@keksi1, also ich habe lange an Hauser geglaubt und fand/finde die gesamte Geschichte faszinierend. Aber wenn man wirklich mal ganz neutral heran geht, ist vielleicht schon überlegenswert, ob entweder ein einzelner (Hauser) oder alle anderen bei sich widersprechenden Aussagen die Wahrheit gesagt haben. Ein Schlüssel-Ereignis ist z.B., dass er behauptet habe, einer der zwei Bürger, die ihn in Nürnberg bei seinem Auftauchen kurz betreuten, habe beim Rittmeister geklingelt, wohingegen dieser behauptete, Hauser habe geklingelt.
Wichtig deswegen, weil Hauser, wenn er tatsächlich selbst geklingelt hat, eben nicht so zurück geblieben gewesen sein kann, wie es zu sein schien.
Es gibt viele "Für und wider", interessant ist die Aussage von Daumer in seinem Buch "Enthüllungen über K.H.", dass er in einer dunklen Nacht den Eindruck hatte, ein Attentäter versuchte, sich ihm zu nähern. Aber das kann auch ein schlichter Kleinkrimineller mit räuberischen Interessen gewesen sein.
Frage ist aber auch, ob diejenigen, die sich sehr negativ über ihn geäußert haben, ihn aber wirklich genau kannten, allesamt nur Bösewichte waren? Stanhope (sicher eine umstrittene Figur), Lehrer Meyer (sicher ein harter Mann, aber eben auch Pädagoge, dessen Beruf es ist, mit jungen Menschen umzugehen und sich also schon ein Urteil erlauben zu können), Frau Biberbach (sicher etwas nervös), teilweise Tucher - also fast alle seine Erzieher. Und was ich nie rausgekriegt habe, warum hat Daumer Hauser aus dem Haus gegeben, wenn er ihn doch so schätzte? Der offizielle Grund war Daumers verschlimmerter Gesundheitszustand...
Okay, Hauser war kein gefährlicher Verbrecher, ein mutmaßlicher Betrüger aber insofern, dass er seine Mitmenschen getäuscht haben könnte. Eine andere Identität und Verbrechen gegen sich selbst vorzutäuschen, um sich ein angenehmes Leben zu sichern, kann man schon als Betrug hinstellen. Er war wohl wirklich nur ein Vagabund, ein sehr einfach gestrickter Mensch, der aber das, was er scheinbar mühelos lernen sollte, längst beherrschte.
Lehrer Meyer, der an die Selbstmordtheorie glaubte, soll gesagt haben, so wie er den Hauser kenne, habe er es beim neuen Selbstmordversuch drauf ankommen lassen, dass es auch schiefgehen könnte. Nebenbei bemerkt - die erste Meldung des zuständigen Polizisten bei dem "Pistolen-Unfall" zwischen den zwei Attentaten lautete: "Kaspar Hauser hat einen Selbstmordversuch unternommen!" Später hieß es dann, es sei ein Unfall gewesen.
Beim ersten mutmaßlichen Attentat hatte er eine Wunde an der Stirn. Das fanden Zeitgenossen etwas fragwürdig, so dass er es beim letzten Attentat gegen sich möglicherweise anders machen wollte.
Was mich überzeugt hat, dass die Geschichte nicht stimmen könnte, ist die Ähnlichkeit im Schreibstil zwischen seinen eigenen Schreibversuchen und im Mörderbrief, von Wikipedia erwähnt, unter "Zweifel an den Attentaten":
"Laut der Betrugstheorie habe Kaspar ihn selbst geschrieben, weil der imaginierte Angreifer, anders als bei dem angeblichen Attentat von 1829, dieses Mal eine Spur hinterlassen sollte. Zur Stützung dieser These wird auf sprachliche Ähnlichkeiten mit von Hauser stammenden Texten verwiesen. Die Worte „will ich es euch selber sagen“ erinnern an Formulierungen am Anfang seiner beiden autobiographischen Aufsätze: „Die Geschichte von Kaspar Hauser, ich will es selbst schreiben“ bzw. „… will ich selber schreiben“. Auch den Rechtschreibfehler „wo her“ hat Hauser nach Aussage des Lehrers Meyer häufig gemacht, so in seinem lateinisch-deutschen Vokabelheft, in dem er „unde“ mit „wo her“ übersetzte. Der falsche Kasus („den“ statt „dem“) kommt in seinen Schreibheften ebenfalls häufig vor. Zudem war der Zettel in einer eigentümlichen Dreiecksform gefaltet, so wie auch Kaspar seine Briefe zu falten pflegte: hierüber zeigte sich insbesondere Frau Meyer erschrocken, die (anders als ihr Mann) ein sehr herzliches Verhältnis zu Kaspar hatte."
Wikipedia: Kaspar Hauser Stanhope war sicher nicht ganz sauber, aber es könnte doch sein, dass er kurz an den jungen Mann glaubte und sich dann betrogen fühlte. In seinem Buch berichtet er recht sachlich über viele Merkwürdigkeiten:
Materialien zur Geschichte K.H. (Stanhope, 1835)
http://books.google.de/books?id=qGdBAAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&redir_esc=y%20-%20v=onepage&q&f=false#v=onepage&q&f=false Enthüllungen über K.H. (Daumer, 1859)
http://books.google.de/books?id=MegEAAAAYAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&redir_esc=y%20-%20v=onepage&q&f=false#v=onepage&q&f=false