War die Asienflut schlimm?
10.01.2005 um 11:47
Hallo ihr beiden, Libelle und Quentin,
die Wahrheit kommt immer ans Licht. Dass die Tsunamiflut in Asien schlimm war, darüber scheints ja wohl doch keine Zweifel zu geben. Nun folgt aber eine ebenso gefährliche Flutwelle hinterher, die alles bisher dagewesene in den Schatten stellt. Ich denke nicht, dass es ungerechtfretigt ist zu fragen, wohin das Geld fliesst, besonders im Wissen, dass Kosten der Logistig den grössten Faktor ausmachen und einige Länder die pralle Hilfe aus bestimmten Gründen garnicht wollen.
Gruß
Lest mal:
Wohin nur mit dem vielen Geld?
Von Georg Meck und Rainer Hank
09. Januar 2005
Laßt uns in dieser Situation etwas Außergewöhnliches tun. Für Deutsche-Bank-Vorstand Tessen von Heydebreck war dies der Grund, bei der ZDF-Spendengala einen Scheck von 10 Millionen Euro zu überreichen.
Fast 40 Millionen Euro private Spenden für die Flutopfer kamen an einem einzigen Abend zusammen; insgesamt spendeten die Deutschen bislang weit über 300 Millionen Euro. Und weil die Privaten sich so generös zeigen, hat der Staat noch einmal 500 Millionen draufgelegt: „Wenn die Bevölkerung so freigebig spendet, darf eine Regierung sich nicht lumpen lassen”, sagt der Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Eberhard Sandschneider.
Verhältnis von Spendenbedarf und Spendenaufkommen ist tabu
Darf sie wirklich nicht? Wer in den vergangenen Tagen diese Frage auch nur gestellt hat, bekam die gesamte Wucht wohltätiger Korrektheit zu spüren. Der arme Dietrich Austermann, CDU-Haushälter in Berlin, hat sich erlaubt festzustellen, 500 Millionen Euro zusätzlicher staatlicher Hilfe seien 500 Millionen zusätzlicher Kreditaufnahme. Damit hat er nur die Wahrheit gesagt, zumal Bundeskanzler Gerhard Schröder im wolkig Ungewissen ließ, wie die staatliche Großherzigkeit finanziert wird und ob sie womöglich auf Kosten der Entwicklungshilfe in Afrika geht. „Zynisch und menschenverachtend” sei, wer angesichts von 150.000 Toten von einem „unseriösen Kostentableau” spreche, so schallte die Kritik.
Zum Tabu erklärt wird auch die Frage nach dem Verhältnis von Spendenbedarf und Spendenaufkommen. Da würde sich ein seltsames Mißverhältnis offenbaren zwischen der humanitären Katastrophe und vergleichbar bescheidenen wirtschaftlichen Schäden. Auf mindestens 10 Milliarden Dollar kalkuliert die Münchener Rückversicherung die Wiederaufbaukosten im gesamten ostasiatischen Raum. Zum Vergleich: Die Schäden der Oderflut 2002 - in einer eng begrenzten deutschen Region - wurden anfangs auf 20 Milliarden Dollar berechnet und haben sich später auf 10 Milliarden reduziert. Der Tsunami sei - anders als die Seuche Sars oder das Erdbeben in Kobe - nicht in das „volkswirtschaftliche Herz” der Region eingedrungen, sagt Joseph Lau von der Credit Suisse First Boston in Hongkong.
Sich ein gutes Gewissen kaufen
Tu Gutes und zeig es auch: Die Deutsche Bank spendete in der ZDF-Sendung
Geld ist das geringste Problem der Flutkatastrophe. Doch in den Spendengalas der deutschen Fernsehsender sagt das niemand. „Mit Wohltätigkeit”, analysiert der Psychologe und Ökonomienobelpreisträger Daniel Kahneman, „kaufen die Menschen sich ein gutes Gewissen und ein besseres Image.” Der finanzielle Erfolg der Sammelaktion hat selbst die Fachleute überwältigt: „Besser hätte man das als PR-Mann gar nicht planen können”, sagt Thomas Heilmann, Chef der Werbeagentur Scholz & Friends in Berlin. Für die PR-Leute hat der Erfolg gleich mehrere Gründe: Die schreckliche Katastrophe geht vielen ans Herz, weil Landsleute betroffen sind. Zugleich liefert das Fernsehen ständig Bilder aus der Erdbebenregion. Und das Fernsehen bedient auch noch die Imagebildung der Spender: Die Deutsche Bank, stigmatisiert als kalt und vaterlandslos, zeigt sich mildtätig und berührbar. Formel-Eins-Pilot Michael Schumacher, denunziert als Steuerflüchtling, stellt sein Verantwortungsgefühl für das Allgemeinwohl unter Beweis. Unmoralisch ist das alles keineswegs. Im Gegenteil: Der Altruismus kommt dadurch erst ins Laufen. Spenden sind für Menschen ein Symbol, Mitleid auszudrücken.
Kein Wunder, daß dies Tage der Hochkonjunktur sind für die Wohltätigkeitsindustrie. Vom Roten Kreuz bis zur Ostpriesterhilfe, alle sehen die Stunde gekommen, auf sich aufmerksam zu machen. Seit die Bindung der Menschen an „ihre” Organisation abnimmt (Katholiken haben früher alles der Caritas gegeben), herrscht munterer Wettbewerb. Da die „Wohltätigkeitsprodukte” sich kaum unterscheiden, muß das Marketingbudget aufwendig sein. „Da ist die Versuchung groß, mächtig auf die Tränendrüse zu drücken”, sagt Burkhard Wilke, Chef des deutschen Instituts für soziale Fragen.
Nicht jedes Geschenk wird angenommen
Nicht minder groß ist die Versuchung für Staaten und Regierungen, sich als Wohltäter im Wettbewerb zu profilieren. Daß öffentliches Geld nicht vom Himmel fällt, sondern privat finanziert werden muß, unterschlagen sie gerne. „Mit fremdem Geld geht der Staat besonders großzügig um”, klagt Thomas Straubhaar, Chef des HWWA-Instituts in Hamburg.
Jetzt jagt eine „Geberkonferenz” der Regierungen die nächste: Nach Jakarta am Freitag gibt es Dienstag kommender Woche ein Treffen in Genf, bevor am Samstag der „Pariser Club” über Schuldenerlaß oder Moratorium für die asiatischen Staaten berät. Da stört es eher, daß Thailand, Indien und Malaysia sich gegen solche Geschenke verwahrt haben, weil der Schuldenerlaß ihre künftige Kreditwürdigkeit herabsetzen würde.
Unrühmliche Beispiele
Die Führung der globalen Hilfe beanspruchen die Vereinten Nationen in Person des Nothilfe-Koordinators Jan Egeland. Zur Ernüchterung der Wohltätigkeits-Euphorie hat er schon einmal gemahnt, die Wohlmeinenden sollten schleunigst klären, in welcher Form sie Gutes tun wollen.
Frühere Katastrophen lehren, daß den großherzigen Ankündigungen selten Taten folgen. So wurden nach dem Beben in der iranischen Stadt Bam vor einem Jahr 1,1 Milliarden Dollar an Hilfe zugesagt. 17,5 Millionen Dollar kamen aber nur an. Ähnlich unrühmlich verhielt es sich nach dem Hurrikan Mitch in Mittelamerika. Über Jahre standen Millionen für El Salvador im EU-Haushalt, gezahlt hat Brüssel keinen Cent. „Jetzt haben wir den Posten gestrichen”, berichtet EU-Haushaltsexperte Markus Ferber (CSU). Auch die 1,5 Milliarden Euro, die von der EU-Kommission jetzt für Südasien zugesagt wurden, stehen seiner Ansicht nach auf wackligen Beinen.
Logistik wird überschätzt
Entscheidend ist nicht die Summe der Hilfsgelder, sondern wie die ausgegeben werden. Als knappste Ressource hat sich dabei oft die Koordination herausgestellt. Güter werden doppelt und dreifach geliefert; die Helfer stehen sich auf den Füßen. In Aceh sind 150 Organisationen gleichzeitig am Werk. Schon werden mit öffentlichem Geld Hotels an Stränden geplant, wo mutmaßlich auf längere Sicht kein Tourist mehr auftaucht. Und auch in Südasien, wie an jedem Krisenpunkt der Welt, gibt es Einheimische, die versuchen, ihren ganz privaten Teil der internationalen Hilfe abzuschöpfen.
Unterschätzt wird im wohltätigen Eifer die logistische Herausforderung der Katastrophenhilfe. Die Spenden können nicht abfließen, weil Lagerhallen oder Flughäfen verstopft sind. „Was wir wirklich brauchen, ist Geld, um die Hilfe zu organisieren, nicht um es zu verteilen”, sagt Luk van Wassenhove von der Business School Insead. Aber Geld für Katastrophenlogistik wollen die Galagäste nicht geben. Sie wollen ja helfen.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 09.01.2005, Nr. 1 / Seite 27
Bildmaterial: F.A.Z., ZDF
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Die Reihenfolge ist:
Regnerisch kühl, Schaufensterbummel, Hundekot.