@kintarooe kintarooe schrieb:Atatürk war aber auch ein kaltblütiger Diktator, der Kritiker und Oppositionelle hängen ließ. Minderheiten hatten keinerlei Rechte. Zudem waren nicht alle Errungenschaften die ihm zugesprochen wurden, sein alleinges Werk. Atatürk kommt mir hier viel zu gut weg. Unter seiner Herrschaft hat man viele in Bewegung gesetzt, damit die Türkei nicht wie die arabischen Nationen zerteilt, fremdgelesteuert und ausgebeutet wird. Doch tat er dies ohne Rücksicht auf die Bevölkerung, verankerte einen teilweise rassistischen Nationalismus in der Türkei und ein System das die Mehrheit der Bevölkerung in ihrer Entfaltung unterdrückte. Somit trieb er ein Keil zwischen die Religiöse Mehrheit und die anderen Minderheiten auf einer Seite und den Kemalisten auf anderer Seite.
Das Atatürk auch Fehler gemacht hat, sehe ich ein. Das er Kleidervorschriften erlassen hat, mag überflüssig gewesen sein. Das Imame wegen der Kleidungsvorschrift gehängt wurden ist meines Wissens nach eine Lüge. Es gab schon damals Imame, die anscheinend von griechischer Seite bestochen wurden. Eben diese Imame haben das griechische Heer als das neue Khalifatsheer bezeichnet, damit die türkische Bevölkerung keinen großen Widerstand leistet. Kannst ja in diesem Zusammenhang nach Iskilipli Atıf Hoca googlen.
Er war ein Imam, der die Rechtmäßigkeit der Besatzung durch Griechen und Engländer betonte.
Es geht um eine junge Republik. Er hat Schlüsse aus dem Zerfall des osmanischen Reiches gezogen. Da anscheinend die Religion den Zerfall des Reiches nicht verhindern konnte, orientierte er sich am Nationalismus. Die Glaubensbruderschaft hat die anderen muslimischen Völker nicht von ihren Unabhängigkeitsbemühungen abgehalten, oder?
Wir sind heute teilweise immer noch nicht dazu in der Lage uns mit dem Islam kritisch auseinander zu setzen. Du redest von einer Mehrheit der Bevölkerung, die sich nicht entfalten konnte. Du kannst dir gerne die Staaten im Nahen Osten ansehen. Ich glaube nicht, dass die Entwicklung der Türkei eine andere gewesen wäre, wenn die Religion nicht in den privaten Bereich gedrängt worden wäre.
Demokratisch war es sicherlich nicht, aber er wollte sich mit allen Mitteln von den alten Fesseln befreien. Die Wissenschaft war für ihn allerdings immer ein hohes Gut.
Es wäre schön, wenn die Atatürk-Kritiker auch Kritik an osmanischen Herrschern üben könnten. Man kann Atatürk kritisieren, ist ein gutes Recht, allerdings verursacht es einen faden Beigeschmack, wenn es von Personen kommt, die die osmanische Geschichte und ihre Herrscher in den Himmel loben und keine Kritik an dieser Zeit und diesen Herrschern vertragen können. Ich hoffe, dass du nicht zu diesen Menschen gehörst.
Nebenbei bemerkt bin ich kein verbitterter Gegner der osmanischen Zeit. Ich kann nur nichts anfangen mit irgendwelchen beschönigten Darstellungen, die absolut Nichts mit der Realität zu tun hatten.
Desweiteren finde ich es lustig, dass du Minderheiten und die religiöse Mehrheit als Opfer auf die eine Seite der Gleichung stellst und die Kemalisten als Verbrecher auf die andere Seite. Das impliziert ein gewisses Interesse der religiösen Bevölkerung an Minderheitenrechten.
Die Kopfbedeckung im osmanischen Reich (Fes) wurde erst ca. 100 Jahre vor Atatürk eingeführt. Den damaligen osmanischen Sultan Mahmut II. hat man wegen der Einführung auch als Ungläubigen beschimpft. Am Werke waren wieder religiöse Hardliner, die so vieles in der muslimischen Welt zerstört haben und ihr Werk heute noch mit vollem Erfolg weiterführen.