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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

163 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Strafrecht: Verhaltens ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
jayjaypg Diskussionsleiter
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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

29.05.2012 um 17:55
Ich seh halt nur so ein bißchen das Problem dabei, Verhalten, das niemand anderem schadet, bestrafen wollen... Das geht bei mir in die Richtung: 1984, Brave New World, etc.


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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

29.05.2012 um 19:34
@jayjaypg
Also geht das bei dir alles in Richtung Verschwörungstheorie? (wenn ich mir deinen Kommentar mit der 23 anschaue)

Ich habe mir jetzt den ganzen Thread durchgelesen, aber mir wird immer noch nicht klar, was dich dabei genau stört.
Gewisse Verhaltensweisen werden bestraft, da von ihnen eine abstrakte Gefahr ausgeht. Warum werden diese bestraft? Da sich diese abstrakte Gefahr recht schnell in eine konkrete verwandeln kann.
Ein Betrunkener fährt 10x die gleiche Strecke, wird immer wieder von der Polizei beobachtet, sie können jedoch nicht eingreifen. Bisher ist nichts passiert.
Beim nächsten Mal kommt ihm aber ein Auto entgegen. Der Betrunkene reagiert falsch und verursacht einen Unfall, die Unfallgegner werden verletzt/sterben.
Der Betrunkene ist sich keiner Schuld bewusst, hat er doch alles so gemacht wie immer.
Das Leben der Beteiligten wurde also nur gefährdet, weil man nicht zu sehr eingreifen wollte und deswegen den Betrunkenen hat fahren lassen.
Mit den heutigen Regelungen wäre das nicht passiert.
Wäre das gerecht/richtig?


Und dem gesunden Menschenverstand zu vertrauen ist utopisch, tut mir leid. Das mag in einer perfekten Gesellschaft funktionieren, aber nicht bei uns. Sollten wir uns jemals dahin entwickeln, kann man ja über eine Anpassung nachdenken ;)

Achja, mir ist bewusst, dass das alles nicht richtig juristisch formuliert ist, aber man sollte ja freier denken...


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jayjaypg Diskussionsleiter
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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

29.05.2012 um 19:48
@Smithonian
Find ich alles sehr aufschlußreich und durchaus nachvollziebar. Und danke, dass du auif §§ verzichtest hast. Sonst wäre ja sofort wieder jemand dazwischengeschlagen.
Ich will das Pferd jetzt mal von der anderen Seite aufbäumen. (Blöd, es geht wieder um Straßenverkehr, aber egal)
Du bist Vater/Mutter eines Kindes. Dieses läuft einer Person, die vor Gericht glaubhaft macht, sie wäre zum Trinken verführt worden (Ok, das wäre zu kraß. Da könnte der "Täter" sogar u.U. straffrei ausgehen...) Aber sagen wir mal, er war derart sturzbetrunken, dass man ihn nur wegen a.l.i.c. bestrafen kann. (Das ist so ein wundervolles Konstrukt der Rechtsprechung; man kann ihn eigentlich nicht bestrafen, weil er zu betrunken war, damit schuldunfähig, also bestraft man ihn dafür, dass er sich in den Rausch versetzt hat.) Das wird nicht so hart bestraft. Sagen wir, er/sie sei Ersttäter. 18 Monate auf Bewährung, würd ich tippen. Dein Kind aber ist tot. Fändest Du das gerecht?


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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

29.05.2012 um 23:07
@jayjaypg
Puuh, mit unseren Beispielen kommen wir wohl nicht weiter :D Solange es um subjektive Eindrücke und das Leben eines Menschen geht, kommen wir immer weiter von deinem eigentlichen Thema ab.
Gerechtigkeit findet man bei sowas nie.

Dein eigentliches Thema ist ja die Versuchsstrafbarkeit. Versuche doch mal eindeutig zu formulieren, was dich daran stört. Und auch, welche Folgen es haben könnte.
Du machst dir ja Gedanken darüber, also sollte das ja klappen. So kommen wir wohl näher ans Thema.

Vielleicht mal ein Beispielvorschlag, bei dem es wirklich um einen Versuch geht (bei den Straßenverkehrsbeispielen ist es ja eigentlich kein Versuch, sondern bezüglich der Verkehrsdelikte ein Erfolg):

A ist in der Stadt unterwegs und trifft dort auf B. Dieser ist schlechtgelaunt und sucht Streit. A reagiert nicht, weswegen B noch wütender wird und auf ihn losgeht. B hat bereits zum Schlag ausgeholt als A gerade noch entkommen kann.
(Zusatz: Später trifft B auf den C, der leider nicht so flink wie A ist, und deswegen verprügelt wird.)
Die Polizei hat den Versuch gegen A beobachtet.

So und jetzt? Wäre in dem Fall nicht die Versuchsstrafbarkeit nützlich, da sie dafür gesorgt hätte, dass es zu dem zweiten Zwischenfall gar nicht kommt? Soll der B davon profitieren, dass A dem Schlag entging, ohne dass B etwas dazu beigetragen hat?

PS. actio libera in causa ist mir nicht unbekannt ;)


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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

29.05.2012 um 23:24
@jayjaypg
sorry, ich will ja nicht klugscheißen, aber der Betrunkene, der den Unfall baut würde wohl wegen Vollrausches gem. §323a verurteilt werden und da kämen schonmal bis zu 5 jahre zusammen was dann dem Strafrahmen einer fahrl. tötung entspricht... tut mir leid aber das musste jetzt raus ;)

achja und die versuchsstrafbarkeit halte ich übrigens unter spezialpräventiven gesichtspunkten für absolut angemessen. Davon abgesehen, würde man auf die Versuchsstrafbarkeit gäzlich verzichten würde es in vielen Fällen nur noch vom Zufall oder dem Unvermögen des Täters abhängen ob er jetzt als Mörder lebenslänglich einfährt oder ob er sich garnicht strafbar gemacht hat und den nächstens Mordversuch dann besser plant und der Erfolg auch eintritt.


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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

29.05.2012 um 23:34
Wenn ich dreimal ne Bank überfalle und muss immer wieder vor der Geldübergabe flüchten, bin ich dann kein Bankräuber, weil ich die Tat nicht ausführen konnte?


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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

29.05.2012 um 23:38
Der Versuch soll bestraft werden.


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jayjaypg Diskussionsleiter
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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

30.05.2012 um 00:49
@Smithonian
Eigentlich geht es mir weniger ( aber auch ) um die Versuchsstrafbarkeit, sondern um Gefährdungsdelikte. Sprich: Es entsteht kein Nachteil für niemanden, aber der Staat straft ein Verhalten, dass er mißbilligend findet. Und für die Juristen: Man könnte ja mal überlegen, wie das mit Art. 2 I GG zusammenpasst.


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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

30.05.2012 um 10:26
Zitat von jayjaypgjayjaypg schrieb:Dein Kind aber ist tot. Fändest Du das gerecht?
aber ohne alic/§323a würde der Täter doch überhaupt nicht bestraft, da er zum Tatzeitpunkt schuldunfähig war.
Möchtest Du:
- dass der Täter nicht bestraft wird, da er schuldunfähig ist, oder
- die Schuldfrage ignoriert wird, und der Täter gemäß des begangenen TB bestraft wird?
Es gibt doch nur die drei Möglichkeiten: keine Bestrafung, Vorverlagerung der Schuld, Ignorieren der Schuldfrage.

Welche der drei Varianten findest Du am wenigsten oder meisten gerecht?
Zitat von jayjaypgjayjaypg schrieb:Man könnte ja mal überlegen, wie das mit Art. 2 I GG zusammenpasst.
so:
jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Zitat von jayjaypgjayjaypg schrieb:Sprich: Es entsteht kein Nachteil für niemanden
Doch.
Indem er ein vermeidbares erhöhtes Gefährdungspotential schafft, verletzt er die rechte der anderen, sich nicht unnötigen Risiken ausgesetzt zu sehen. Die Rechte der anderen, möglichst risikoarm durchs Leben zu kommen (d.h. nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, dass ein Drittel der Verkehrsteilnehmer stockbesoffen zwei Tonnen Stahl mit 100 km/h durch die gegend bewegen) überwiegen die Rechte dejenigen, der sich die Kante gibt UND noch ein Auto fahren möchte.

Ich finde das sehr nachvollziehbar.


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jayjaypg Diskussionsleiter
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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

30.05.2012 um 10:28
@kleinundgrün
Ich geb klein bei. Mir fällt auch keine bessere Lösung ein. Das deutsche Strafrecht mag zwar nicht perfekt sein, aber noch die beste Wahl zwischen Pest und Cholera.


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jayjaypg Diskussionsleiter
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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

30.05.2012 um 10:29
Allerdings find ich es noch immer ungerecht, dass der Anstifter wie der Täter bestraft wird.


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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

30.05.2012 um 10:31
@jayjaypg
dass der Strafrahmen des Anstifters, dem des täters entspricht ist in meinen Augen auch richtig so. Ohne den Anstifter wäre es ja garnicht erst zur Straftat des Haupttäters gekommen


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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

30.05.2012 um 10:32
@jayjaypg

Naja der springende Punkt bei deinem Beispiel ist, dass der Betrunkene im ersten Fall eine Strafe erhält, weil er eine potenziell sehr gefährliche Handlung durchführte.

Ja, schön, Dorfstraße, 2 Uhr nachts, da läuft kein Schwein rum. Jedoch KANN es so sein, dass ihm z.B. ein Besoffener vor`s Auto läuft. Oder möglicherweise ist der Nachbar ein Bäcker, der früh raus muss und der dann gerade vom Betrunkenen in der Einfahrt über den Haufen gefahren wird.

Diese Gefahr besteht zweifellos, diese Gefahr geht der Betrunkene ein. Daher die Strafe.

Auch denke ich, dass der Gleichbehandlungsgedanke eine Rolle spielt.

Sprich es soll nicht so sein, dass der eine besoffene Autofahrer, der keinen Unfall baut, davon kommt und der besoffene Autofahrer, der einen Unfall baut, einen auf den Deckel bekommt.

Ich find das schon korrekt, Auto sollte man nur dann fahren, wenn man auch vollkommen Herr seiner Sinne ist. Sprich nicht unter Einfluss von bewusstseinsverändernden Mitteln.


Bei der anderen Geschichte: Naja, das mag ja sein, dass der Typ mit den Depressionen sich in einem besonderen, psychischen Zustand befindet, als er das Kind überfährt.

Vielleicht wird man ihm eine gewisse, verminderte Schuldfähigkeit zugestehen.

Trotzdem sag ich auch hier: Das darf nicht bedeuten, dass er machen kann, was er will.

Sonst könnte sich ja jeder vorher bis zu einem gewissen Maß betrinken/Drogen nehmen und wenn er dann bei einem Verbrechen erwischt wird, auf Schuldunfähigkeit verweisen.


Ich sage auch hier: Autofahren nur dann, wenn man völlig Herr seiner Sinne ist!


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30.05.2012 um 10:32
Zitat von jayjaypgjayjaypg schrieb:Allerdings find ich es noch immer ungerecht, dass der Anstifter wie der Täter bestraft wird.
Der klassische Fall ist der Auftragsmord. Die Ehefrau (E) will ihren reichen Gatten (G) baldmöglichst beerben. Sie möchte ihn nicht selbst töten, sondern gibt M 100.000,- damit er G tötet.

Ich finde, der Unrechtsgehalt der Tat von E ist kein bisschen geringer als der von M. Sie ist lediglich klüger oder feiger als M.


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30.05.2012 um 10:35
Zitat von jayjaypgjayjaypg schrieb:Allerdings find ich es noch immer ungerecht, dass der Anstifter wie der Täter bestraft wird.
Der Anstifter zu einer Straftat sollte in meinen Augen noch deutlich mehr auf den Deckel kriegen!

Bei ihm kommt eine gewisse, kriminelle Energie zum tragen - er will sich nicht selbst die Hände schmutzig machen, er ist zu feige, er will andere in Schwierigkeiten bringen, er verführt Leute, die vielleicht durch eine einzelne Tat ihr Leben versauen...

Das sind in meinen Augen alles verwerfliche Gründe, wofür es extra Strafen geben sollte!


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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

30.05.2012 um 10:37
Zitat von KcKc schrieb:Das sind in meinen Augen alles verwerfliche Gründe, wofür es extra Strafen geben sollte!
Auf der anderen Seite tut er eigentlich nichts. Der Angestiftete trifft ja selbst die Entscheidung, den anderen zu töten.


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jayjaypg Diskussionsleiter
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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

30.05.2012 um 10:41
@kleinundgrün
@Kc
Aber nicht, wenn Anstiftung so verstanden wird, wie es die Gerichte tun. Es genügt das Hervorrufen der Tatentschlusses. Eine gewissermaßen fahrlässige Anstiftung reicht aus.


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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

30.05.2012 um 10:41
Zitat von kleinundgrünkleinundgrün schrieb:Auf der anderen Seite tut er eigentlich nichts. Der Angestiftete trifft ja selbst die Entscheidung, den anderen zu töten.
Er trifft diese Entscheidung aber oftmals nicht frei. Sondern er wird z.B. emotional unter Druck gesetzt.

Das kann beispielsweise dadurch geschehen, dass eine Frau ihrem hörigen Liebhaber immer vorheult, wie böse doch ihr Mann sei und sie von dem immer fertig gemacht würde und er sie nur dadurch befreien könne, dass er den Typ ,,wegmacht" - in der Absicht, den Liebhaber zum Mord zu bewegen.

Dies ist keine freie Entscheidung.


Anstiftung zu Straftaten wird in meinen Augen zurecht bestraft und sollte auch ruhig deutlich bestraft werden. Denn ich finde, es ist nicht zu akzeptieren, wenn man solch eine kriminelle Energie zeigt, dass man sich nicht selbst die Finger schmutzig machen will, sondern durch ein ,,Werkzeug" handelt und möglicherweise dessen Leben auch zerstört.


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jayjaypg Diskussionsleiter
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30.05.2012 um 10:43
@Kc
Ich finde ja auch, dass Anstiftung bestraft werden muß. Aber nicht in dem Maße, wie die Haupttat. Denn darüber reden, und es dann auch wirklich machen, das sind für mich noch zwei verschiedene Paar Schuhe.


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Strafrecht: Verhaltens- oder Ergebnisorientiert?

30.05.2012 um 10:44
Zitat von KcKc schrieb:Dies ist keine freie Entscheidung.
Aber natürlich. Sonst könnte der Liebhaber doch gar nicht bestraft werden.

wenn wirklich keine freie Entscheidung vorliegt, ist das keine Anstiftung mehr sondern eine sog. mittelbare Täterschaft. Das führt aber hier zu weit.


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