Abschaum der modernen Arbeitswelt
27.11.2011 um 22:52
Zeitarbeit war ursprünglich tatsächlich eine gute, löbliche Idee, um den Arbeitsmarkt aufzumischen, um saisonal bedingt zusätzlich benötigte Kapazitäten in größeren Betrieben abzudecken und vor allem, aus Sicht des Leiharbeiters, eine berufliche Perspektive zu erhalten. Tatsächlich wurde dieses gut gemeinte System sogleich unterwandert und hintergangen von Taschenspielern und Manager-Karikaturen, die eine billige, schnell wischi-waschi angelernte Arbeitskraft für ansonsten hochpreisig besetzte, anspruchsvolle Positionen in ihren Betrieben suchten. Ich war selbst 1,5 Jahre lang "Leiher", erlebte so manche Stilblüte und reichlich Mißbrauch von guten Arbeitskräften. Beispiel: ein Leiharbeiter kostete (damals, 2004) den Betrieb pro Stunde 38 Euro (!), mehr als ein fest angestellter Facharbeiter. Verdient habe ich damals 6,90 Euro pro Stunde BRUTTO, zuzüglich Staplerfahrer-Pauschale. Alle anfallenden Kosten wie An-und Abfahrten zur Dienststelle, teilweise 60, 70 km vom Wohnort entfernt, hatten wir selbst zu tragen. Fahrtenbuch führen war ja wohl Pflicht, um über den Lohnsteuer-Jahresausgleich zumindest einen Teilbetrag wieder herein zu holen. Ich bekleidete verschiedene Positionen in mehreren Betrieben. Wechselnd je nach Bedarf. Um es kurz zu machen: innerhalb weniger Tage schaffte ich mehr weg als die mir vorgesetzten fest angestellten "Fachkräfte". Ich arbeitete in produzierenden Betrieben, die zu 80 % mit Kollegen aus dem "Personal-Leasing" besetzt waren. Selbst in exponierten Positionen! Ich machte weniger Zigarettenpausen als die "Festen", schaffte mehr, war motivierter, durchschaute innerhalb weniger Wochen die Betriebsstrukturen und wußte, wer ein Arschloch war und auf wen Verlaß war. Die Arschlöcher überwogen. An der Tagesordnung waren Verpissen, Pausen machen, Dummes Zeug daherreden und über die Abteilungsleitung hetzen, ich erfuhr mehr Interna, als ich wissen wollte und jemals erfragte. Mir wurden Versprechungen gemacht, meine Übernahme wäre nur eine Formalität, ich wäre ja "safe", immerhin war ich nach vier Monaten in der Lage, zusammen mit einem Kollegen aus derselben "Leihe" eine ganze Abteilung zu LEITEN, zu FÜHREN, ja, die kamen bei uns an und fragten, was zu tun sei, wir wickelten dann eine ganze Filiale komplett ab und wir zwei halfen, den Laden abzuschließen. Meine hauptsächliche Menschenkenntnis erwarb ich in diesen wechselhaften Zeiten. Manchmal fühlte ich mich wie eine tariflich unterbezahlte männliche Nutte.
Einige wirklich gute Kollegen, die ich in dieser Zeit kennen lernte, arbeiten wahrscheinlich noch heute für 7 Euro und n paar Zerhackte. Die waren richtig gut und fleißig, doch immer dann, wenn nach zwei Jahren im selben Betrieb ein (natürlich besser dotierter) Festvertrag drohte, wurden diese Kollegen plötzlich immer für ein, zwei Monate in andere Firmen abgerufen. So was aber auch. Danach wanderten diese armen Sklaven zurück in ihren "Stammbetrieb".