@oneisenough So nun zu deinen Beitrag und Danke für dein Lob.
oneisenough schrieb:Ich würde gerne das Beobachten als solches genauer hinterfragen wollen, also den Vorgang des Beobachtens selbst und nicht allein das, was beobachtet werden kann.
Okay, ich werde mich auf Beobachtung beziehen, im Sinne der alltäglichen Wahrnehmung, und dabei explizit die Beobachtung als wissenschaftliche Methode (zunächst!) ausblenden.
oneisenough schrieb:Die Tatsache, dass es Beobachtung (im Sinne von Wahrnehmung) gibt, ist offensichtlich unstrittig. Wir alle können es bestätigen. Ob wir nun einen Gegenstand beobachten, ob ich einen Geruch wahrnehme, ob ich einen Gedanken oder ein Gefühl bemerke, all das kann als Beobachtung verstanden werden.
Nun, ich kann für mich behaupten, dass es da einen mentalen Zustand gibt (visuell-räumliche Rezeption), der mich glauben macht etwas zu beobachten. Das ich so vorsichtig formuliere, hat einen bestimmten Grund, den ich weiter unten wieder wortreich ausformuliere werde. Ich unterstelle dir, dass du ähnliche mentale Zustände hast. Die Beobachtung ist ja eine Art "Erkläungsmodell" für den Umstand, z.B. dass ich glaube, dass ich gerade auf eine silbernen Tastatur tippe und jede meiner Handlungsweisen bezogen auf die Tastatur, eine Wirkung auf die Tastatur, den Verarbeitungsprozesse im Inneren des Computers (von den ich wiederum ein bestimmtes Erklärungsmodell im Kopf habe) und dem Erscheinen von Buchstaben auf dem Notebook-Display hat. Ich denke, es ist vernünftig so ein Kausalmodell anzunehmen.
Von daher teile ich deine Auffassung.
oneisenough schrieb:Da gibt es also diese Fähigkeit, die es sowohl uns wie auch allen anderen Lebewesen ermöglicht, etwas bemerken zu können. Die Beobachtungsqualitäten selbst sind sehr unterschiedlich, aber das Vorhandensein eines grundsätzlichen Beobachtens gilt für alle Lebewesen. Ich denke da beispielsweise an unsere sinnlichen Qualitäten, oder an die sensorischen Fähigkeiten, die wir im Tier- und Pflanzenbereich bemerken können. Auch hier ist es unstrittig, dass es Beobachtung gibt, denn sie ist die Grundlage für alle Aktionen und Reaktionen, die ein Lebewesen jeweils zum Ausdruck bringt.
Auch hier d'accord. So wird, wenn auch mit mehr Präzision, auch in der (Allgemeinen) Psychologie dieser Umstand erklärt. Aus meiner Sicht ist das recht vernünftig. Die Beobachtung als Tätigkeit bei Lebewesen bzw. als Erklärungsmodell ist ein vernünftiges, sowohl in meiner Alltagserfahrung, als auch als wissenschaftliche Basis.
oneisenough schrieb:Wenn wir uns nun den Vorgang des Beobachtens genauer ansehen, dann kann ich für diesen Vorgang, ganz allgemein gesagt, drei unterschiedliche Elemente klassifizieren, die es für eine Beobachtung bedarf, damit sie überhaupt zustande kommt. Die drei Elemente sind:
1) der Beobachter
2) das Beobachtete
3) die Fähigkeit des Beobachtens
Genau, jedes deiner aufgezählten Elemente spielt eine Rolle bei der Beobachtung. Eine Beobachtung ist nur dann eine Beobachtung, wenn ich als Beobachter etwas anderes, nämlich das Beobachtete, dass zu mir in einer gewissen Relation vorhanden ist, als sinnlich wahrnehmen kann. Aber dies ist nur dann möglich, wenn ich als Beobachter, die Disposition zum Beobachten habe, also die Sinne und die kognitiven Fähigkeiten die Sinnesdaten aus der Außenwelt zu verarbeiten UND daraus logische Schlüsse zu ziehen. Auch dieses Erklärungsmodell ist für mich recht eingängig. Ich denke, soweit wird dir auch jeder Leser zu stimmen.
oneisenough schrieb:Wenn eines dieser Elemente fehlt, kommt keine Beobachtung zustande. Das kann man jederzeit überprüfen und man wird feststellen, dass es stimmt.
Ja, aber! Ja, wenn du Beobachtung so definierst, wie wir es oben definiert haben. Bei der Wahrnehmung und den daraus folgenden kognitiven Prozessen muss ich unten ein wichtiges ABER nachschieben. Aber ausgehend von deiner Definition stimme ich dir zu. #
oneisenough schrieb:Weiterhin fällt auf, dass eine Beobachtung immer darauf hinweist, dass es eine Distanz geben muss zwischen dem Beobachter und dem, was er beobachtet. Warum? Weil man ohne eine Distanz nicht mehr zwischen dem Beobachter und dem, was er beobachtet, unterscheiden könnte. Wir alle wissen: Man kann nur dann etwas erkennen, wenn es einen Unterschied (in welcher Form auch immer) zu etwas anderem zeigt. Ohne Unterschiede könnten wir nicht sagen "Da ist etwas." Distanz ist also ebenfalls etwas Fundamentales, damit eine Beobachtung überhaupt zustande kommen kann.
So mein lieber oneisenough, jetzt wird's haarig (nicht deine Ausführung, die war sehr gut, sondern das Problem berührt jetzt eine Grenze, die zwischen Psychologie und Philosophie verläuft. An der Grenze gibt's üblicherweise eine Menge Krach). Zunächst muss ich dir als Philosophie-Begeisterte loben für explizit diesen Gedanken:
oneisenough schrieb: Man kann nur dann etwas erkennen, wenn es einen Unterschied (in welcher Form auch immer) zu etwas anderem zeigt. Ohne Unterschiede könnten wir nicht sagen "Da ist etwas." Distanz ist also ebenfalls etwas Fundamentales, damit eine Beobachtung überhaupt zustande kommen kann.
Und doch kollidiert das mit diesem Gedanken:
oneisenough schrieb:Mit diesen drei Elementen und der Berücksichtung der Distanz kommt man nun zwangsläufig zu der Schlußfolgerung:
Alles, was ich beobachten kann, kann unmöglich ich sein.
Nun um ehrlich zu sein, gibt es das unterschiedliche Positionen und keine davon vertrete ich mit völliger Überzeugtheit. Ich kann daher nur meine Ansicht wiedergeben, die sicherlich nicht frei von Mängel sein wird.
Doch fügen wir deinem Gedanken, noch deine weiteren Schlussfolgerungen zu:
oneisenough schrieb:Wenn es nun etwas gibt, von dem ich sage "Das bin ich" oder "Ich bemerke dieses oder jenes" (was als als mir zugehörig empfinde), dann ist es allenfalls etwas Zusätzliches, was mich jeweils repräsentiert, aber es nicht das reine Original von mir. Egal, was ich auch tue, mache, denke, fühle oder was auch immer ich bemerken kann: Ich kann unmöglich Dasselbe sein, wie das, was ich jeweils bemerken kann.
Anfang des 20. Jahrhundert gab es in der Psychologie eine Richtung, die sich Bewusstseinspsychologie nannte, ausgelöst von einem Forscher (Willhelm Wundt) der in Leipzig ansässig war. Damals hatte sich die Psychologie, als eine der letzten "Naturwissenschaften" von der Philosophie gelöst. Was die Philosophie doch recht getroffen hat, um ehrlich zu sein. Wundt versuchte die jeweils kleinste elementare psychische Einheit zu "entdecken" mit der sogenannten Introspektion. Introspektion ist eine Methode der Wissenschaft und bedeutet etymologisch als auch inhaltlich Selbstbeobachtung. Diese Methode ist allerdings recht schwierig zu legitimieren. Grob gesagt: Bei der Selbstbeobachtung werden Individuen bestimmten Reizen ausgesetzt und daraufhin sollen sie ihr Erleben preisgeben.
Die Schwierigkeit ist allerdings zunächst zu erklären, wie diese Methode überhaupt funktioniert: Den die Beobachtung innerer Vorgänge, erfordert dass das Subjekt Beobachtung, das zu Beobachtende und den Beobachter simultan (!) generiert.
Aus meiner Sicht, die ich in diesem Thread dargelegt habe, wird das Problem sogar noch verschärft: Da das Subjekt ja nur sich selbst erleben kann und "nur" Modelle über die Welt besitzt, muss das Subjekt nicht nur ein Modell über sich haben (was es ja auch haben muss, denn auch das Ich ist ja ein Modell), es muss ein Modell (ICH) in einem Modell (ICH beobachte mich) in einem Modell (Ich beobachte mich, wie ich mich beobachte) haben. Da kann man als Philosoph schon kritisch nachfragen, wo denn dann das Ich geblieben ist? Kann ich eigentlich mich überhaupt beobachten?
Ich muss mich bei der Selbstbeobachtung mich selbst "weg"-verorten, und quasi mit einer gedachten Vogelperspektive mich selbst beobachten. Aber das ist absurd. Denn ich kann mich selbst nicht wegdenken und quasi als ICH 2.0 auf ICH 1.0 draufschauen. Wir können nicht aus unser Subjektsein ausbrechen. Also kann keine Selbstbeobachtung MEIN ganzes Subjektsein beobachten, allenfalls Ausschnitte.
Ich beobachte nicht mich, sondern ich beobachte bestimmte Aspekte bei mir, von den ich glaube (!), dass sie zu mir gehörig sind. Aber was ich als Subjekt bin, selbst das weiß ich nicht sicher, da das Subjekt die Obermenge aller Dinge sind, die mir im Leben durch mir erscheinen. Wenn das stimmt, dann kann ein Ich aber nicht identisch mit den Subjekt sein (sonst müssten beide die gleichen Eigenschaften haben nachdem Leibnitz Prinzip des Ununterscheidbaren des Identischen). Das Ich ist demnach nur eine (echte) Teilmenge der Obermenge Subjekt. Eine Selbstbeobachtung kann aber ihrerseits nicht das Ich in voller Form erfassen, denn das Ich IST ja der Beobachter. Also ist das selbstbeobachtete Teil meiners Selbst, wiederum eine (echte) Teilmenge der (echten) Teilmenge ICH der Obermenge Subjekt.
Aber das ist schon arg kompliziert und intellektuell verquasselt, muss sogar ich zugeben. Übrigens hat William James, ein Philosoph und Psychologe, dies in mit seinen Begriff I und Me ausgedrückt. Das Selbst ist die Obermenge allen Seins (das mir widerfährt), und I als Ich-als-Subjekt und Me als Ich-als-Objekt sind (echte) Teilmengen des Seins. Wobei das I der aktive Akteur des Selbst ist, der auf das Me zugreift. Das Me kann man sich Ort allen Informationen über das Ich vorstellen. Es ist aber nicht der Ort, der wirklich alle Informationen über das Selbst beherbergt. Den mag es vielleicht geben, aber das spielt keine Rolle, denn wir können nur auf das Me zugreifen. Puh... ziemliche Gedankenakrobatik.
Die Selbstbeobachtung als wissenschaftliche Methode wurde übrigens schnell abgelegt. (was danach in der Psychologiegeschichte folgte war zwar nicht besser, aber das ist eine andere Diskussion...) Übrigens heißt das nicht das es Selbstbeobachtung nicht gibt - auch das wäre eine absurde Annahme. Natürlich beobachte ich mich in diesem Moment selbst, aber die Erklärung wie dieses funktionieren könnte ist bislang nicht gefunden. Es hat auch damit zu tun, dass wir nur eingeschränkte Beobachtungsmöglichkeit unserer Kognition haben. Aber dazu mehr in einem anderen Post...
Ich muss ehrlich zugeben, dass hier mein Wissen über das Selbst endet. Die Philosophie hat darüber geschrieben und viele Positionen entwickelt. Keine ist aber so dermaßen überzeugend, dass ich sie vertreten könnte. Zudem habe ich auch nicht gelesen oder jede Frage durchdacht ;-)...
Ich bin geneigt deiner Schlussfolgerungen recht zu geben und belegen möchte ich sie mit der ordinären Psychologie. Aus der Sozialpsychologie weiß ich, dass die Selbstwahrnehmung immer geprägt sind von Täuschungen. Einiges was du an dir wahrnimmst, ist tatsächlich nicht das, was dich ausmacht. Allerdings war deine Schlussfolgerung durchaus NOCH tiefergehend.
Die philosophische Frage die ich mir stelle bei der Sozialpsychologie. Wo ist dann der Ort meines objektiven Subjektes? Das ist doch ein Widerspruch? Ich muss mich als Subjekt als Objekt denken, das irgendwie beschaffen ist, aber weder ich, noch ein anderer kann dieses Objekt erkennen? Ist dann eine solche Annahme denn überhaupt sinnvoll?
Dein Satz gefällt mir gut:
oneisenough schrieb:Ich kann unmöglich Dasselbe sein, wie das, was ich jeweils bemerken kann.
Ich gehe übrigens gleich ins Pub und drinke Bier. Möglicherweise kann ich meine Gedanke zu diesen Satz präzisieren. Aber auf jeden Fall ein guter (und schwieriger) Gedanke! :-)
Ich habe noch einen Punkt, den ich ausformulieren möchte und der mir wichtig erscheint. Aber das mache ich später.
Bis dahin, ein schönes weiterphilosophieren...
:-)