Die echten, wirklich wahren kuriosen Ereignisse 2
12.10.2017 um 17:06
Nachdem sich meine Eltern Anfang der 80er Jahre scheiden ließen, zogen wir übergangsweise zu meinen Großeltern.
Deren Häuschen war damit schon ziemlich überfüllt, daher bekam ich eine Dachkammer ganz oben, durch deren Fenster
man einen schönen Blick über den Garten des Nachbarn hatte.
Das Nachbarhaus war eine alte Villa aus dem 19. Jahrhundert mit einem großem ziemlich verwilderten Garten. Bewohnt
wurde sie in dieser Zeit fast nur am Wochenende vom einem Unternehmerehepaar, das schon im Alter meiner Großeltern
war.
Deshalb -und weil die beiden Häuser allein fast 100m außerhalb des eigentlichen Dorfs standen, kam es es immer wieder zu
Einbrüchen und Einbruchsversuchen in die Villa. Die Besitzer sahen das ziemlich entspannt. -Sie hatten wohl nichts wertvolles drüben im Haus. Meine Großeltern und meine Mutter hatten allerdings Angst. Das die Alarmanlage drüben gerne zu jeder Tages - und Nachtzeit
von selbst und ohne Grund los ging, machte die Situation auch nicht besser.
Mein Großvater hat mich daher streng angewiesen ihm sofort zu rufen, sobald mir auf dem Nachbargrundstück
irgendwas auffiel oder komisch vorkam. "Dein Fenster ist das einzige, von dem man wirklich über die Hecke sehen kann."
Unter diesem Fenster stand mein Schreibtisch und ich verbrachte dort ziemlich viel Zeit. Wenn ich mit den Hausarbeiten fertig war,
hab ich Flugzeug-Modelle gebaut oder gezeichnet. Eben meine Methode die Scheidung meiner Eltern zu verarbeiten. Irgendetwas gesehen,
weswegen Opa hätte rufen müssen, hab ich allerdings nicht. Dabei war da drüben durchaus was geboten. Weil das Grundstück so einsam
und die Woche über ungestört war gab es dort jede Menge Tiere, die man sonst nicht in Gärten sieht. Dompfaffen, Eichelhäher, ein ziemlich vorwitziges Eichhörnchen. Einmal sah ich in der Dämmerung sogar einen Dachs! Ich hatte deshalb bald immer ein Fernglas auf dem Schreibtisch.
Es wurde Herbst und Winter. Drüben tat sich nichts, außer Tieraktivitäten. Die Alarmanlage schrillte trotzdem oft. Zweimal rief mein Großvater deshalb die Polizei. Beim ersten Mal war nichts. Beim zweitenmal fand die Polizei einen Obdachlosen, der sich dort wohl einnisten wollte und massiven Widerstand leistete, als die Polizisten ihn mitnehmen wollten. Ein Polizist meinte zu meiner Oma, der Mann sei anscheinend nicht ganz normal .
Die Nachbarn hat der Vorfall wohl nachdenklich gemacht. Etwa vier Wochen später, kamen sie mit einem Geschenkkorb und sagten wir müssten uns zukünftig keine Sorgen mehr machen. Einer ihrer Enkel würde im Frühjahr mit Familie dort einziehen. Der Geschenkkorb sei eine eine Entschuldigung für die vergangenen und zukünftigen Unannehmlichkeiten. Bevor der Enkel einziehe, müsse nämlich noch einiges an Haus und Garten gemacht werden. Da werde es Lärm und Dreck geben.
Ich war eher traurig. Wenn das Haus normal bewohnt wurde, würden sich Dachs und Dompfaff wohl verdrücken. Zunächst einmal wurde es aber richtig Winter. Beide Gärten schneiten dick ein. Die Vögel von nebenan kamen zum Futterhäuschen meiner Großeltern. Meine Oma legte noch Nüsse für das Eichhörnchen dazu. Das Futterhäuschen konnte ich auch gut vom meinem Fensterplatz aus beobachten.
Noch interessanter war allerdings was nebenan geschah. Direkt hinter der Hecke war rechts von meinem Fenster im Nachbarsgarten
eine Art Lichtung. (Ansonsten war der hintere Teil des Gartens, der an unser Haus grenzte recht dicht bewachsen.) Auf der Lichtung habe ich damals im Sommer auch den Dachs gesehen. Nun war die bis dahin makellose Schneedecke dicht mit einem Muster aus Tierspuren bedeckt.Ich war zunächst verdattert, dann hab ich mein Fernglas genommen und die Spuren betrachtet. Das waren Rehspuren! Am selben Abend noch hab ich dann tatsächlich zwei Rehe beobachtet. Nur einen Tag später geschah dann aber etwas, dass meine Begeisterung für den Nachbargarten ganz beträchtlich dämpfte und das ich mir bis heute nicht erklären kann.
Es war ein strahlend schöner Winternachmittag. Ich saß am Fenster und machte Hausarbeiten. Gelegentlich sah ich zur Lichtung hinunter. Dort sah man noch die Spuren der Rehe und ich überlegte, ob sie wohl diesen Abend wieder kommen würden. Als ich das nächste Mal hoch sah, stand mitten auf der Lichtung im strahlenden Sonnenschein ein Mann mit dem Rücken zu mir. Er trug eine Art grau-grünen Parka, Jeans und eine dieser Fellmützen deren Ohren man herunterklappen kann.
Wahrscheinlich wegen der Farbe des Parkas, dachte ich: "Der Gärtner ist schon mal da. Schauen was im Frühjahr so an Arbeit anliegt." - und "Da werden die Rehe wohl heut nicht zurückkommen, wenn sie einen Menschen auf der Lichtung riechen." Ich will mich schon wieder meinen Hausaufgaben widmen, da zerrt der Mann seine Mütze vom Kopf. Er hat langes rotbraunes Haar, das er jetzt zurecht schüttelt. Und ich denke: "Hey, das ist ja L." L. wartet jeden Morgen mit mir an der Bushaltestelle. Ich finde sie irgendwie gut. Aber weil sie nicht nur zwei Jahre älter, sondern auch mehr als zwei Köpfe größerist als ich,hab ich mir nicht getraut ihr das zu sagen.
Jetzt nehme ich natürlich mein Fernglas um genau zu sehen, was L. darüben macht. Ich hebe es vor die Augen, drehe es zur Lichtung hinüber und sehe - Nichts! Die Lichtung ist leer. Ich lasse das Fernglas von links nach rechts gleiten. Nichts - L. ist nicht mehr da. Ob sie mich bemerkt hat? Ich setze das Fernglas wieder ab und da steht L. immer noch auf der Lichtung. Genau da, wo sie vorhin auch gestanden hat. Jetzt kann auch kein Zweifel mehr sein, dass es tatsächlich L. ist. Sie hat sich halb zu mir herum gedreht und stopft eben die Mütze in die Jackentasche. Ich denke: "Mann, das geht ja gut los mit dir. Kaum gefällt dir ein Mädchen bist du zu doof, um auch nur durch ein Fernglas zu gucken.!"
Ich hebe wieder das Fernglas wieder und schaue auf die Lichtung. Das Ergebnis ist genau das gleiche wie vorhin. L ist verschwunden und auf der ganzen Lichtung nicht zu sehen. Ich setze das Fernglas ab. Und - na klar. L. steht immer noch an derselben Stelle.
Dritter Versuch: Von mir ausgesehen direkt hinter L. steht ein markanter Baum. Eine Kiefer, deren Krone so aussieht als würde sie den Mittelfinger zeigen. Ich nehme den "Mittelfinger" ins Visier und lasse das Fernglas langsam nach unten gleiten. Da! Rotbraune Haare. Ich seufze vor Erleichterung tief - bin doch nicht ganz doof. Da sehe ich das es das Eichhörnchen ist, das in der Kiefer hockt und an
irgendwas rumknappert. Ich senke das Fernglas ziemlich hastig weiter. Nichts keine L. zu sehen. Dann setzte ich das Fernglas ab und natürlich steht sie immer noch da.
Das Eichhörnchen springt von der Kiefer und hoppelt über die Lichtung. Wahrscheinlich erinnert es sich, dass es im Vogelhäuschen auch Nüsse gibt.Ich hebe das Fernglas und habe keine Mühe, dass winzige Tier, dass über die Schneefläche sprintet zu finden und im Visier zu behalten bis es in der Hecke verschwindet. Ich setze das Fernglas ab. L. steht immer noch da und hebt eben die Hand vor Augen, als ob sie die helle Sonne blendet. "Scheisse", denke ich ratlos, da verschwindet L. plötzlich vor meinen Augen wie eine Seifenblase, die zerplatzt. Ich mache erst einen Schritt zurück - und ich glaube, ich schreie - dann wieder einen vor und reisse das Fenster auf. Ich beuge mich soweit wie möglich aus dem Fenster. Im Augenwinkel sehe ich wie der Dompfaff und das Eichhörnchen vom Futterhäuschen weg flüchten.
Die Lichtung ist natürlich ganz leer. Und was mir jetzt erst auffällt: Es gibt Rehspuren auf der Lichtung und ich kann auch deutlich sehen, wo gerade das Eichhörnchen entlang gehoppelt ist. Aber Fußspuren, wie sie ein Mensch, der drüben mitten auf der Lichtung stand, doch hinterlassen haben müsste gibt es nicht. Als mir das eben dämmert, jault plötzlich drüben die Alarmanlage los. Unten geht die Terrassentür auf und mein Großvater kommt heraus. "Fehlalarm,oder?" fragt er als er mich aus dem hängen sieht. Ich bin ziemlich bedröppert. Dann dämmert mir, dass ich diese Geschichte besser für mich behalte. "Ja, Fehlalaram "sage ich und mache das Fenster zu.