@BioGenEthiker BioGenEthiker schrieb:Im Gegensatz zu einer Seele hat man aber bei der DM das Indiz der gravitativen Auswirkungen bei großskaligen Materieanhäufungen. Was hat man aber in Bezug auf die Existenz der Seele vorzuweisen?
Richtig, man kann Abweichungen bei der beobachteten Umlaufgeschwindigkeit von Sternen in den Außenbereichen von Galaxien beobachten. Aber wir reden ja nicht über den Nachweis genannter Abweichungen, sondern über den von "Dunkler Materie".
BioGenEthiker schrieb:Möglich, dass Du das so eingrenzt, aber über die Beschaffenheit dieses Konzepts wird so referiert, als wäre die Seele tatsächlich ein Ding, das auf physische Prozesse des Körpers dergestalt interagiert, dass daraus Lebendigkeit sowie subjektives Empfinden entstehen. Und das ist dann sehr wohl Gegenstand naturwissenschaftlicher Erforschung - einschließlich der Möglichkeit der Falsifizierung.
Das musst du mit denen ausmachen, welche die Seele als eine Art "Ding" verstehen. Dass die Seele ein Ding sei, ist jedenfalls kein analytisches Urteil a priori, d.h. kein notwendiger Bestandteil des Begriffs. Und auch bei der Frage, ob es sich bei der Seele um etwas Materielles oder Immaterielles handelt, scheiden sich die Geister. Richtig ist aber natürlich, dass das aus methodischer Sicht alles letztendlich Untersuchungsgegenstand naturwissenschaftlicher Forschung ist, zumindest im Prinzip. Denn ob es Untersuchungsgegenstand gegenwärtiger Forschung ist oder sein kann, oder nicht vielleicht erst zukünftiger Forschung, ist auch noch einmal so eine Sache...
BioGenEthiker schrieb:Analog trifft das auf das Bewusstsein zu. Aus dem Messen der Hirnaktivitäten kann man ableiten, ob ein Mensch bei Bewusstsein ist oder nicht
Nö, da vereinfachst du die Dinge lediglich in naiver Weise. Und das Problem sollte spätestens dann klar werden, wenn wir uns bspw. fragen, ob etwa eine KI wie
Jules oder
Sophia (oder künftige Modelle) eine Art Bewusstsein besitzen. Oder ob etwa Fische tatsächlich Schmerzen empfinden oder bspw. auch Bienen so etwas wie ein Bewusstsein besitzen.
BioGenEthiker schrieb:...wobei "bei Bewusstsein sein" bereits eine semantische Falle ist, in die man tappt, wenn man es mit der Substantivierung von Verben bzw. Adjektiven übertreibt. Mit Bewusstsein wird ja zum einen der Wachzustand bezeichnet und zum anderen der Umstand, sich seiner selbst bewusst zu sein. Und beides lässt sich aus der Messung der Hirnaktivitäten ableiten.
Ja, prima, vielleicht ist ja die Auffassung von der Seele als eine Art "Ding" ebenfalls nur eine semantische Falle...
BioGenEthiker schrieb:Wie sieht es aber diesbezüglich mit der Seele aus?
Das musst du die fragen, die eine ganz konkrete Vorstellung von "Seele" im Kopf spazieren tragen. Und die dir dann bspw. sagen können, ob sie unter "Seele" nun gerade eine Art "Ding", "Muster", "Prozess" oder weiß der Geier was verstehen. Oder ob sie darunter etwas "Materielles" oder "Immaterielles" verstehen. Und so weiter und so fort...
Du willst sämtliche Vorstellungen mit einem Schlag widerlegen, aber so funktioniert das eben nicht. Hier lohnt bspw. einfach mal ein Blick in die Geschichte der Atomistik, die unzähligen Vorstellungen und Modelle, wie sie sich im Laufe der Zeit immer wieder wandelten, und auch in die ganzen Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern - Schopenhauer bspw. hat da ja seinerseits auch ganz "clever" argumentiert und die Existenz von "Atomen" zu widerlegen versucht...
Hier mal ein kurzer Auszug (Schopenhauer seinerzeit über die Atomistik):
"Aber nun gar die von den Franzosen ausgegangenen Konstruktionen des Lichts aus Molekülen und Atomen sind eine empörende Absurdität. Als einen schreienden Ausdruck derselben, wie überhaupt der ganzen Atomistik, kann man einen im Aprilheft der Annales de chimie et physique von 1835 befindlichen Aufsatz über Licht und Wärme, von dem sonst so scharfsinnigen Ampère, betrachten. Da besteht Festes, Flüssiges und Elastisches aus den selben Atomen, und aus deren Aggregation allein entspringen alle Unterschiede: ja, es wird gesagt, daß zwar der Raum ins Unendliche theilbar sei, aber nicht die Materie; weil, wenn die Theilung bis zu den Atomen gelangt sei, die fernere Theilung in die Zwischenräume der Atome fallen müsse! Da sind dann Licht und Wärme Vibrationen der Atome, der Schall hingegen eine Vibration der aus den Atomen zusammengesetzten Molekülen. – In Wahrheit aber sind die Atome eine fixe Idee der französischen Gelehrten;[353] daher diese eben von ihnen reden, als hätten sie sie gesehn. Außerdem müßte man sich wundern, daß eine so empirisch gesinnte Nation, eine solche matter of fact nation, wie die Franzosen, so fest an einer völlig transscendenten, alle Möglichkeit der Erfahrung überfliegenden Hypothese halten und darauf getrost ins weite Blaue hineinbauen kann. Dies ist nun eben eine Folge des zurückgebliebenen Zustandes der von ihnen so sehr vermiedenen Metaphysik welche durch den, bei allem guten Willen, seichten und mit Urtheilskraft sehr dürftig begabten Herrn Cousin schlecht vertreten wird."http://www.zeno.org/Philosophie/M/Schopenhauer,+Arthur/Die+Welt+als+Wille+und+Vorstellung/Zweiter+Band/Erg%C3%A4nzungen+zum+zweiten+Buch/23.+Ueber+die+Objektivation+des+Willens+in+der+erkenntni%C3%9Flosen+NaturUnd irgendwie fühle ich mich hier bei diesen ganzen Debatten um eine Art "Seele" nur allzu sehr an so manche Argumentation von Gegnern der Atomistik vergangener Zeiten erinnert...