Was bedeutet es, die Wahrheit zu kennen?

@sarevok

"Die blinden Männer und der Elefant" ist ein sehr anschauliches Gleichnis. Das zeigt genau auf, wie "Wahres" auch immer subjektiv gedeutet wird. Und das Kuriose ist ja, dass es durch die Subjektivität nicht weniger wahr wird.
Ein Kaleidoskop an Wahrheiten.

In einem Gedicht, von John Godfrey Saxe, welches das Elefanten-Gleichnis zum Inhalt hat, heißt es:

It was six men of Indostan to learning much inclined,
Who went to see the Elephant (though all of them were blind),
That each by observation might satisfy his mind

In freier Übersetzung:

Es war'n mal sechs Männer (Hindustanten), geneigt recht viel zu erfahren.
Die gingen, zu seh'n einen Elefanten (obwohl's alle Blinde waren),
dass jeder durch seine Betrachtung konnt' Wissen erlang'n und bewahren.
Die Blinden kommen zu dem Schluss, dass der Elefant wie eine Wand, eine Schlange, ein Speer, ein Baum, ein Fächer oder ein Tau sei, abhängig davon, wo sie ihn befühlt haben. Sie geraten in eine hitzige Debatte, die nicht in Handgreiflichkeiten ausartet, aber in Saxes Version wird der Konflikt nicht gelöst.

Moral:

So oft in theologic wars, the disputants, I ween,
Rail on in utter ignorance, of what each other mean,
And prate about an Elephant not one of them has seen!
In freier Übersetzung:

Moral von der Geschicht':

Häufig im Krieg der Theologen bekämpfen sich Koryphäen.
Was der Eine als Wahrheit hat erkannt, die Andren als Lüge schmähen,
Und plappern über 'nen Elefant, den keiner hat je gesehen!

FlamingO schrieb:den keiner hat je gesehen!

Hätten sie die Kriterien vorher festgelegt, wäre das anders ausgegangen ;)
Aber die Schwurbologie sehnt sich ja nach dem bodenlosen Wirbel.

Nemon schrieb:Hätten sie die Kriterien vorher festgelegt, wäre das anders ausgegangen ;)

Hätte hätte Fahrrad Kette.
Haben sie aber nicht. :)

Ich finde die Elefanten-Geschichte recht plastisch.

Nemon schrieb:Schwurbologie

Schwurbelhausen ist doch überall - wo man auch hinschaut.

@FlamingO
Aber du weißt schon, was ich meine. :klugmaul:
Ich will dir doch den Elefanten nicht nehmen.

FlamingO schrieb:Ich finde die Elefanten-Geschichte recht plastisch.

FlamingO schrieb:Häufig im Krieg der Theologen bekämpfen sich Koryphäen.
Was der Eine als Wahrheit hat erkannt, die Andren als Lüge schmähen,
Und plappern über 'nen Elefant, den keiner hat je gesehen!

nun aber so ist es mit der warheit viele glaube sie beanspruchen zu können

dabei geht es nicht um den elefanten an sich dieser ist ein symbol für eine idee bzw. warheit

die blinden männer symbolisieren die herren und damen die in diesem beitrag darüber diskutiueren

viel gerede um nichts da jeder nur seine perspektive auf die realität aus seiner warnehmung heraus beschreiben kann

sarevok schrieb:daher ist warheit doch eher ein fließender begriff der auch mit der erkentnis des individuums zusammenhängt

da wir nur dann etwas als "wahr" oder "falsch" bezeichnen wenn wir es aus der eigenen perspektive verstanden haben

FlamingO schrieb:Die blinden Männer und der Elefant" ist ein sehr anschauliches Gleichnis. Das zeigt genau auf, wie "Wahres" auch immer subjektiv gedeutet wird. Und das Kuriose ist ja, dass es durch die Subjektivität nicht weniger wahr wird.
Ein Kaleidoskop an Wahrheiten.

ich fand deine erste beschreibung sehr treffend :)

FlamingO schrieb:"Die blinden Männer und der Elefant" ist ein sehr anschauliches Gleichnis. Das zeigt genau auf, wie "Wahres" auch immer subjektiv gedeutet wird.

Nun, so ist es gemeint, dennoch finde ich das Beispiel hinkt.
Denn es impliziert zusätzlich ja, dass einer der Blinden mal mehr als nur das Teil erforscht, als das, das er vor hat. Aber eigentlich müsste doch jeder von ihnen fühlen, dass er kein eigenständiges Teil erfasst, dass es noch weiter geht.

Ein intelligenter, wertfreier Blinder würde einfach weiter tasten, unabhängig davon, wie subjektiv er das bereits Erfasste beurteilt. Oder zugeben, dass da noch etwas ist das er aber im Moment noch kennt.

Subjektivität bedeutet ja nicht (nur), dass ich nicht alles sehe, sondern dass ich das, was ich sehe, subjektiv beurteile.

off-peak schrieb:Nun, so ist es gemeint, dennoch finde ich das Beispiel hinkt.

Sicher ruckelt die Story, ist ja auch nur ein Gleichnis rsp. Gedankenspiel.

Weiter unten im Wiki-Artikel steht noch etwas, das die Absurdität ganz gut beleuchtet:

Es gibt auch einen Pogo-Comic von Walt Kelly in Bezug auf dieses Gleichnis: Pogo Opossum stellt fest, dass "jeder der blinden Männer teilweise recht hatte", worauf die Schildkröte Churchy Lafemme antwortet: "Ja, aber größtenteils hatten sie alle unrecht."

@sarevok
Das liegt wohl auch an der Erwartungshaltung.
Man kann mit der Logik auch jede Menge Unsinn machen und es kann dennoch im Sinne der korrekten Anwendung der Wahrheit entsprechen.
Bei Alltagslogik entspricht es eben im Sinne der jeweiligen Denke des Denkenden, der Wahrheit.
Was solls?
Das tangiert mich doch nur, wenn etwas nicht so funktioniert wie von mir erwartet.

Gerlind schrieb am 03.09.2020:was bedeutet es, die Wahrheit zu kennen

Im Grunde ist die Naturwissenschaft bei dieser Frage "aussen vor", wenn ich den Hintergrund Deines Gedankenanstosses richtig interpretiere.

Es geht nach meinem Gefuehl um Wahrnehmung, daraus kann man Wahrheit erkennen. Ob diese Erkenntnis dann zunaechst erst einmal "behindert", ist individuell unterschiedlich.
A la longue ist sie aber ein Mehrwert.

Spitzberger schrieb:Ob diese Erkenntnis dann zunaechst erst einmal "behindert", ist individuell unterschiedlich.

Sinn? Zweifelhaft.

Gerlind schrieb am 01.09.2020:Ist es nötig , Mathematik und Physik heranzuziehen in philosophischen Diskussionen ?

Jau... Mathematik und Physik sind m. E. Resultate philosophischer Überlegungen.

Gwyddion schrieb:Jau... Mathematik und Physik sind m. E. Resultate philosophischer Überlegungen.

Sicher auch zT.

Naturwissenschaftliche Beobachtungen, Sinneseidrücke aller Art, die Wechselwirkung zwischen dem Individuum und der Welt stehen hier wohl am Anfang. Daraus wurde zunächst das, was man später unter Physik zusammen gefasst hatte.

Mathematik ist dann das Ordnungssystem mit dem man das Erfassbare in der Welt kategorisiert und in verschiedene Verhältnisse oder Beziehungen setzt.

Um mal auf die Frage von @Gerlind zurück zu kommen:

Es ist spätestens dann nötig, wenn Physik oder Mathematik eine Relevanz im Thema haben. Philosophiert man über Sachverhalte, die diese Teilbereiche nicht tangieren, sind sie natürlich auch nicht nötig. Wobei man hier anmerken sollte, dass gerade Physik so ziemlich alles bedingt, wenn man nur tief genug ins Thema einsteigt.

@Gerlind
Niemand kann mit absoluter Gewissheit sagen, was wahr ist. Ob es überhaupt unbezweifelbare Gewissheiten gibt ist ja eine Kernfrage der Philosophie, man denke an Descartes "cogito ergo sum" oder Sokrates "ich weiß, dass ich nichts weiß".
Das bedeutet aber nicht das Philosophie beliebig ist oder jedes Geschwätz sofort philosophisch sein muss.
Und wenn man Themen betrachten will, die einen Bezug zu bestimmten Wissenschaft haben, ist es natürlich sinnvoll sich damit zu beschäftigen. Wenn ich aus philosophischen Gründen schlussfolgere die Erde muss eine Scheibe sein und der Astronaut sagt mir das ich irre, dann ist das schon hilfreich.
Das die Physik oder Mathematik allerdings immer das letzte Wort hätten stimmt so sicher auch nicht, beides wird deutlich überschätzt. Das liegt aber auch am unglaublichen Erfolg beider Disziplinen.

paxito schrieb:Das die Physik oder Mathematik allerdings immer das letzte Wort hätten stimmt so sicher auch nicht, beides wird deutlich überschätzt.

Wer wann wo wie und warum das letzte Wort hat hängt eindeutig davon ab, um welches Thema es geht.

Im Übrigen kann Physik gar nicht überschätzt werden.

@off-peak
Klassisches Beispiel wo Physik überschätzt wird ist die Frage des freien Willens.

paxito schrieb:Klassisches Beispiel wo Physik überschätzt wird ist die Frage des freien Willens.

Klassisches Beispiel für einen Schlussfolgerungsfehler: Die Frage des Freien Willens hat nichts mit Physik zu tun.
Die gehört in die Bereiche Neurologie und Psychologie.

@off-peak
Nein, beides nicht. War und ist ein philosophisches Problem.

paxito schrieb:Nein, beides nicht. War und ist ein philosophisches Problem.

Dünn.
@off-peak hat dir aufgezeigt, wo der "freie Wille" zu verorten ist. Und genau da kann man thematisch ansetzen.
Dieses ausweichend zu etwas Philosophischem zu wuppen, wirft den Ball nun aber ins Nichts.

@FlamingO @off-peak
Die Diskussion gehört hier m.E. nicht hin, da es um Wahrheit und nicht Willensfreiheit geht. Es sollte nur ein Beispiel sein.
Um aber diesen Vorwurf so nicht stehen zu lassen:
Physik & Neurowissenschaften und je nach Verständnis auch die Psychologie gehen von einem deterministischen Weltbild aus. Das ist an sich völlig unproblematisch, schließt aber die Existenz des freien Willen grundsätzlich aus. Dann wird aber jeder "Beweis" das es keinen freien Willen gibt absurd, man beweist was man vorraussetzt.
Die Darstellung ist verkürzt, skizziert aber das Problem. Dabei handelt es sich nicht um eine verrückte Idee meinerseits, sondern um den Common Sense der meisten mir bekannten aktuellen Philosophen.
Eine interessante Ausnahme wäre Pauen, der oft in dem Zusammenhang auftaucht und Alternativen aufzeigt.

paxito schrieb:Das ist an sich völlig unproblematisch, schließt aber die Existenz des freien Willen grundsätzlich aus

Inwiefern?