@Heijopei In der Bundesrepublik ist die Wiedereinführung der Todesstrafe nicht möglich
Art. 102 GG bildet eine sog. Schranke für Beschränkungen des Rechts auf Leben (Art. 2), der wegen Art. 1 Abs I nicht abgeschafft werden kann (BGH, NJW 96, 858; offener bei BVerfGE 95, 155/138).
Gesetze, die die Todesstrafe androhen oder verhängen sind unzulässig, BVerfGE 18, 112/116
Der Nutzen der Todesstrafe im Vergleich zur lebenslangen Freiheitsstrafe sei zu gering, um damit die Vernichtung des höchsten Rechtswerte, des Lebens eines Menschen, zu rechtfertigen.
Also:
Selbst wenn man eine 2/3 Mehrheit im Bundestag und Bundesrat für die Todesstrafe zusammen bekäme (was praktisch zumindest für die nächsten Jahrzehnte ausgeschlossen ist) würde das BVerfG das entsprechende Gesetz kassieren. Wenn nicht, dann ginge es auf europäischer Ebene zu Grunde.
Der politische Schaden für Deutschland wäre enorm. Schon alleine aus diesem Grund wird es gar keine Initiative einer
ernstzunehmenden politischen Bewegung in Deutschland dazu geben. Es wäre nicht verantwortbar und unvereinbar mit unserer Stellung in der Welt. Es würde uns isolieren.
Wir wären das einzige europäische Land (inklusive Russland), das hinrichtet.
Es ist völlig unrealistisch, dass irgendeine Bundesregierung (selbst wenn es politisch und rechtlich möglich wäre) ohne Not Deutschland in so eine Position bringt.
Immerhin - und darauf würde hingewiesen - hat selbst die DDR die Todesstrafe seit 1981 nicht mehr vollstreckt und sie 1987 abgeschafft. Keine Chance, dass die Bundesrepublik diesen Standard unterbietet.
Drum ist es ganz folgerichtig, dass die politischen Bewegungen, die auf eine Einführung der Todesstrafe drängen, diese Frage benutzen um Widerwillen und Ablehnung gegen unser politisches System zu erzeugen - mit diesen hochemotionalen Schlagworten wie "Todesstrafe für Kinderschänder" etc.
Was die Urheber solcher leichtverständlichen Phrasen dabei verschweigen ist:
a) mit unserer Verfassung ist das nicht vereinbar. Dafür bräuchte es ein anderes "System".
b) selbst in den meisten Staaten, die hinrichten, gibt es keine Todesstrafe für "Kinderschänder". Man will nicht nur die Todesstrafe, man will sie sogar rigoroser anwenden als die allermeisten Staaten die sie zZt anwenden. Das hat nichts mit politischer Realität zu tun, das ist pure Propaganda die "nur" auf Emotionen abzielt.
Sogar in Texas etc. hat man Gründe die Todesstrafe nur für bestimmte Morde zu verhängen.
Ironischerweise werden Forderungen wie "Todesstrafe für Vergewaltiger und Kinderschänder" am ehesten durch die
Scharia abgedeckt. Ironischerweise deswegen, weil sich wohl die wenigsten deutschen Befürworter der Todesstrafe ausgerechnet für eine Umsetzung radikal-islamischer Gesetzgebung einsetzen dürften.
Gut, Indien richtet (nach entsprechenden Skandalen) hin und wieder Vergewaltiger hin. China droht es an, wird wohl auch vollstrecken.
Das ist im Rahmen der Traditionen dieser Staaten sicher nachvollziehbarer als in Mitteleuropa.
Mit den Kindestötungen ist die Sache etwas komplizierter. Das liegt auch daran, dass die die schlagzeilenträchtigen Fälle (Sexualmord) zwar extrem selten sind, aber medial sehr ausgeschlachtet werden - die tatsächliche Zahl der Kindstötungen dagegen erheblich höher, und oft genug ist die eigene Mutter die Täterin...
Auch hier werden mit Schlagworten Eomotionen erweckt, die die Realität nicht ganz erfassen:
http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/kriminalstatistik-weniger-kindstoetungen-in-deutschland-1489739-b1.htmlMan hat dann das Problem, dass zB. eine Mutter einen erweiterten Selbstmord plant, die Kinder tötet und den Selbstmordversuch überlebt. Was in der Realität nun mal öfter vorkommt als der "böse Mann". Diese Frau dann hinzurichten... Das braucht eine andere Gesellschaft als diejenige die wir haben.
Darum sehe ich die teilweise reduzierten und platten Forderungen wie sie von gewissen politischen Randbewegungen vertreten werden eigentlich eher eine auf Emotionen zielende Propaganda, die bei dem derjenigen der ihr verfällt ein Entfremdungsgefühl gegenüber unserem Staat erzeugen kann - was meiner Ansicht nach auch der eigentliche Zwecke ist.
Das hier wird zwar in diesem thread schnell wieder untergehen - aber es ändert nichts daran:
In Deutschland ist eine Widereinführung der Todesstrafe rechtlich nicht möglich, gesellschaftlich kaum durchsetzbar und politisch schädlich für das Ansehen unseres Landes.
Soweit bekannt ist wurde im kleinen Kreis während der Hochphase des RAF-Terrors im sog. "Heissen Herbst '77" (Schleyer, "Landshut"-Entführung) das Thema angesprochen - und selbst damals, trotz des herrschenden Drucks, hatte man weder den Willen noch die Möglichkeiten.
Wir brauchen die Todesstrafe auch gar nicht. Die Wahrscheinlichkeit durch ein Tötungsdelikt in Deutschland umzukommen ist mehr als sechsmal geringer als zB. in Texas (0,8 pro 100.000 Einwohner gegenüber 5). Auch ohne Todesstrafe ist die Zahl der Morde im Grossen und Ganzen zurück gegangen
Streng genommen ist bei uns nicht einmal ein richtiges "lebenslänglich" ohne
die Möglichkeit vorzeitiger Entlassung verfassungsgemäss - BVergE 45, 187
Auch diese Entscheidung des BVerfG zeigt natürlich auf, dass die Todesstrafe ausserhalb unseres Verfassungsrahmens liegt.
Aber:
Trotzdem haben wir in Deutschland natürlich Täter, die nie wieder freikommen. Nicht nur Mörder sondern auch Vergewaltiger oder sogar Brandstifter.
Aber wir lösen dieses Problem nüchterner und eleganter, das wird nicht alles wochenlang durch die BILD-Zeitung gezerrt.
Die sitzen dann allerdings nicht im Gefängnis sondern in der forensischen Psychiatrie. Da kommt § 63 StGB zur Anwendung:
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Da steht dann nichts von einem Zeitrahmen...
Dass auch das umstritten ist und in Einzelfällen aus dem Ruder laufen kann zeigt dann zB. der Fall "Mollath".
Das hier hat übrigens streng genommen nichts mit der Diskussion "pro und contra Todesstrafe" zu tun oder gibt meine Meinung zum Thema wieder - ich stelle nur (knapp) den tatsächlich gültigen verfassungsrechtlichen Rahmen dar.
Die Todesstrafe ist in Deutschland nicht mit der Verfassung zu vereinbaren.
Wer an weiterführender Lektüre
interessiert ist wird in einem Kommentar zum Grundgesetz zu Art. 102 fündig.