@ Smithonian
Ich gebe zu, es ist schwer, hier richtig zu formulieren. Ich bin kein Jurist.
Ich wollte nicht sagen, die Menschenwürde sei für G. 'außer Kraft gesetzt' Sie war gar nicht betroffen/beteiligt/involviert. Die Menschenwürde ist ein Wert, der wie alle Werte nur im kommunikativen Kontext aufscheint. Sie ist eine soziale Bringschuld. Darum kann sie nur innerhalb moralisch relevanter Kontexte gefordert werden.
Ich habe hier versucht, umständlich darzulegen, dass in Bezug auf G. ein solcher Kontext nicht vorhanden war, weil die Bringschuldner, die Polizisten, mit ihrer anderen Aufgabe unabkömmlich entschuldigt waren. Es ist falsch, dass ich behauptet habe, der Staat dürfe die Menschenwürde außer Kraft setzen. Das werde ich auch nie fordern.
Ich habe vielmehr zugunsten der Polizeibeamten versucht zu belegen, dass sie nicht tangiert war.
Ich wollte generell keine Aussagen über staaatliche Gesetze machen. Es ging mir nur um den ganz konkreten Einzelfall und nichts darüber hinaus.
Weil ich mich nicht damit abfinden kann, dass zwischen allseits einsichtiger Sittlichkeit und formaler Legalität eine Lücke klaffen soll.
Nicht die Exekutive muss auf Biegen und Brechen auf das positive, geschriebene, also veränderbare Gesetz aufschließen, aber auch nicht die Legislative prekäre Einzelfälle noch genauer umschreiben. Dann müsste demnächst jeder Polizist immer mit dem Grundgesetz unterm Arm herumlaufen und wäre noch mehr gehandicapt...
Nein, Gesetz und konkrete Ausführung müssen im richtigen Verhältnis zueinander balanciert sein.
Moral und jedes richtige Handeln entsteht - so meine Theorie - nur in der jeweiligen Entscheidungssituation des Einzelnen und ist ihren Forderungen vor dem Hintergrund von Recht und geltendem Gesetz aktuell anzupassen....
Das staatliche Gesetz ist im Bewusstsein gegenwärtig, aber nur als Richtschnur. Es ist niemals a b s o l u t . (Wenn der Beamte sein Gewissen hinter das Formaljuristische zurückstellen muss, wo landen wir dann? Wo wir vor 79 Jahren schon mal waren!...)
@LivingElvis Ich kann leider nicht auf deinen Text eingehen, weil ich über die Hierarchieverhältnisse und all die Hintergründe überhaupt nichts mitverfolgt habe damals.
@kleinundgrünIch gebe zu: Es mag schwierig sein, meinem Text zu folgen und zu verstehen, was ich gemeint habe. Weil mir als Nichtjuristen die Fachausdrücke fehlen. Da bin ich natürlich auf Wohlwollen angewiesen.
Ich habe aber eine bestimmte Idee: dass die Moral über dem Recht steht und vor ihm war und dass man das bei jeder Anwendung der Gesetze im Hinterkopf haben muss. Gesetze, so meine ich, sind unvollkommenes Menschenwerk. Ihre A b s o l u t s e t z u n g führt unweigerlich in die Diktatur und pervertiert am Ende die Menschenwürde. Weil sie eben gar nicht perfekt sein k ö n n e n .
Nun zu deiner Kritik:
1. Das mit dem 'Verwirken' habe ich ja selbst sofort zurückgenommen. Es sollte aber ein Denkanstoß sein.
Mein Plädoyer für die Beamten beruht auf der Voraussetzung des übergesetzlichen Notstands oder der Nothilfe. Ausweitungen auf andere Fälle wären also automatisch auf 'Notstände' begrenzt. Darüber hinaus ziele ich hier überhaupt nicht auf Regelformulierung, sondern ausschließlich auf die nachträgliche rechtliche Beurteilung der Haftung der Beamten, die m. E. fehlerhaft war.
Die Gefahr willkürlicher Folter durch die Polizei kannst du aus obigem in keiner Wese ableiten.
Auch war das von dir genannte Risiko, an einen 'Unschuldigen' zu geraten, im konkreten Fall ja
bereits sicher ausgeschlossen.
Deine Frage nach Kriterien für 'Verwirkung' darfst du ebenfalls hier nicht stellen. Das Kriterium war kein theoretisches, sondern konkret und bereits bekannt: Mord.
Zu 2., deinem Beispiel. Es lässt sich nicht vergleichen. Hier liegt Hausfriedensbruch, Freiheitsberaubung, Körperverletzung und Bedrohung vor: vier Straftaten bzw Verbrechen. Der Bedrohte ist zu Unrecht in der Gewalt des Folterers. Dort aber war die Situation des Ausgeliefertseins rechtmäßig. In deinem Beispiel des Überfalls zielt die Folterandrohung vermutlich auf Erpressung - ein fünfte Straftat. Auf der Polizeiwache hatte die Drohung jedoch ehrenwerte, ja sittlich höchststehende Motive. Auch ist die Panik bei einer Person, die bereits gerade Unrecht erlitten hat, gewiss größer als bei einem, der bereits 'auf der anderen Seite' steht. Auch konnte er sich lange genug darauf vorbereiten und müßte es eigentlich unter 'Berufsrisiko' verbuchen.
Noch zu "Habe nur ein bisschen geredet" im Zusammenhang mit Folterandrohung: Es sind, nebenbei bemerkt, im alltäglichen Leben harmlose, ja gerechtfertigte Fälle häufig: Sogar jemand, der ein geringeres Delikt gegenüber einem anderen begangen hätte oder dazu im Begriff wäre, müsste sich auf Bedrohung als Abwehr gefasst machen, die regelmäßig nicht in die Tat umgesetzt wird und nicht ins Gewicht fällt. ("Wenn du nochmal meinen Gartenzaun anrempelst, kannst du dich auf was gefasst machen!")
Wer bringt hier also "unsinnige Beispiele", du oder ich?
Das dann folgende zitierte Textstück wertest du einfach ohne Begründung ironisch ab.
Mein nächstes Beispiel verzerrst du genauso mutwillig. Ich hatte in der Klammer ausdrücklich die Verhältnismäßigkeit der Mittel erwähnt!
Wer ist es also, der 'einfach nicht begreift'?
Steht wirklich in meinem Text das 'Zugeständnis an den Staat, er dürfe unter bestimmten Voraussetzungen foltern' ? Das lehne ich doch nicht weniger ab als du. Ich habe zu Staatsrechten aber sowieso keine Aussage gemacht.
'Es muss für jeden Menschen klar sein: Ich werde nicht rechtmäßig gefoltert.' Diesen Satz von dir kann ich ebenfalls unterschreiben.
(Alles andere aber nur unter Folter.) ^^
Und achte bitte immer schön auf meine Menschenwürde, ja?
In einer Polizeiwache möchte ich dir nicht unbedingt begegnen... oooh