Siegfrieden schrieb am 12.12.2017:Ganz kurz gefasst - entweder war Hauser ein Schwindler oder alle anderen.
Schade, Glaubenskriege sind hier ausreichend geführt worden.
Die Meinungen von Zeitgenossen (deren Eigensucht in der einen oder anderen Weise unterstellt werden darf, insbesondere wenn sie sich auf das Mitleid eines ganzen Jahrhunderts berufen) sind ähnlich konträr, wie die Obduktionsergebnisse von Ärzten, die in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts kaum in Forensik geschulte Rechtsmediziner gewesen sein konnten.
Da seine Herkunft unbekannt bleibt, kann das Verhalten Hausers so oder so interpretiert werden. Die Unsicherheit bei der Quelleninterpretation (sprach Hauser Nürnberger Fränkisch oder schilderten Zeugen seine Aussagen in Fränkisch?) liegt in der Natur der Sache. Ihm jedoch keine vornehme Herkunft zugedeihen zu wollen, weil er sich betrügerisch und unehrlich verhalten habe (so
@Siegfrieden), grenzt aber schon an Ignoranz. Seit wann verhindert eine vornehme Herkunft einen miesen Charakter?
Bewiesen oder beweisbar sind weder die Herkunft aus einem Fürstenhause noch ein Suizid. Selbst ein Mord ist möglich, bei dem Hauser den entdeckten Brief in Spiegelschrift selbst verfasst hat. Seine Worte auf dem Totenbett taugen jedenfalls nicht als Beweis für einen Betrug. Im Angesicht des nahen Todes und einer Religiosität, die stark auf der Sündhaftigkeit des eigenen Lebens aufbaute, ist es durchaus nicht abwegig, wenn ein Mensch um Verzeihung bittet, um nicht schuldbeladen vor Gott zu treten. Welcher Art diese Sünden waren, ist damit nicht bewiesen.
Seien wir also ehrlich: Wir bewegen uns in Wahrscheinlichkeiten und emotionalen Bewertungen, ohne vernünftige Zweifel lässt sich keine These belegen. Die Thesen lassen sich aufstellen und unterfüttern, aber das kann nur seriös sein, wenn alle Erkenntnisquellen kritisch hinterfragt werden. Blinder Gehorsam der einen Quelle gegenüber und gleichzeitige Abwertung der anderen Quelle, um die präferierte These zu untermauern, ist beim momentanen Stand der Erkenntnisse wenig hilfreich.
Vorsicht ist auch bei jeder charakterlichen Einordnung von Kaspar Hauser angebracht. In einer Zeit, die noch keine Psychologie kannte und in der die soziale Deformation quasi gottgegeben war, war Hauser ganz stark das Produkt der Erwartungen seiner Betreuer. Und diese kümmerten sich auch nicht aus "Mitleid" um ihn, sondern sie profitierten unmittelbar von der öffentlichen Aufmerksamkeit und der eigenen Erkenntnissuche.
Ich habe keine abschließende Meinung, bin aber gespannt, ob in dieser Sache doch noch einmal der Nachweis geführt wird, wie es wirklich gewesen sein KÖNNTE.