Huh, sehr spannend! Ich wusste auch nicht, dass es dafür einen Ausdruck gibt, bis jetzt dachte ich immer, ich habe einfach zu viel Fantasie, wenn ich dieses Gefühl kriege ^^ Bei mir tritt dieses Gefühl auch oft nachts auf, v.a. wenn ich am Heimweg bin, z.B. von einer Party nach Hause, aber genauso auch auf Bahnhöfen, in der Ubahn, kurz gesagt wenn ich gerade dabei bin, den Ort zu wechseln. Manchmal aber auch wenn ich gerade etwas Interessantes oder Schönes beobachte z.B. einen Sonnenuntergang am Meer oder wenn ich im im Wald bin. Es ist sehr schwierig zu beschreiben, wie es sich genau anfühlt: Am Ehesten wüde ich sagen, dass ich plötzlich das Gefühl habe, an der Situation wäre gerade etwas sehr Besonderes, gleichzeitig fühle ich mich irgendwie fehl am Platz und habe oft den spontanen Gedanken "An das hier, an genau diese Sekunde werde ich mich einnern" oder manchmal auch "Jetzt wird etwas sehr Wichtiges passieren" (Was dann aber im Endeffekt nicht so ist). Kanns nicht besser beschreiben. Manchmal geht das sogar mit einem Schwindelgefühl einher. Dass es verstärkt auftritt, wenn ich müde bin, habe ich auch beobachtet.
Witzig auch, dass ich den Thread gerade heute zufällig finde. Vor zwei Tagen hatte ich das auch wieder sehr stark, ebenfalls genau gleichzeitig mit jemand anderem (meinem Freund). Wir waren gerade auf der Heimreise von Griechenland und wollten in der Nähe des Bahnhofes von Bologna etwas zu Essen kaufen. In diesem Moment hatten wir dann beide sehr sehr stark dieses Gefühl, dass irgendwas gerade sehr seltsam ist. Ich kenne dieses Gefühl ja schon ganz gut und hab mir deswegen keinen großen Kopf drum gemacht, aber mein Freund kannte das anscheinend noch nicht und hat dann sogar richtig Panik geschoben (muss aber auch dazu sagen, dass er ein kleiner Hypochonder ist und schnell mal Panik schiebt wenn er ein Gefühl nicht kennt ^^). Er hatte richtig Angst, er würde gleich umkippen oder sowas weil es sich so seltsam angefühlt hat.
@dieBarbe, was du erzählst, erinnert mich eher an das, was man bei uns liebevoll "Ins Narrenkastl schauen" nennt. Also wenn man in Situationen, wo man etwas gelangweilt ist, komplett abdriftet und nachher nicht sagen könnte, wieviel Zeit vergangen ist. Ich denke, da musst du dir keine Sorgen machen, dass das etwas mit deinen früheren Erlebnissen zu tun hat. Für außenstehende Menschen kann es aber sicherlich recht gruselig sein, wenn der Gesprächspartner plötzlich kurz "weg" ist. Mein Freund kennt dieses Abdriften nicht und reagiert auch jedes Mal ganz komisch wenn ich gerade im "Narrenkastl" bin ^^
@anonyheathen, sehr interessante Ausführungen! Das mit den "Schwellenräumen" passt sehr gut zu vielen Momenten, in denen ich dieses Gefühl erlebe. Z.b. eben die Situationen "Heimweg", "Ubahn", "Bahnhof in Bologna" : Die Fortbewegung von einem Ort zum anderen, das "Dazwischen-Sein" ist hier das zentrale Motiv.
Ich glaube, die Theorie über "Nicht-Orte" von Marc Augé passt hier auch ganz gut hinein:
Wikipedia: Nicht-Ort, er nennt auch etwa Flughäfen, Bahnhöfe und Einkaufszentren als Orte die keine Identität besitzen und sich irgendwie auch sehr gleichen. Ein Einkaufszentrum ist eben ein Einkaufszentrum, irgendwie immer "gleich", wenn man nicht konkrete Dinge damit verbindet wie z.B. "Oh, hier habe ich mich mal mit einem Freund getroffen". Wenn ich genauer darüber nachdenke, passen hier eigentlich auch die Situationen "Unbekannte Straße bei Nacht", "Meer" und "Wald" dazu - alles Orte bzw. Situationen, die eigentlich nicht wirklich eine eigene Identität besitzen, sondern beliebig austauschbar sind mit anderen Straßen bei Nacht, anderen Waldstücken usw, immer gleich aufgebaut sind, und man kann nicht wirklich sagen was ein Waldstück vom anderen unterschiedet - Im Waldstück gibt es eben Bäume, genauso wie in jedem anderen Waldstück der Welt. Auf nächtlichen Straßen in der Stadt gibt es Straßenlaternen, Häuser, usw, genauso wie auf jeder anderen Straße bei Nacht. Das könnte also vielleicht auch als "Nicht-Ort" gelten.
Weiß nicht, ob ich das halbwegs nachvollziehbar erklärt habe - ich meine, dass diese Beispiel-Orte eher nicht konkret "verortet" werden können, sondern irgendwie eher Ideen bzw. Paradigmen sind, und wenn man keine konkreten Bezüge zu diesem Ort hat, tritt dieses seltsame Gefühl der Verlorenheit und der Derealisation auf. Eben wenn das Gehirn keinen Kontext zu dem Ort aufbauen kann, und wenn der Ort nicht gut verortet und eingegrenzt werden kann, wie in dem Link von
@the_georg sehr schön erklärt wird, das macht dem Gehirn dann irgendwie "Angst", weil es nichts damit anfangen kann. EDIT: Ups, habe erst jetzt gesehen, dass dieser Link ja auch schon im Eingangspost gepostet wurde, sorry ^^
Hoffe, das hat halbwegs Sinn ergeben ^^ Wie gesagt, super spannend dieses Thema, bin gespannt was Anderen hier noch so einfällt!