Ich vermute, dass das, was ich zu Beginn des Threads befürchtet hatte, also lange vor Sylt, inzwischen eingetreten ist: Dass der Titel "L'amour toujours" zwischenzeitlich zu einer rechten Chiffre, zu einer Art rechtem Code geworden ist - ohne, dass man dem Song oder dem Künstler einen Vorwurf daraus machen kann.
Insofern finde ich es unter den aktuellen Bedingungen nur folgerichtig, dass man für eine gewisse Zeit vermeidet, den Titel bei Tanzveranstaltungen aufzulegen - natürlich hat auch die Empörung über die Vorfälle zu einer weiteren Bekanntheit der Umdichtung geführt. Ich wüsste allerdings nicht, warum man deshalb nicht darüber diskutieren sollte - dass man sich nun ausschließlich auf Sylt kapriziert und die vielen anderen ähnlich gelagerten Vorfälle anderswo, mit zum Teil zahlen- und anteilsmäßig wesentlich höherer Beteiligung der Anwesenden, nicht so genau betrachtet, verstehe ich nicht ganz.
Jeder Vorfall sollte als Phänomen des gleichen Trends wahrgenommen und beurteilt werden.
Von kommunalen Veranstaltern erwartet man zurecht, dass sie Vorkehrungen treffen, dass eine öffentlich Veranstaltung nicht als Bühne für solche Aktionen missbraucht werden kann. Von einem "Verbot" des Titels zu sprechen, wie dies wohl auch Mitarbeiter oder Verantwortliche der Stadt München getan haben, ist sachlich richtig: Ich kann auch den Ausschank von bestimmten Getränken verbieten, wenn sie die Gesundheit der Besucher gefährden (ich denke da an diese Kaltgetränke mit Kugeln darin), oder ich kann andere Dinge untersagen. Das Verbot leitet sich dann aus einer konkreten Sorge für die Sicherheit der Veranstaltung ab und ist nicht mit einer "Zensur" oder ähnlichem zu vergleichen.
Offenbar reagieren viele auf "Verbote" allergisch - vielleicht sollte man daran erinnern, dass vieles nicht erlaubt ist, was einigen Spaß zu bereiten scheint: Magnetangeln in Seen, Motorradfahren querfeldein im Wald, Überqueren einer Autobahn zu Fuß.
Bei Kulturgütern, das kann ich persönlich nachvollziehen, ist die Empfindlichkeit gegen Verbote besonders hoch. Hier haben wir aber den Sonderfall, dass der hier thematisierte Song als solcher nicht zu beanstanden ist. Es ist die
Verwendung in einem bestimmten Kontext; das wird allen von einem "Verbot" Betroffenen hinreichend klar sein.
Im übrigen sei darauf verwiesen, dass selbt die
Melodie des so genannten
Horst-Wessel-Liedes aus der NS-Zeit heute verboten ist, mithin muss ein verbotenes Lied gar nicht mit Text, welcher Art auch immer, aufgeführt werden:
Nach § 86a StGB fällt das Lied in Deutschland heute unter die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die Verbreitung ist damit verboten. Dies gilt insbesondere für die Melodie des Liedes. Das heißt, dass auch die Interpretation der Melodie mit verändertem Text,[4] nicht aber das in den Anfangstakten identische Lied vom Wildschütz Jennerwein,[5] rechtswidrig ist.
Quelle:
Wikipedia: Horst-Wessel-Lied#Deutschlandlied und Horst-Wessel-LiedHier im Thread wurden schon denkbare Provokationen von Bevölkerungsgruppen durch bloßes Abspielen der (unveränderten) Originalversion von "Toujours l'Amour" angesprochen; ich halte diese ebenso denkbar wie das bloße Abspielen der (instrumentalen) Melodie, evtl. nur des Refrains. Alles unter der Annahme, dass sich das Lied zu einer feststehenden rechtsextremen Chiffre entwickelt oder bereits entwickelt hat.
Es stellt sich aber weiterhin die Frage, wie es aktuell weitergehen soll. Das Lied zunächst (freiwillig, oder per Anweisung eines kommunalen Veranstalters) nicht zu spielen, halte ich aktuell für geboten. Es herrscht ja generell kein Mangel an anderer tanzbarer Musik.
Wie man mit dem Titel weiter verfährt, entscheidet in meinen Augen letztlich auch und vor allem das Verhalten der Gäste von Tanzveranstaltungen in naher Zukunft.
Sollte dieser schauerliche Trend nicht irgendwann abebben, wäre als Ultima Ratio mMn tatsächlich ein Verbot der Melodie bzw. des Refrains denkbar.
Hoffentlch kommt es nicht soweit, dass das irgendwann notwendig wird.