Anknüpfend an meinen Beitrag vom 16.04.2021 im offenen Thread, der Informationen von Günter Wolf über das Phänomen des Karman-Wirbels und dessen Übertragung auf die Situation am Kholat Syakhl bzw. dem Zeltplatz verarbeitet hat, …
Der Dyatlov-Pass-Vorfall (Seite 679) (Beitrag von Nemon)… geht es jetzt ein paar Schritte weiter.
Günter arbeitet intensiv weiter an dem Thema und hat schon mal aus der Entwurfsphase für die umfassende aktualisierte Ausarbeitung Auszüge bereitgestellt. Das Folgende ist alles von ihm, ich versuche es so gut es geht zu formatieren und hier einzubauen. (Ihr könnt das gerne zitieren, kopieren und auch drüben im offenen Thread verwenden, wenn euch danach ist. Ich poste es hier, damit es nicht sofort verschüttet wird und insgesamt mehr an angemessener Würdigung erfährt.)
Es kommt jetzt eine Menge an Stoff. Vielleicht erschließt sich das nicht sofort, vielleicht schieße ich auch beim Einbau noch ein paar Böcke
:o: Stellt gerne Fragen. Ich bemühe mich dann, Sachverhalte selbst klarzustellen oder das zu Günter herüber und zurück zu moderieren. Er verfolgt das Geschehen hier bei Allmystery.
Jetzt geht’s los:
1. Die Schneefurchen verlaufen vom Hang-Kamm, der eine Nord-Süd Ausrichtung hat, S-förmig um den Berg herum zur geometrischen Mitte. Der Kamm hat oben eine wetterwirksame Länge von rund 2000 m. Die Furchen entstehen vermutlich im Herbst durch Neuschnee beim Auftauen und Gefrieren. Sie verlaufen von West nach Ost.
Die Windfurchen sind ganz eindeutig ein Beleg für Wind, der durch Unterdruck an dem Hang herumgeleitet wird. Sonst müssen sie kürzer sein und sporadisch aufhören. Dieser Wind hat keine normalen Werte, sondern muss schon sehr stark sein ( >/= 20 m/s), nach Günters Schätzung.
Dieser Berg hat ähnliche Steigungen wie die Berge anderer Gebiete, in denen Karman-Wirbel auftreten: Rund 20% Grad. ~11° bis 15°
2. Bei Windgeschwindigkeiten von vermutlich > 20 m/s lösen sich Karmansche Wirbel ab. Die Furchen spielen dann keine Rolle mehr. Unterdruck hält die Wirbel am Berg.
3. Das Wechselspiel der Wirbel (Süd-Nord) erfolgt schlagartig und kann im Originalfilm genau beobachtet werden:
Von Karman vortex street (laminar, detail), Re = 250
Externer Inhalt
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Ab 1:20 (evtl. mit Abspielgeschwindigkeit 0,5 beobachten)4. Die Scherwinde sind gut zu sehen, gelbes Oval
(rechts, parallel dargestellt, das WAB-Szenario im Talkessel).
Original anzeigen (0,2 MB)5. Der Umschlag (siehe Bilder unten, gelbe Kreise) findet im Film in Bruchteilen von Sekunden statt. Druckunterschiede sind die Ursache dafür. Auf den Kholat bezogen, sind das rund 1.000 m. Die Zeit ist bis heute nicht gemessen worden (bei 20 Sekunden wären das lokal noch 180 m/s). Das erzeugt vermutlich mit seinen großen Luftmassen sehr starken Infraschall und gefährliche Windsprünge.
IS: Mittlere Wahrscheinlichkeit sehr hohe Wirkung.
6. Der Hang über dem Zelt wird chaotische Wirbel ab > 20 m/s erzeugen. Mit einer Länge von rund 300 m und den ebenfalls großen beteiligten Luftmassen ist die vermutete Erzeugung von IS sehr groß.
IS: Hohe Wahrscheinlichkeit mittlere Wirkung.
7. Das Zelt erzeugt mit seinen Flatterbewegungen vermutlich auch IS. Da die Masse der Luft gering ist, wird der Effekt klein ausfallen. Aber man muss bedenken, dass der IS direkt dort erzeugt wird, wo die Gruppe war.
IS: Hohe Wahrscheinlichkeit mittlere bis geringe Wirkung.8. Das Tal direkt nördlich des Zeltes, in dem WAB die IS-Quelle vermutet, hat ein riesiges Luftvolumen. Sollte die Theorie stimmen, dass ein entsprechender Wind die Luft zu IS anregt, wäre die Auswirkung bei entsprechender Windrichtung zum Zelt immens. Dieser IS wäre aber an sehr viele Bedingungen geknüpft.
Da das Tal nach Osten offen ist und nach oben sowieso, müsste die Windrichtung und Windgeschwindigkeit exakt stimmen. Wahrscheinlich noch eine Inversionswetterlage. Der Wind könnte aus W oder NNW bis N einströmen und die Windgeschwindigkeit müsste genau den Wert haben, dass Luft im Kessel bleibt und zu rotieren beginnt.
Westwind würde die Luftmassen wahrscheinlich nach Osten, Talabwärts herausdrängen.
Diese Theorie ist möglich, aber sehr selten würden diese Bedingungen anzutreffen sein.
IS: Sehr geringe Wahrscheinlichkeit aber extrem große Wirkung. Widersprechen die IS-Theorien von G. Wolf denen von WAB?
Nein, beide haben die gleiche Berechtigung vermutet zu werden, bis Messungen diese Quellen spezifizieren oder widerlegen.Das Interessante ist, dass diese Effekte heutzutage gut zu messen sind. Die Ausrüstung kostet rund 5000 €. Messen können das allerdings nur Personen mit sehr guter Ausbildung. Vor Ort müsste man ein vergleichbares Zelt aufbauen und ein stabiles Zelt mit allem Komfort in einigem Abstand. Rund 1.000 m tiefer ein Sicherheits-Zelt mit allem Komfort und Ausrüstung.
Günter Wolf regt an: Die Ausrüstung kann man für 50 % des Kaufpreises verkaufen und den Film über das Projekt ebenfalls, sodass alle Unkosten der Teilnehmer gedeckt sind. Freiwillige vor!
Alle Untersuchungen mit IS, weltweit, wurden immer nur unter Laborbedingungen durchgeführt mit IS sicher unter der Schmerzgrenze. Einflüsse auf das Verhalten bei langfristiger Exposition wurden belegt, wenn auch nie bei allen Teilnehmern.
Aber die Experimente mit Menschen fanden niemals unter erschwerten Bedingungen statt, wie sie im Winter auf dem Kholat herrschen.
Falls der IS auf die Gruppe einwirkte, war er nur ein Zusatzeffekt. Ihn als alleiniges Merkmal für das Geschehene aufzuführen hält Günter für Illusorisch. Das Unglück geschah am Kholat im tiefsten Winter. Am Zeltplatz zelteten bis heute nur die Dyatlov-Gruppe und eine Handvoll Expeditionen. Im Sommer werden durch verschiedene Veranstalter pro Jahr 20 – 30 Gruppen zum Kholat geführt. Viele übernachten auch in Zelten dort.
Windgeschwindigkeiten von 20 m/s (+/- 5 m/s) sind im Sommer genauso möglich. Da noch nie eine Gruppe (schätzungsweise in 30 Jahren 100 bis 200) irgendwelche Probleme gehabt hat, muss man schließen, dass der IS am Kholat entweder nicht nennenswert auftritt oder wenn er nennenswert auftritt, dann nur in Kombination mit extremer winterlicher Belastung der Teilnehmer.
Günters Untersuchungen widmen sich in erster Linie sich dem Wetter am Kholat. Hierzu verwendet er objektive Fakten, Messwerte von Expeditionen und Archiv-Wetterkarten.
IS als Möglichkeit wird bei ihm nicht ausgeschlossen.
Hier noch mal in Stichpunkten seine Beschreibung des Wetters der Unglücksnacht:Wind: Großwetterlage, in rund 1200 m Höhe, Nähe Kholat.
31.01.1959 270 °West
1.2.1959 11 Uhr Local 315 ° NW bis NNW
17 Uhr Local 315 ° NW bis NNW
23 Uhr Local 310 ° NW bis NNW
2.2.1959
280 ° West
Wind am Kholat auf der Ostseite (Zelt).31.01.1959Westwind durch die Kanalisierung.
01.02.195911 Uhr bis 16 Uhr: Westwind durch die Kanalisierung des Vor-Tales. V ~ 15 m/s T ~-20°C.
16 Uhr bis 19 Uhr: Westwind durch die Kanalisierung des Vor-Tales.
19 Uhr: Westwind durch die Kanalisierung des Vor-Tales. Katabatischer Wind im Vor-Tal startet wegen der untergehenden Sonne. Extrem kalte Fallwinde vom Nordhang des Vor-Tales strömen ins Vor-Tal. V ~ 30 m/s (+/- 5 m/s) T ~ -25°C.
21 Uhr: Westwind durch die Kanalisierung des Vor-Tales. V ~35 m/s (+/- 5 m(s) T ~-30°C.
Spätestens um
19.00 Uhr hätte der Gruppe klar sein müssen, dass ein Überleben im defekten Zelt unter diesen Umständen (Wind-Chill -38°C) nicht möglich ist. Viele Indizien deuten jedoch darauf hin, dass die Gruppe das Zelt
nicht vor 21 Uhr verließ. Zu diesem Zeitpunkt betrug der Wind-Chill innen -45°C und außen - 60°C. Die Gruppe hat dadurch von 19 bis 21 Uhr viel an Vitalität verloren.
Aufgrund der Gruppendynamik, angesichts eines möglichen Nah Todes, traten psychologische Effekte in der Gruppe auf. Bewusstseinsverengung, eingeschränkte Aufmerksamkeit, die Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten, Lethargie und Desorientierung waren die Folge. Dies führte zu teilweise sinnlosen, unlogischen Handlungen und Fluchtreaktionen, die innerhalb von Minuten auftreten können. In der Zwischenzeit traten sicherlich parallel auch "normale Handlungen" einiger Gruppenmitglieder auf.
https://icd.who.int/browse10/2016/en#/F40-F48 (Besonderes Augenmerk auf F43.0).
Wenn ein Gruppenmitglied ein Barotrauma hatte, z. B. Zahn oder ein entzündetes Mittelohr, so dass ein Druckausgleich nicht möglich war, könnte das ein Auslöser zusätzlich für Panik gewesen sein.
Die Grundvoraussetzung für das Unglück ist in der Hypothese von Günter Wolf das Wetter in Kombination mit dem defekten Zelt. IS kann nur als Zusatzfaktor gewirkt haben. So wie die „Akute Belastungsreaktion“. Nun Risikobewertungen verschiedener angenommener Szenarios:Hier nun eine alte Abschätzung (angrenzer Talkessel als „Schallkessel):Original anzeigen (0,2 MB)Nun Darstellungen von Günter Wolf zur Risikobewertung:Günter vermutet, dass das 3. Tal der Lozva in der Hypothese von WAB eventuell in Kombination mit dem 4. Tal betrachtet werden müsste, weil das dann eine Art geschlossenen Kessel darstellt.
Jeweils Zahlen von 1 bis 6. In Günters Risiko-Abschätzung ist WABs Ereignis statistisch unbedeutend, da es nur alle 3 Jahre an genau dem Zeltplatz auftreten würde. In diesem Fall wäre der Ka-Wirbel 3,3-mal gefährlicher.
WAB sagt aber, dass der Zeltplatz
exakt stimmen muss! (Weil keine Gruppe über IS Probleme berichtete.)
Dann bekommt der Zeltplatz nur die Zahl 1 und das Produkt ist 12. Dann sind alle anderen IS Quellen bedeutender. Faktor 10 für Ka-Wirbel.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
:)