@Alarmi Ohm danke
:) :DNe, also mir gehts da wirklich nur um den "Wert des Lebens für andere entscheiden" Punkt, denn das kann meiner Meinung nach einfach niemand, außer der Person selbst.
@Mytochondrium Ich bin auch Kind meiner Mutter. Es geht an der Stelle nicht um das Alter, sondern um den Bezug der Personen zueinander. Natürlich kann ein Kind (jetzt natürlich im Bezug aufs Alter) die Tragweite einer solchen Entscheidung nicht umfassen. Diese Problematik hat ja auch schon
@Heide_witzka angesprochen, weitere Ausführungen dazu also weiter unten im Text.
@Heide_witzka Heide_witzka schrieb:Was macht man mit geistig eingeschränkten Kindern, die auch nach erreuichen der Volljährigkeit keine rechtssicheren Aussagen tätigen können?
Da sehe ich ehrlich gesagt bisher auch keine passende Option. Ich nehm mal als Beispiel das Mädel (damals 15), das ich in der Lebenshilfe betreut hab (kognitiv auf dem Level eines Kleinkindes), der hat man ja Gott sei Dank sehr stark angemerkt, dass sie täglich sehr viel Spaß hatte, sofern man denn in dem Fall die typischen äußerlichen Merkmale hernimmt, an denen man so etwas im Normalfall ableiten kann, das bedeutet aber ebenfalls, dass man ein unglücklich sein oder einen enorm hohen Leidensdruck auch lediglich an den typischen äußeren Merkmalen feststellen könnte und da müsste sich dann die Frage stellen, was wären ausreichend aussagekräftige Indikatoren, um festzustellen, dass der Mensch nicht leben möchte? Und überhaupt, kann jemand, mit so eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten überhaupt denken "ich möchte nicht leben"? Ich wage es zu bezweifeln, das wird sich dann wohl eher auf negative Grundgefühle belaufen, die die Person aber auch gar nicht sinnhaft zuordnen kann. Also woran misst man?
Generell denke ich, dass Leiden ein Teil des Lebens ist. Kein Leben ist ohne Leid, ohne Schmerz, ohne Kummer, ohne Probleme, ohne Krisen und auch wenn man diese Faktoren im Leben selbst als negativ betitelt, so sind sie - für mich - kein automatischer Grund, die "Lebensqualität" (gibt es ein Substantiv für "lebenswert"?
:ask: Ich nutz Lebensqualität jetzt einfach mal dafür) auf ein Level zu bringen, an dem man für sich selbst entscheidet, dass man nicht mehr leben möchte. Manche Menschen kommen mit Problem X gut klar, manche verzweifeln daran und leiden massiv, genauso verhält es sich z.B. mit psychischen Erkrankungen. Ich habe eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert und habe immer mal wieder Phasen, in denen die depressiven Episoden stark ausgeprägt sind und die Zeit, in der insofern auch die Symptome dementsprechend ausgeprägt sind, sind manchmal erdrückend und ich fühle mich, als würde das Leben nie wieder besser werden. Ich weiß aber kognitiv, dass ich vermutlich an nichts ewig so massiv leiden werde, dass es meine Lebensqualität auch massiv beeinträchtigt und das ist eine Strategie, die man sich erarbeiten kann, um damit umzugehen.
Und das ist das Ausschlaggebende: Den richtigen Umgang mit Dingen zu finden. Und klar, das kann leider nicht jeder. Manche nicht, weil sie kognitiv oder körperlich nicht in der Lage sind, manche nicht, weil sie nicht die Kraft haben, sich Hilfe zu suchen. Mal nebenbei: Ich bin auch der Meinung, dass es viel zu wenige Hilfsangebote gibt. Ich arbeite im ambulanten Setting mit psychisch kranken Erwachsenen, unsere Einrichtung ist relativ groß und dementsprechend betreuen wir auch viele Menschen. So etwas gibt es beispielsweise in meiner Heimat überhaupt nicht (und da reden wir auch von größeren Städten), nur im ganz, ganz kleinen Rahmen und das kann ich nicht nachvollziehen. Das sind Menschen, die noch gut alleine in ihrer Wohnung leben können, aber trotzdem Hilfe im Alltag benötigen. Wir haben dieses Jahr jemanden wieder eingegliedert, der zwei Suizidversuche hinter sich hat, den ich vor ein paar Wochen noch in der Stadt getroffen hab. Er hat mir gesagt, wie froh er ist, dass er das jetzt alles auf die Reihe bekommen hat und dass er das erste Mal seit Langem froh ist, zu leben. Da kann man nun diskutieren; besser lange leiden, nur um die Chance zu haben, irgendwann doch mal ein zufriedenstellendes Leben führen zu können oder lieber gar nicht erst leben und sich das Leid ersparen? Das ist eben der Punkt, an dem ich denke, dass das niemand vorher entscheiden kann, auch wenn ich natürlich die Schwierigkeiten sehe, die das mit sich bringt.
Heide_witzka schrieb:Lässt man die anderen Kinder leiden, bis sie volljährig sind und dann die Entscheidung treffen?
Auch hier kann ich dir keine "Lösung" nennen. Ich würde gern, aber ich persönlich habe noch keine finden können, die ich angemessen fände. Man muss hier natürlich auch bedenken, dass Kinder bis zu einem gewissen Alter noch gar nicht umfassen können, was der Tod für eine Bedeutung hat. Ich bin zwar der Meinung, dass auch ich den Tod nicht vollumfänglich kognitiv erfassen kann (ich bin auch der Meinung, dass das niemand kann), aber durchschnittlich ab Beginn des jugendlichen Alters beginnen Kids dann doch, sich mit dem Thema auf einer kognitiv höheren Ebene zu beschäftigen und denken auch vermehrt über den eigenen Tod nach. Das kann natürlich auch variieren, ganz klar.
Dann ist die Frage, die man sich stellen muss doch, ob es überhaupt die Möglichkeit für Minderjährige geben sollte, selbst zu entscheiden, wann sie sterben wollen und das auf eine humane Art und nicht durch Suizid? Und ich finde, das ist eine sehr schwere Frage. Ich hatte bei weitem keine rosige Kindheit und hab mit neun Jahren meiner Mutter gegenüber den Wunsch geäußert, zu sterben. Hatte ich Ahnung, was das bedeutet? Nein. Hab ich meine Meinung geändert und halte mein Leben jetzt für lebenswert? Ganz klar, ja. Was aber anscheinend da war, war der Wunsch nach dem Ende des Leidens und das ist ja auch die durchschnittliche Intention bei Menschen, die Suizid begehen.
Also, was genau muss ausschlaggebend sein? Der Wunsch nach dem Tod per se oder der Wunsch danach, ein Leiden zu beenden? Ich behaupte, dass es Zweiteres ist und dass dieser Wunsch auch bei Kindern schon sehr deutlich vorhanden sein kann.
Das Kind einer Bekannten von mir litt an Mukoviszidose und ist im Alter von 8 Jahren verstorben. Sie wusste, dass sie unheilbar krank ist und litt darunter auch sehr, genauso wie die Mutter. Und trotzdem war sie grundsätzlich ein sehr fröhliches Mädchen, deutlich fröhlicher als ihre Geschwister und sie hat das Leben geliebt. Natürlich ist es grausam und schrecklich, dass sie so früh sterben musste, aber die Zeit, die sie hier hatte, hat sie für sich dementsprechend genießen und wertschätzen können. Das klingt vielleicht hart, aber ich finde das deutlich besser, als hätte man ihr nie eine Chance gegeben. Auch wenn sie am Ende eine Krankheit hatte, die ihr Leben frühzeitig beendet hat.
Aber was ist, wenn das Kind selbst den Wunsch geäußert hätte, zu sterben? Ganz ehrlich, ich finde ihn legitim und ich finde auch, dass Kinder, sofern sie unheilbar krank sind, durchaus äußern dürfen und sollen, wenn sie sich wünschen, dass das Leiden ein Ende hat und dass man dann auch dementsprechend damit umgeht und auch als Elternteil den schweren Weg mitgeht.
Im Bezug auf nicht tödlich verlaufende Erkrankungen, ob das nun eine Behinderung ist oder eine psychische Erkrankung, finde ich es sehr, sehr schwierig etwas dazu zu sagen. Denn auch da kann ein Kind den Wunsch verspüren seinem Leiden ein Ende setzen zu wollen, aber da würde ich eher auf dementsprechend adäquate Unterstützung und Hilfe setzen, denn die Persönlichkeit ist (im Bezug auf psychische Erkrankungen) im Kindes- und Jugendalter einfach noch nicht gefestigt, das sind Prozesse, die erst noch kommen und viele Veränderungen mit sich bringen.
Bei einer kognitiven Einschränkung, die so weitreichend ist, dass der Mensch nicht mündig ist, kann ich dir ehrlich gesagt keine wirkliche Antwort geben, auch wenn ich es gern könnte, aber wie gesagt, ich hab leider nicht für alles eine Lösung oder Idee. Und trotzdem bin ich der Meinung, dass niemand sonst über die Lebensqualität/den Lebenswert entscheiden kann, als die Person selbst.
Heide_witzka schrieb:Was macht man mit Eltern, die sich da der Verantwortung entziehen?
Ihnen die Verantwortung entziehen
:DNe, ich fände da ein System, ähnlich wie das Prinzip des Jugendamtes durchaus vorstellbar, gerade im Bereich der Behinderungen. Die Frage ist doch, wieso entziehen sich die Eltern der Verantwortung? Haben sie keinen Bock? Sind sie nicht in der Lage, weil sie überfordert sind? Haben sie selbst zu große Belastungen und können dem Kind nicht gerecht werden? Die ersten beiden Punkte kann man (zumindest theoretisch) gut abdecken, nämlich mit dementsprechenden Hilfseinrichtungen. Ich bin der Meinung, dass die Abdeckung, die wir da an Hilfssystemen in Deutschland haben, viel zu gering ist und dass das etwas ist, an dem sich dringend etwas tun sollte, aber das sind ja leider nur meine schönen, theoretischen Vorstellungen.
Heide_witzka schrieb:Wie soll die legale Sterbehilfe von wem durchgeführt werden ect. ?
Damit hab ich mich ehrlich gesagt noch nicht auseinandergesetzt, werd aber mal versuchen das die Tage nachzuholen.
Ich befürchte, ich hab da jetzt sehr viel zusammen in Abschnitte gepackt, was man eigentlich eher trennen sollte, also psychische Erkrankungen, Behinderungen, usw., aber du bist ja ein schlaues Kerlchen, also enttäusch mich nicht, immerhin halt ich viel von dir
:P: Allgemein lässt sich sagen, dass ich einen Ausbau diverser Hilfssysteme wünschenswert fände, frag mich jetzt aber bitte nicht, wie das finanziert und genau umgesetzt werden sollte, das ist nämlich auch etwas, mit dem ich mich noch nicht intensiver befasst hab
:D