Nemon schrieb:Ludovico schrieb:
welche Art von Wirkungsmechanismus könnte hinter einer derartigen verschränkten „akuten Belastungsstörung“ stecken, die alle 9 Wanderer zur gleichen irrationalen Handlung bewegt – das Verlassen des Zelts in ungenügender Kleidung
"Viele Beobachter" ist genau genommen hier ein Autoritätsargument, das aber auch nicht valide ist. Erstens kennen nur Wenige das Szenario gut genug, zweitens wollen oder können sie sich die Situation nicht richtig vorstellen, drittens ist der Wirkungsmechanismus doch bis ins letzte Detail als Theorie beschrieben, und das ist zunächst mal tatsächlich eine mechanische, physische Angelegenheit. Extreme Windverhältnisse, extreme Kälte - für alle gleich. Die mögen graduell unterschiedlich reagieren, wissen aber alle, dass die Situation in den sicheren Tod führt, ihr Tod schon besiegelt ist. Was heißt da "ungenügende Kleidung", wenn man sowieso erfriert und/oder die Sachen nicht mehr anbekommt.
Man kann dem Kommentar von „Nemon“ nichts hinzufügen, denn er kommentiert Deine Argumentation perfekt.
Du schreibst aber richtig, dass es für viele Beobachter schwer vorstellbar ist, die Situation zu begreifen. Das ging mir genauso. Ich habe tagelang darüber nachgedacht, Nemon sicher ebenso.
Irgendwann begriff ich die Situation, begriff ich die jungen Menschen, begriff ich die Tragik als sie die Ausweglosigkeit erkannten und stellte mir vor, in deren Situation gewesen zu sein.
Plötzlich, innerhalb von wenigen Stunden bricht ihre Welt zusammen. Die Kälte kann in ihren damaligen Kleidern nicht zurückgehalten werden und sie erfrieren immer mehr. Sie kennen Kälte, keine Frage aber diese Kälte todbringend.
„Mazehare“ hat dazu einen sehr guten Tipp gegeben mit seinem Hinweis auf ein „Hypothermia Experiment“.
In weniger als einer halben Stunde war der dortige Mann am Ende und man brach das Experiment ab.
Der Gruppe am Kholat wurde der bevorstehende Tod klar. Dann traten die Belastungsreaktionen auf, vor denen wohl keiner gefeit ist. Der Eine reagiert mehr, der Andere weniger. Es gibt kein einheitliches Muster.
„…Die Symptomatik zeigt typischerweise ein gemischtes und wechselndes Bild, beginnend mit einer Art von "Betäubung", mit einer gewissen Bewusstseinseinengung und eingeschränkten Aufmerksamkeit, einer Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten und Desorientiertheit….“.
Gerade die Enge des Zeltes verstärkte die Belastungsreaktion. Selbst wenn ein oder zwei Teilnehmer weniger reagierten, erzeugten die ständigen fortschreitenden Erfrierungen den Rest. Es breitet sich ev. Panik aus.
Nun, wo ist die Parallele zu anderen Bergunglücken? Wie Du gefragt hast?
Im Himalaya ist man in einer Steilwand und erwartet nicht, am nächsten Tag, einen geordneten Weg zum nächsten Gipfel, wie es die lebenslustige Gruppe von Dyatlov es tat.
Ob im Himalaya, kurz vor dem Gipfel, sich Jemand auszieht, in der Nacht, bezweifele ich. Einen Bezug kann man über die angezogene Kleidung nicht herstellen.
Aber kurz vor dem Tod gibt es eine Gemeinsamkeit.
Ich hoffe wir lösen das Rätsel gemeinsam:-)
Ein frohes neues Jahr!