Hi
@ghostcloud, hi
@LL,
ich schaue immer wieder mal rein in den Faden, habe bisher nur noch nichts geschrieben. Heute möchte ich aber mal.
Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, so ein Glioblastom ist die Premiumversion von Arschkarte.
Bei mir war ED 2018, damals war ich 14 und unter meinen Füßen tat sich ein großes schwarzes Loch auf. Es folgte das übliche, OP (Teilresektion), Radiochemo und dann 6 Zyklen Erhaltungschemo mit TMZ.
2019 dann das erste Rezidiv, was aber auch zum großen Teil entfernt werden konnte.
2022 waren es dann drei, davon eins inoperabel, weil zu nah am Balken.
Mithilfe von zwei Chemotherapeutika (Lomustin + TMZ) konnte das Wachstum bis jetzt weitestgehend unter Kontrolle gehalten werden, sodass mir die meiste Zeit ein selbstbestimmtes Leben möglich ist. Trotzdem haben die OP's und das verbleibende Rezidiv ihre Spuren und mir einige Einschränkungen hinterlassen.
Damit komme ich zu dem, wozu ich gern meine 2 cents beitragen möchte.
Füchschen schrieb:Trotz Deiner Diagnose kannst Du ja noch schreiben, lesen uns verstehen, im Rollstuhl fahren. Das ist so viel, was Du kannst.
Das alles kann ich auch, aber es hilft mir überhaupt nichts, wenn mir jemand erzählt, was ich alles kann, das weiß ich selbst. Schon gar nicht vermischt mit dem leisen Unterton "sei dankbar, anderen geht es viel schlechter und es könnte noch viel schlimmer sein".
Ja, anderen geht es schlechter, aber ich bin nicht "die anderen" und ein Vergleich mit "den anderen" macht meine Situation weder besser noch erträglicher.
Ja, ich bin auch dankbar dafür, dass es im Moment ist, wie es ist. Oft genug war es schlimmer.
Vor allem fehlt mir aber darin eins, nämlich die Sicht darauf, was ich alles verloren habe.
Füchschen schrieb:Wer von uns allen kann schon mit Sicherheit sagen, dass er morgen aufwacht? Niemand kann das.
Ich weiß nicht, wie oft ich diesen Satz schon gehört habe. Eine nichtssagende Plattitüde, da hat ja "sind wir nicht alle ein bisschen Bluna" mehr Substanz.
Was soll ich jetzt damit anfangen, dass keiner weiß, ob er morgen wieder aufwacht? Soll mich das jetzt beruhigen? Soll es mir helfen, mich nicht in mir selbst manchmal einsam und alleine zu fühlen? Was genau?
Ich weiß, dass sich in meinem Kopf eine tickende Zeitbombe eingenistet hat.
Ich weiß, dass die momentane Ruhe eine trügerische sein kann.
Ich weiß, dass es keinen Frieden mit dem Ding in meinem Kopf geben wird, sondern nur einen Waffenstillstand, dessen Regeln nicht ich bestimme.
Wissen das alle anderen, die nicht wissen, ob sie morgen wieder aufwachen auch?
Füchschen schrieb:Pallium bedeutet ja nur, dass man sich einen Mantel umhängt oder er wird einem umgehängt.
Pallium mag ja "nur" bedeuten, dass man sich einen Mantel umhängt. Bei Palliativ ist aber Schluss mit "nur" und irgendwelchen Mänteln. Palliativ bedeutet im schlimmsten Fall, dass deine Tage gezählt sind. So oder so bedeutet es aber, dass dein Leben, wie es einmal war, unwiderruflich vorbei ist und nicht allzu viele noch darauf wetten würden, dass das, was jetzt dein Leben ist, eine allzu große Halbwertszeit hat.
Füchschen schrieb:Die Ärzte wissen nicht alles. Deshalb hat der Arzt sich entschuldigt. Auch ein Arzt kann nicht wissen, wann jemand stirbt.
Ich finde ja deine Sicherheit, dass genau das der Grund ist, warum der Arzt sich entschuldigt hat, bemerkenswert.
Ich für meinen Teil würde ja eher vermuten, dass er sich entschuldigt hat, weil ihm der "zähe Hund" dann doch selbst etwas zu derbe erschien und nicht, weil der "zähe Hund" wider erwartens noch lebt.
Füchschen schrieb:„Ich merke, ich sterbe demnächst. Ich benötige eine ummantelnde, beschützende Pflege. Ich möchte besonders gut umsorgt werden. Das kostet zwar, ich weiß das, aber ich benötige das nun mal.“
Das liest sich wie rosarote Wattebauschen. Die Beschreibung könnte 1 : 1 aus einem Rosamunde Pilcher Roman stammen.
Die Realität, das Sterben, ist aber weder rosarot noch watteweich, und ich frage mich, was willst du mit deiner Wortwahl suggerieren?
Füchschen schrieb:Ein einigermaßen bekannter Physiker hatte Krebs und es wurde ihm vom Arzt gesagt, er hätte nur noch höchstens ein halbes Jahr zu leben. Er wollte nicht sterben, überlegte, was ihm fehlen könnte, sorgte für sich dementsprechend und lebte noch 26 Jahre länger bis er starb.
Wieder die Frage, was genau soll mir das jetzt sagen? Ich will auch nicht sterben. Sterbe ich dann aber trotzdem, habe ich nicht genug überlegt, was mir fehlen könnte? Habe ich nicht gut genug für mich gesorgt? Bin also im Umkehrschluss selbst schuld?
Füchschen schrieb:Dass er noch so lange weiterlebte, finde ich irgendwie auch witzig.
Ich muss gestehen, diese Art Humor entzieht sich mir. Was genau ist daran jetzt witzig?
Füchschen schrieb:Letztlich ist auch die sogenannte Palliativphase eine Lebensphase und die kann man leben und sich freuen und Sachen witzig finden.
Also alles nicht so schlimm? Ist ja auch nur eine Lebensphase, die manchmal dummerweise, für manche zum Glück, leider nicht allzu lange dauert um sich noch über viele Sachen zu freuen, oder etwas witzig zu finden.
Sofern das Gehirn überhaupt noch in der Lage ist, irgendetwas wahrzunehmen. Was zumindest in meinem Fall dann doch eher unwahrscheinlich sein dürfte.
Ich weiß nicht, ob du dir vor dem Schreiben die Mühe gemacht hast, darüber nachzudenken, was genau eine solche Diagnose bedeutet. Den Eindruck macht das, was du geschrieben hast, auf jeden Fall nicht.
Für einen Moment habe ich mir überlegt, ob es sich dabei vielleicht um eine merkwürdige Art der Provokation handeln könnte. Oder einfach eine aneinander Reihung von halbgaren Weisheiten, die niemandem, der sich in genau einer solchen Situation befindet, auch nur das geringste nutzen.
Schlussendlich tendiere ich zu letzterem. Was das Ganze jetzt nicht unbedingt besser macht.
Wie gesagt, just my 2 cents.