@Draiiipunkt0 Wie ich bereits schrieb unterscheiden sich unsere Ansichten davon, was Freiheit bedeutet.
Hier mal eine weitere Definition, der ich zustimme (Duden):
Zustand, in dem jemand von bestimmten persönlichen oder gesellschaftlichen, als Zwang oder Last empfundenen Bindungen oder Verpflichtungen frei ist[...]
Jo, aber nicht von allen.
Der Defintion kann ich auch zustimmen.
Draiiipunkt0 schrieb:Also der Zustand, in dem es KEINE Zwänge, Bindungen oder Verpflichtungen gibt.
Gibt es irgendeinen Zwang, ist man laut dieser Definition nicht frei.
So sieht das der Kompatibilsmus auch: Innere und äußere Zwänge beschränken die Freiheit.
RoseHunter schrieb:
Was deiner These fehlt und die damit unwissenschaftlich macht, ist, dass sie nur eine Behauptung und nicht zu widerlegen ist.
Ich komme aus der Rechtswissenschaft. Meine Herangehensweise ist immer: Definition, Argumentation, Ergebnis.
Darauf werden wir uns einigen können.
Draiiipunkt0 schrieb:Ich finde dieses Beispiel beweist genau das Gegenteil, denn der Räuber zwingt dich ja dazu, in irgendeiner Weise auf ihn zu reagieren.
Ja, aber wie du reagierst, bleibt dir überlassen. (In solchen Extremfällen natürlich mit starken Einschränkungen, aber prinzipiell kannst du reagieren, wie du lustig bist.)
Aber wir sind hier an einem Punkt, bei dem ich glaube, dass es prinzipiell hakt.
Du scheinst unter Freiheit zu verstehen, dass man aus allen Kausalketten raus ist und vollkommen autonom und ursachenlos existiert. In meiner Welt ist das allerdings nicht denkbar.
Wie stehst du dazu?
Draiiipunkt0 schrieb:Bleiben wir mal bei Zwang:
Du behauptest es gäbe einen freien Willen, also müsste ich mich ja entscheiden können, einfach mal zwei Stunden nicht zu atmen
Nein, nach ein paar Minuten wirst du ohnmächtig, bis dahin geht das allerdings, und atmest automatisch weiter.
Ich behaupte nicht, dass der Mensch frei von allen Kausalketten ist. Man kann ja auch nicht per Wunsch die Schwerkraft außer kraft setzen.
Draiiipunkt0 schrieb:Kann ich aber nicht, ohne mir selbst Gewalt anzutun.
Daraus schließe ich, dass Atmen ein Zwang ist. Jeder Mensch atmet, somit ist niemand frei.
Nimm die Zellteilung, das wäre überzeugender.
Aber das ist doch nicht das einzige was der Mensch tut, atmen und Zellen teilen. Niemand macht die Willensfreiheit daran fest, sondern daran, dass wir unser Leben in bestimmten Grenzen frei gestalten können.
Wenn du aus den Rechtswissenschaften kommst, muss dir doch gerade die Idee der nicht vorhandenen Willensfreiheit tendenziell quer gehen. Rechtlich gelten wir ja a priori als freie und selbstverantwortliche Wesen, bis zum Beweis des Gegenteils.
Ich kann doch nicht klauen und sagen: "Tut mir leid, war ich nicht, mein Gehirn war es."
Draiiipunkt0 schrieb:Allerdings ist mein Standpunkt nur eine Meinung, genau wie deiner.
Ich würde niemals behaupten, dass meine Aussagen stimmen.
Das würde ja auch meiner Argumentation widersprechen, da ich auch "nur" ein (unfreier) Mensch bin, der nicht über alle Informationen der Welt verfügt, und sich somit irren kann.
Ein nettes aber mMn nach unnötiges Zugeständnis.
Wissen tun wir es alle nicht, aber wir sind in der Lage unsere Argumente vorzubringen und zu überprüfen. Dafür haben wir Instrumentarien, z.B. die Logik, die Rhetorik usw.
Draiiipunkt0 schrieb:Also würdest du zustimmen, dass kein Mensch zu 100% frei ist?
Kommt drauf an, was man unter Freiheit versteht.
Wie gesagt, ich bin da kompatibilsitsch unterwegs, daraus folgt, dass ich meine Freiheit nicht daran festmachen muss, dass ich augenblicklich meine Zellteilung stoppe oder die Lottozahlen kenne.
Ich würde sagen, dass ich jetzt bestimmte Prämissen haben (die morgen anders sein können), mit denen deale ich jetzt und das Ergebnis wäre mein freier Wille. Das geht eigentlich immer, was nicht immer (aber sehr oft) geht, ist der Schritt von der Willens- zur Handlungsfreiheit.
Die kann durch Zwänge oder die natürlichen Grenzen beschränkt sein.
Draiiipunkt0 schrieb:Der Mensch ist ein paradoxes Wesen - da sind wir uns glaube ich einig - und er unterliegt andauernd Illusionen.
Du musst aber auch hier sagen, warum Illusionen für dich Illusionen sind. Halluzinierst du gerade? Du schreibst so, dass ich das nicht vermuten würde.
Schreibe ich so weit an dir vorbei, dass du denkst, ich sei vollkommen druchgenknallt? Ich vermute nicht. Also ist doch dieses pauschale: Alles Illusion, ein fragwürdiges Konstrukt.
Wenn du willst, kann ich dir die Selbstwidersprüche des Konstruktivismus (das ist die Idee, aus der diese Sichtweise, dass wir nur auf der Benutzeroberfläche agieren und die Musik woanders spielt) erläutern. Du bist intelligent und so wie ich es sehe undogmatisch genug es zu verstehen.
Draiiipunkt0 schrieb:Zum Beispiel unsere Diskussion: wir bilden uns ein, wir wären mit unseren Ansichten "an vorderster Front", dabei sind wir nur zwei Menschen, die ihre Meinung in einem Forum zum Ausdruck bringen, was kaum jemand jemals lesen wird.
Du wirfst hier zwei Bereich durcheinander. Erstens, etwas von der Sache zu verstehen, zweitens, gelesen zu werden und dadurch noch die Welt aus den Angeln zu heben.
In der Willensfreiheitsdiskussion kenne ich mich in der Tat gut aus, weil ich sie mit guten Leuten, von denen ich lernen durfte geführt habe.
Draiiipunkt0 schrieb: Wer von uns beiden recht hat, werden wir vor unserem Tod wohl nicht mehr erfahren.
Wenn du Argumenten vertraust und nicht denkst, sie seien stets völlig aus der Luft gegriffen, bin ich recht sicher, dass man das klären kann.
Philosophisch ist die Sache wahrlich kein Buch mit sieben Siegeln, es hat um die Neurowissenschaften nur einen großen Hype gegeben, der inzwischen abebbt, Reste sind halt diese "Die Hirnforschug hat bewiesen, dass es keinen freien Willen gibt" Quatschgeschichten, die inzwischen sogar den meisten Neurowissenschaftlern peinlich sind.
Das weitere Problem ist, etwas boshaft gesagt (und ich meine hier nicht dich!), dass diejenigen, die daran glauben, sich für überdurchschnittlich gebildet halten, im Grunde aber nicht mal in der Lage sind zu reflektieren, dass ihr eigener Glaube ein solcher ist und das es andere Denkansätze gibt.