Was ist Wirklich?
19.07.2013 um 22:02Ursache und Wirkung
-Verpeilt- schrieb:Entscheidend ist doch der "Empfänger" also derjenige oder dasjenige was Wahrnimmt. Das beschränkt sich m.E. nicht alleine auf physikalische Abläufe (im materiellen Sinne) und auf Humanoide Wesen.
oneisenough schrieb:Wenn mit Wirklichkeit nicht alle Arten von Wirkungen gemeint sein sollen, was kannst du denn anstelle von Wirkungen noch bemerken?Ich habe das Gefühl, dass wir die Diskussion schon einmal hatten;-). Ich habe diesen Gedanken schon einmal mit zahlreichen Überlegungen gekontert. Vor allem hab ich das Schlafbeispiel genannt, Neo aus Matrix und die generelle Schwierigkeit etwas "wirkliches" zu erkennen, da bereits hier eine harte Erkenntnisgrenze vorliegt (nach meiner Ansicht). Sollte aber all dies schon vergessen sein und sollte es gewünscht werden, werde ich diese Punkte noch einmal prägnant formulieren.
Was gibt es dann noch Zusätzliches für dich, dem du den Begriff "wirklich" eher zuordnen möchtest?
Jetzt hast du mich ganz neugierig gemacht ...
Anhalter62 schrieb:Dann beherrschen z.B. auch Ameisen oder Bienen eine symbolhafte Kommunikation . Was für den einen Instinkt ist - ist für den nächsten schon Intelligenz ? Das wär schon ganz schön hoch gegriffen.Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, wie du zu diesen Gedankengang kommst, bzw. wo du diesen Gedankengang bei mir heraus gelesen haben willst. Symbolhafte Kommunikation ist zunächst mal eine grundlegende Beschreibung dafür, dass wir einen Syntax mit Symbolen jeglicher Art nutzen können (Laute, Zeichen, Gestik etc.) und diese Symbole in gewissen Kontexten und Konstellationen mit Bedeutung füllen können (was wiederum die Semantik beschreiben möchte). Um einen Gedanken zu haben, und nicht nur einen losen und ungeordneten Affekt, dann muss man in seinem Gedanken zeitliche und Bedeutungsbezüge herstellen (Gedanken logisch anordnen).
Symbolhafte Kommunikation beherrschen jedenfalls etliche Tierarten ohne Gedanken zu formulieren - Gedanken anordnen, hier sag ich auf jeden Fall Ja bei vielen Tierarten.
Anhalter62 schrieb:Erstmal versteh ich überhaupt nicht warum Du den Mensch so hoch über Tiere stellst.Ich versteh natürlich was du ausdrücken willst, und dein Gedanke ist sicherlich auch klug. Aus der Beschreibung der Tatsache, dass der Mensch über ein ganzes Arsenal an Sprachen und para-verbaler und non-verbaler Kommunikationsmittel verfügt, folgt ja nicht die Wertung gut bzw. schlecht oder ein Hierarchisieren im Tierreich, die sich meiner Meinung schon deshalb verbietet, weil die Lebewesen untereinander in großen Abhängigkeiten leben (übrigens auch der Mensch). Hoch differentielle Kommunikation ist eine Spezialität des Menschen. Und es ist übrigens auch seine einzige, denn der Mensch ist ansonsten ein ziemlich "durchschnittliches Tier" hinsichtlich der Ausprägung körperlicher Merkmalen und Fertigkeiten. Dennoch ist es doch total verfehlt herablassend als Mensch auf die Menschen zu sehen, denn das aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt.
Für mich ist der Mensch im Grunde nur ein vernunftbegabtes Tier, welches sich einbildet die Welt beherrschen zu können. Aber im Grunde wissen wir nichts! Wir verstehen die Sprache der Delphine nicht - wir begreifen nicht wie das Weltall aufgebaut ist, wir können Vulkanausbrüche nicht exakt voraussagen ( selbst hier sind uns manche Tiere überlegen ) usw.
Das ist für mich Wirklichkeit - zu begreifen unsere eigenen Unfähigkeiten und sich nicht aufzuspielen als Gott auf Erden! Der Mann im Film hätte genauso über Ameisen oder Bienen reden können, denn er hat ja aufgezeigt wie unfähig sich viele Menschen benehmen in punkto Kommunikationsvermittlung.
Wir sind dem Wahnsinn schon sehr nahe mit der Zerstörung unserer Umwelt! Wer das nicht begreift tut mir echt leid irgendwie ...
Chomsky schrieb:Vor allem hab ich das Schlafbeispiel genannt, Neo aus Matrix und die generelle Schwierigkeit etwas "wirkliches" zu erkennen,Diese generelle Schwierigkeit, die du hier vermutest, mag für dich gelten, aber nicht für mich. Für mich gibt es überhaupt keine Schwierigkeit, eine Wirklichkeit zu bemerken oder zu beschreiben. Und weißt du was, - ich bin mir absolut sicher, dass das, was ich nun dazu schreiben werde, auch für dich gilt:
oneisenough schrieb:Denn die Tatsache, dass du eine Wirkung erfährst (egal welche) und sie damit zu einem Teil deiner Wirklichkeit geworden ist, ist von keiner generellen Schwierigkeit umgeben.Steile These ;-).
oneisenough schrieb:Ich will es mal kurz zusammenfassen, was ich als Wirklichkeit bezeichne:Und das ist genau der Punkt. So wie du Wirklichkeit definierst und wie du darauf deine Argumentation aufbaust ist an sich völlig okay. Aber es gibt auch noch andere Definitionen von Wirklichkeit, und selbst die Philosophen haben Wirklichkeit je für ihre Zwecke definiert. Aber Definitionen sind nicht beliebig, denn sie beschreiben jeweils Probleme. Mit deiner Wirklichkeitsdefinition kannst du gar nicht meine Probleme tangieren und ich kann dir nichts entgegen halten innerhalb deiner Definition und deiner Argumentation, solange sie den Ansprüchen eines rationalen und logischen Schlusses genügen.
oneisenough schrieb:"Mit genereller Schwierigkeit" könntest du allenfalls meinen, ob du jemanden findest, der deine Wirklichkeit ausmachenden, sinnlichen und kognitiven Fähigkeiten bestätigen kann oder nicht. Du willst eine Gewissheit haben, ob da tatsächlich ein Gemälde an der Wand hängt, welches du ohne eine generelle Schwierigkeit tatsächlich siehst, oder ob es nur ein Fantasieprodukt von dir ist. Auch das wäre zwar Teil deiner Wirklichkeit, aber es gäbe niemanden, der es bestätigen könnte. Das ist es wohl, was du als generelle Schwierigkeit bezeichnest. Ist es nicht so?So ähnlich. Bei mir geht es um die Frage, was denn nun, von dem was ich wahrnehme, nun "wahr" bzw. "wirklich". Mein Wirklichkeitsbegriff ist dahingehend anspruchvoller, weil das Subjekt, wie ich bereits wortreich dargelegt habe, ja nur eine wirklich Gewissheit haben kann, alles andere kann Schein sein. Dieser Wirklichkeitsbegriff ist tief verwurzelt mit der Philosophie und findet sich heute in der Wissenschaftstheorie als enorm wichtiges Konstrukt wieder.
Chomsky schrieb:Aber es gibt auch noch andere Definitionen von Wirklichkeit, und selbst die Philosophen haben Wirklichkeit je für ihre Zwecke definiert. Aber Definitionen sind nicht beliebig, denn sie beschreiben jeweils Probleme.Jede Definition hat den Anspruch so präzise wie möglich zu sein, und nicht so allgemein wie möglich. Ich denke, da sind wir uns einig.
oneisenough schrieb:Jede Definition hat den Anspruch so präzise wie möglich zu sein, und nicht so allgemein wie möglich. Ich denke, da sind wir uns einig.Ich vermute du hast nicht verstanden was ich mit den vorherigen Post sagen wollte, was ich natürlich nicht dir anlaste, sondern eher meinen verschwurbelten Schreibstil. Definitionen beinhalten immer eine Extension und eine Intension. Intension umfasst die Merkmale eines Begriffes und Extension alle Phänomene und Erscheinungen die unter den Begriff fallen. Ich glaube, dass wir beide zwar EINEN Begriff (Wirklichkeit) verwenden, aber mit jeweils unterschiedlicher Intension und folglich Extension füllen. Das ist noch nicht einmal verwerflich, solange wir uns des Unterschieds bewusst sind. Von daher brauchen wir noch nicht einmal Kontroverse, weil unsere Begriffe und die Probleme dahinter sich nicht tangieren. Die Präzision einer Definition ist übrigens recht schwammig formuliert, denn was soll denn die Präzision im konkreten sein? Definitionen müssen übrigens auch so allgemein wie möglich über ihren Definitionsbereich Auskunft geben, ohne zu stark ins Detail zu gehen...
oneisenough schrieb:Was könnte man definieren, was noch niemand mit seinen kognitiven Fähigkeiten in welcher Form auch immer jemals erfahren hat, und es bereits als "wirklich" bezeichnen?Ich behaupte auch nicht das Gegenteil und gebe dir Recht. Aber genau DIESER Umstand ist es doch, der letztlich die harte Erkenntnisgrenze auszeichnet. Denn die Wirklichkeit ist ja mehr als Summe unserer Wahrnehmungen (wenn sie überhaupt so beschaffen ist, wie wir sie wahrnehmen). Und die Wirklichkeit wird auch mehr sein, als die Summe...
oneisenough schrieb:Ich habe mal mit jemandem diskutiert, der an dieser Stelle ein Schwarzes Loch nannte und argumentierte: "Wir wissen, dass es so etwas gibt, weil man es indirekt nachweisen kann, aber noch niemand hat jemals ein Schwarzes Loch mit seinen kognitiven Fähigkeiten bemerkt." Daraufhin sagte ich: "Aber du hast es doch auch gerade getan. Oder hälst du die in deinem Bewusstsein befindliche Vorstellung dessen, was als Schwarzes Loch repräsentiert ist, für nicht wirklich? Wäre sie nicht wirklich, wieso kannst du mir denn etwas über diese Vorstellung erzählen?"...unserer Messungen. Zudem kann es nicht sein, dass die Vorstellungen, nur weil es gibt, etwas über die Wirklichkeit (der Welt) aussagt. Ich kann mir einen pinken Panther mit gelben Streifen vorstellen, aber muss es ihn dann auch geben? Nein, in diesem Sinne ist er "möglicherweise" (!) nicht wirklich. (Auch wenn wir nie letztgültige Sicherheit in diesem Punkt haben werden... denn der Panther könnt es vielleicht doch geben)
Chomsky schrieb:Man kann zwar sowas wie einen pinken Elefanten denken oder sonstige Dinge, aber das sind immer Fragmente von bereits wahrgenommene. Sowas wie eine neue Farbe ist z.B. nicht denkbar.Da bin ich aber anderer Meinung. Genauso wie ich in meinen Gedanken völlig eigene Welten kreiren kann so kann ich mir auch neue Farben denken einfach indem ich das Farbspektrum in meinen Gedanken hochauflösender und differenzierter Betrachte als dies meine Physischen Augen können.
Chomsky schrieb:Natürlich kann aber diese "subjektive Wirklichkeit" nichts über die Wirklichkeit der Welt aussagen. Die bleibt uns doch verschlossenAlle bisherigen Philosophien sowie alle Wissenschaften waren und sind, zumindet dem Tenor nach, immer noch der Überzeugung, es gäbe ein Original und ein Abbild von der Welt. Sie denken: Wenn ich einen Apfel anschaue, dann gibt es zwei von ihm: Ein ORIGINAL, welches zwingend vorhanden sein muss, von dem dann meine Sinne und mein Gehirn und bio-chemische Prozesse ein ABBILD erzeugen können.
FRANKROST schrieb:Ich würde sagen, die Fatamorgana ist echt, nur die Illusion, die sie erzeugt nicht. Die Lichtspiegelung, die zu ihr führt, kann ja von mehreren Menschen wahrgenommen werden, ist also echt (solange wir nicht zu sehr im Konstruktivismus versinken). Man kann ja sehr genau erklären, wie zum Beispiel die spezifische Illusion von Wasser zu stande kommt. Es ist nicht wirklich eingebildet. Man kann es ja sogar fotografieren.
Eine Fatamorgana (Archiv-Version vom 01.07.2013) ist ja auch in Wirklichkeit nicht wirklich, oder?
oneisenough schrieb:Alle bisherigen Philosophien sowie alle Wissenschaften waren und sind, zumindet dem Tenor nach, immer noch der Überzeugung, es gäbe ein Original und ein Abbild von der Welt.Das ist korrekt. Und bislang konnte auch noch kein Wissenschaftler das Gegenteil beweisen.
oneisenough schrieb:Sollte sich mit Hilfe der modernen Wissenschaften, insbesondere den bisherigen und noch folgenden Erkenntnissen der Quantenphysik und der sich noch in den Kinderschuhen befindlichen Nanotechnologie, herausstellen, dass es diese Richtung "zu mir hin" nicht gibt, und wir es nur mit einem Effekt zu tun haben, einem Eindruck, der genau das vermitteln soll, und es sich tatsächlich so verhalten, dass es keine Original/Abbild-Erklärung gibt, dann werden wird es auch sprachlich zum Ausdruck bringen und es nicht mehr Wahrnehmung sondern Wahrgebung nennen.Ja, sollte... das ist bislang aber nur ein Wunschtraum von Dir.
oneisenough schrieb:Die Erschaffung der Welt kann nicht mit einer Interpretation erklärt werden, denn Interpretation ist stets etwas, das einem Beobachtungsvorgang hinzugefügt wird, und nichts, was aus ihm herauskommt.Interpretation meint aber im eigentlichen Sinne nicht eine Hinzufügung einer Beobachtung, sondern eine Erklärung dessen was da ist. Bei einer Gedichtsinterpretation oder Bildinterpretation wird nur auf die Elemente zugegriffen die der Dichter oder Maler auch tatsächlich hinterlassen hat. Die Hinzufügung an sich, ist die eigentliche Interpretation selbst, weil ein Dichter oder Maler zu seinem Werk keine Erklärung abgibt. Man liest also aus dem was vorhanden ist, etwas heraus aber man dichtet ihm nichts zusätzliches an!
oneisenough schrieb:Anders gesagt: Wenn es zwei oder mehr Möglichkeiten gibt, die Welt zu erklären, dann sind bis auf eine Einzige alle anderen falsch. Ich bin äußerst zuversichtlich, dass diese eine Wahrheit alle Interpretationen überdauern wird.Das ist Richtig. Es kann nur eine Wahrheit geben. Daher erklärt es sich durch mein Beispiel auch von selbst, dass jegliche Interpretation im Sinne einer Wahrgebung schonmal nicht die Wahrheit sein kann. Also bliebe noch die Wahrnehmung. Aber auch die hat ihre Tücken, wie weiter oben schon jemand erähnte, bei Halluzinationen nimmt jemand etwas wahr, was ein anderer nicht wahr nimmt. Was ist also wahr? Ich denke daher, die eigene Wahrnehmung darf man nicht einfach als Maßstab aller Dinge nehmen. Sie kann uns auch trügen.
oneisenough schrieb:Die bisher dokumentierte Menschheitsgeschichte ist auch eine Chronologie aller kollektiven Irrtümer. Und ich kann nicht erkennen, warum die seit Jahntausenden favorisierte Original/Abbild-Überzeugung genau diese eine Wahrheit sein sollte. Sie ist es offensichtlich nicht. Denn sobald wir etwas untersuchen, von dem wir sagen, dass es fest und stabil ist und dass da etwas ist, was existiert, dann verschwindet es geradezu im wahrsten Sinne vor unseren Augen und zeigt damit seine wahre Natur.Bis jetzt ist sie es offensichtlich doch, denn einen echten Gegenbeweis im Sinne einer Wahrgebung hat bislang noch niemand erbringen können, auch du nicht. Du sprichst zwar laufend davon, aber es bleibt für mich eine reine und völlig unbewiesene These. Ich habe auch noch nie etwas bei wissenschaftlichen Experimenten verschwinden sehen, was vorher da war. Das gehört eher in den Bereich der Science-Fiction.
was ist wenn diese Welt nicht Real ist wenn sie nur ausgedacht ist damit wir Friedlicher werdenWieso, steckst du etwa voller Wut?
domitian schrieb:Interpretation meint aber im eigentlichen Sinne nicht eine Hinzufügung einer Beobachtung, sondern eine Erklärung dessen was da ist.Du sprichst hier von einer Erklärung dessen, was schon da ist. Das ist jedoch zu spät, um Interpretation als einen Entstehungs- bzw. Erschaffungvorgang zu erklären.
domitian schrieb:Ich habe auch noch nie etwas bei wissenschaftlichen Experimenten verschwinden sehen, was vorher da war. Das gehört eher in den Bereich der Science-Fiction.Alles, was in Experimenten untersucht werden kann, von dem man sagt, es ist stabil und fest, wird verschwinden. Das eine früher, das andere später. Das gehört zum Standardwissen und hat nix mit Science-Fiction zu tun. Dass du davon noch nichts gehört haben magst, ist durchaus möglich.
domitian schrieb:Ich verstehe unter Wahrgebung etwas anderes. Das ist der Teil, der noch zusätzlich zu dem was wahr genommen wird, von unserem Bewusstsein sozusagen erfunden wird und auf diese Wahrnehmung quasi drauf geschrieben wird.Das klingt eher nach Komplettierung als nach Interpretation.