarooe
Danke für die ausführliche Antwort. Da ist schon viel Wahres dran. Aber an manchen Stellen muss man tiefer graben:
Zitat von kintarooekintarooe schrieb:Die Osmanen waren nie für ihre Innovationen bekannt.
Warum eigentlich nicht? Warum wird der Buchdruck in Europa erfunden und nicht im Nahen Osten? Und wenn sie ihn schon nicht erfinden, warum übernhemen sie die Technik nicht?

Die Osmanen mögen nicht innovativ gewesen sein, aber die Araber waren führend in der Mathematik und der Astronomie. Waren sie nicht zuletzt dadurch gute Seefahrer? Warum entdecken sie nicht Amerika zuerst?

Warum entwickelte sich ein Bürgertum in Europa, nicht aber im Osmanischen Reich? Ein Bürgertum, welches den Feudalismus hinwegfegt, sattdessen Handwerk und Industrialiserung trägt?
Zitat von kintarooekintarooe schrieb:die Eindämmung des kirchlichen oder päpstiche Einflusses.
Das und die damit einsetzende Aufklärung sehe ich als einen wesentlichen Grund für die oben erwähnten Entwicklungen.

Eine Gesellschaft, die einen Großteil ihrer Energie auf religiöse Rituale verschwendet, kann eben nichts anders leisten.
Wer unter der Knute religiöser Dogmen lebt, dessen Kreativität wird unterdrückt. Deswegen halte ich Atatürks Entscheidung für den Laizismus für eine kluge Idee.


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 22:47
@kintarooe
Zitat von kintarooekintarooe schrieb:Die Tiefen Krater zwischen den einzelnen Parteien wurden mit Atatürk gegraben und verfolgeb die Türkei bis heute.
Ist es nicht ein wenig unfair, für den Kurdenkonflikt allein Atatürk verantwortlich zu machen? Hatten sich Briten und Türken in der Mosul-Krise nicht geeinigt und lief das nicht auf weitgehende Autonomie der Kurden hianus? Was hätten sie mehr verlangen können? Noch einen eigenen Staat? Und dann beginnt Said seinen Aufstand (übrigens nicht zuletzt aus religiösem Eifer). Kein Wunder, daß die Türken nicht begeistert waren.


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

11.08.2016 um 22:49
@kintarooe
Zitat von kintarooekintarooe schrieb:wieso sollte ich Osmanische Sultane kritisieren...das ist der Türkei Thead und die Sultane interessieren mich nicht und tuen auch nichts zur Sache.
Weil das Eine zum Anderen geführt hat. Atatürk war von 1923-1938 an der Macht. Bedingt durch seine Krankheit war er schon vorher aus dem politischen Geschehen ausgeschlossen. Er war mehr oder weniger in der Übergangsphase vom osmanischen Reich zur Republik tätig. All die Repressalien, die nach seinem Tode passiert sind, kann man nicht ihm anlasten. Glaubst du etwa, dass die Türkei nach seinem Ableben immer seiner Linie treu geblieben ist? 1960 war der erste Putsch, welche eine neue Verfassung nach sich zog. 1980 der nächste Putsch und wieder wurde die Verfassung geändert. Diese Ereignisse darf man nicht vergessen.

Die amerikanischen und russischen Einflüsse darf man auch nicht vergessen. Sie waren zumindest während der Auseinandersetzungen von türkischen Linken und Rechten real.

Selbst der Personenkult und die Gesetze, die seine Person schützen sollen und die Beleidigung seiner Person unter Strafe stellen, sind lange nach seinem Tod entstanden.
Zitat von kintarooekintarooe schrieb:Die Tiefen Krater zwischen den einzelnen Parteien wurden mit Atatürk gegraben und verfolgeb die Türkei bis heute.
Die Gräben waren schon vorher da. Atatürk war nicht der Erste, der in diesem Gebiet Reformen angestrebt hat. Zu osmanischer Zeit gab es auch Sultane, die Reformen angestrebt haben. Unter anderem auch nach westlichem Vorbild.
Zitat von kintarooekintarooe schrieb:Hätten die Kemalisten damals die Islamische Mehr/Minderheit und die Kurden in ihre Politik eingebunden, dann würden viele Menschen nicht in die Arme von Erdogan und der PKK laufen.
Die Kurden z.B. waren damals sehr religiös eingestellt. Sie sind es sogar heute noch. Deswegen ist der Osten der Türkei ein Hort für verschiedenste islamische Sekten. Es werden dort sogar heute noch islamische Lehren nach uralter Tradition gelehrt. Ausserdem kannst du dir dazu auch den Şeyh Said Aufstand angucken. Er hatte es sich zum Ziel gemacht, das Khalifat wieder einzuführen. Böse Zungen behaupten sogar, der Aufstand wurde von den Briten finanziert, damit die Türkei mit inneren Unruhen beschäftigt ist. Unter anderem hierfür:
Da die türkische Regierung die lokale kurdische Bevölkerung in der Mosul-Frage hinter sich wissen wollte, war sie bereit ihnen einige ihrer Forderungen, die einer Autonomie nahe kamen, zu erfüllen. Am 1. August 1924 wurde in Diyarbakır zwecks Bestimmung des Ausmaßes der Rechte der Kurden eine Konferenz abgehalten. Dort wurde ihnen eine Generalamnestie, Sonderzahlungen aus dem Budget, fünfjährige Steuerfreiheit sowie die Wiedereinführung der Schari'a-Gerichte zugesagt. Die Vertreter der kurdischen Bevölkerung willigten ein und versprachen im Gegenzug die Türkei in der Mosul-Frage zu unterstützen. Bevor das Abkommen in der Großen Nationalversammlung der Türkei ratifiziert werden konnte, brach jedoch der Aufstand aus. Somit spielte der Aufstand in die Hände der Briten, da die Türkei einerseits ihre militärische Kapazität für die Beendigung des Aufstandes einsetzen musste und somit eine mögliche Intervention in den Nordirak unmöglich wurde.
Wikipedia: Scheich-Said-Aufstand

Ansonsten wäre ich dankbar, wenn du die Frage von @canales beantworten würdest.
Zitat von canalescanales schrieb:Was wäre denn die Alternative gewesen



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11.08.2016 um 23:05
Das die Repressalien, die eigentlich jede Partei in der Türkei erleiden musste, zu unserer heutigen Situation geführt hat, kann man einsehen. Es war aber sicherlich nicht im Interesse Atatürk's. Wir hätten seine Ideen weiterführen können und noch freiheitlicher werden können. Aber in der Türkei gibt es immer eine Partei, die das verhindert, Angst vor den Anderen schürt und sich das zu Nutze macht.

In der Türkei dreht sich ständig das Rad der Gewalt und Unterdrückung weiter. Jeder der an die Macht kommt unterdrückt die Anderen.


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12.08.2016 um 02:13
Zitat von QuironQuiron schrieb:was denkst du denn, warum die islamische Welt, die der christlichen bis ins späte Mittelalter voraus war, diesen Vorsprung danach verloren hat?
Im laufe der Jahre habe ich viele Theorien dazu gelesen und auch eigene Gedanken dazu gehabt. Für viele sehr fromme Muslime ist es die zunehmende Abkehr vom Islam oder vom wahren Islam.
Im Westen ist es oft der Mangel an Aufklärung so wie man es in Europa hatte. Es gibt auch eine Reihe von originelleren Theorien von einzelnen Autoren.

Aufstieg und Niedergang von Zivilisationen lassen sich immer irgendwie begründen, man findet schnell plausibel wirkende Theorien. Wahrscheinlich manchmal zutreffend, manchmal falsch und oft unvollständig.

Es kann immer etwas schief gehen und es können ungünstige Situationen entstehen und irgendwann, auch wenn es 1000 Jahre dauert, ist es soweit und es passieren Dinge die fatal werden.
Hat was von Murphys Gesetz.

Warum ging das römische Reich unter? Das britische Weltreich? Warum Persien? Warum könnte China die westliche USA bald an Wirtschaftskraft ablösen?
Kann man für alles nachvollziehbare Gründe finden. Es wäre jedoch nicht ungewöhnlich wenn der Westen irgendwann wieder ungebildeter und ärmer wird, um noch viel später vielleicht erneut blühen zu können oder Teile davon.
Vielleicht wegen einem dritten Weltkrieg, wegen Energiekrisen, faschistischen Ideologien, Völkerwanderungen, katastrophalen Wirtschaftskrisen, Krankheiten... eine Kombination davon.

Am Ende wird es sicher ganz konkrete Ursachen gäben und trotzdem wäre "das Ende" nach so vielen Jahrhunderten der Dominanz und Blüte ein natürlicher Verlauf.
So natürlich wie der Tod eines 80 jährigen Menschen, der sein Leben lebte, alles tat um zu leben und am Ende an irgendwas doch starb. Vielleicht ernährte er sich nicht gut genug, hätte vielleicht mit besserer Ernährung 10 Jahre länger gelebt, stolze 90, aber er wäre irgendwann doch an irgendwas gestorben, egal wie achtsam er gelebt hat.

Hätte man den Buchdruck im osmanischen Reich nicht so spät eingeführt, hätte man dies und jenes anders gemacht, wäre es vielleicht weiter gegangen, aber wie lange?


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Wohin geht die Türkei unter Erdogan?

12.08.2016 um 02:57
Zitat von QuironQuiron schrieb:Eine Gesellschaft, die einen Großteil ihrer Energie auf religiöse Rituale verschwendet, kann eben nichts anders leisten.
Welche Gesellschaften kennst du denn, wo es so ist? Wüsste nicht in welcher Gesellschaft religiöse Rituale den Tag der Menschen füllen und so die Energie der Gesellschaft auslasten.

Eine Gesellschaft die stundenlang vor der Glotze hängt oder die WE gerne mit tanzen und saufen verbringt ist auch nicht gerade intellektuell auf Hochleistungen. Aber auch Spaß und soziale Aktivitäten sind gut für die Menschen.
Dagegen sind Gebetszeiten oder wöchentliche Besuche in Gebetshäusern auch nicht die Welt an Zeitbedarf. Davon abgesehen dass Spiritualität auch nichts schlechtes ist, es ist gut für die Gesellschaft und gut für die Menschen.
Zitat von QuironQuiron schrieb:Wer unter der Knute religiöser Dogmen lebt, dessen Kreativität wird unterdrückt.
Da bin ich geneigt dir zuzustimmen. Zu dogmatische religiöse Standpunkte könnten wirklich den Geist festbinden bzw. ein gesellschaftliches Klima schaffen, wo abweichende Meinungen und offensichtliche Kritikpunkte nicht erwünscht sind.
In der Hinsicht pauschalisiert man muslimische Gesellschaften häufig anhand einer frommen Minderheit. Nicht jeder Muslim ist in seinem Alltag stark auf die Religion fixiert.

Und anhand was willst du beurteilen, ob die Türken in der modernen Türkei, heute weniger religiöse Praktiken und Gedanken haben als im osmanischen Reich?
Nur weil die Staatsform und die Politik Atatürks nicht religiös war, heißt es nicht das die Gesellschaft plötzlich so lebte und dachte wie Atatürk selbst.


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