Im folgenden Zitate aus der verlinkten Broschüre:
"Was uns damals nicht in den Sinn kam, war einen Platz zu finden, in dem unsere Lebenswelt als schwules Paar bekannt und sichtbar sein würde."
"Dass Kinder aus Regenbogenfamilien ein alltägliches Thema in der KiTa sind, gab es einfach nicht: Weder Zeichnungen zum Muttertag, noch Bücher oder Spiele, in denen die Lebenswelt unserer Kinder abgebildet sind."
"Eine KiTa, die diese Lebensweisen als einen selbstverständlichen Teil der Berliner Gesellschaft abbildeten, gab es aber immer noch nicht."
Ja, wie selbstverständlich darf es sein? Nun zeichnet hier der Geschäftsführer im Jahre 2023 mitten in Berlin ein sehr düsteres Bild, um das Kita-Konzept zu betonieren. Wie bunt oder vielfältig muss diese Gesellschaft also sein, damit es keine soziale Segretation mehr geben muss? Gibt es hier ernsthafte Antworten oder ist das etwa nur vorgeschoben, damit man unter sich sein kann? Man kann Regenbogenfahnen beinahe an jeder Ecke wahrnehmen, an Supermärkten, Balkonen, Tragebeuteln, an Produkten, an Rathäusern, Bäckereien oder Dönerläden... Ob im Kino, bei GNTM oder im Fußball, im TV oder Radio, im kulturellen Bereich oder oder... Zusammen mit einer doch ziemlich fetten Infrastruktur in dieser Stadt, mit strukturellen Lockerungen (Selbstbestimmungsgesetz) verwundert dieser Schritt, der für mich ein Rückfall in die Identitätspolitik ist, doch sehr. Hat man all diese Verbesserungen deswegen unternommen, damit man sich nun wieder auf die eigenen Scholle zurückzieht? Folgen möglicherweise Kitas nur für schwarze Kinder, bedarf es nicht im Anschluß an die bunte Kita einer bunten Schule, einer bunte Uni, Regenbogengräber, stimmt, diese gibt es ja schon... Das ist letztlich eine Absage, der Ansatz der Inklusion wird für gescheitert erklärt. Nein, stopp, man erkennt den Fortschritt ja an, will aber seine eigene Sandburg haben. Komisch, dass andere Einrichtungen hier nicht mal aus ihrer Sicht dagegenhalten, so gibt man den lieben Marcel aber recht. Und doch erinnert mich diese Geschichte an die Geschichte mit den stets in sich ruhenden Waldorfkindern. Ich denke die Begründung zwecks der Dringlichkeit dürfte relativ ähnlich sein. Man möchte halt gerne unter sich bleiben, das hat immer was elitäres...
"Psychische Belastungen verhindern"
Ich würde jedenfalls bezweifeln, dass die dortigen Kinder psychisch gestärkter aus der Kita rausgehen, wie in anderen fortschrittlichen Kitas. Zum Leben, zum Andersein gehören Widerstände, was irgendwie für Vielfalt charakteristisch ist.
Als ich ziemlich jung war, hatte ich Kontakt mit Waldorfschülern, sie taten sich nach dem Abi ziemlich schwer mit artfremden Gruppen oder Menschen. Das lässt sich zumindest annähernd übertragen und könnte eine Warnung sein.
Würden wir hier von einer speziellen Kita für traumatisierte Kinder sprechen dann hat das auch einen pädagogischen Wert und Hintergrund, doch hier geht es denke ich größtenteils um Kinder aus einem priviligierten Umfeld, man könnte fast an eine Klassengesellschaft denken. Diese Kinder sind wahrscheinlich behütet aufgewachsen. Man geht hier in Vorleistung, denn man möchte nicht, dass die Kinder irgendwie verletzt werden oder das etwas "Falsches" vermittelt wird, weswegen sie ähnlich wie in einer teuren Privatschule separiert und mit eigenen Lerninhalten betreut werden. Schlimm ist, dass der Aktionismus von Eltern auf den Rücken von kleinen Kindern ausgetragen wird, die diese weder entscheiden noch mitbestimmen können.
Zu dem Thema hab ich den Artikel gelesen (siehe Zitate) und es hat mich anderweitig zum Nachdenken gebracht, auch wenns nicht um Kitas geht.
Diversität soll sichtbar gemacht werden, jedoch darf sie nicht auf dem Weg der Abgrenzung zur selbstgewählten Absonderung führen. Vielmehr wird die Gesellschaft ja gerade dank ihrer Pluralität unter Spannung gesetzt. Die Verschiedenheit muss darum in die gesellschaftliche, politische oder kulturelle Teilhabe der vielen Verschiedenen münden. Die identitätspolitische Abschottung kann nicht die Antwort auf Diskriminierung sein. Sie wäre lediglich deren Fortsetzung mit anderen Mitteln.
Identitätspolitik scheint in paradoxer Umkehrung der proklamierten Absichten eher zur Erstarrung der Selbstbilder als zur Emanzipation des Einzelnen von Fremdbestimmung zu führen. Essenzialistische Identitätsmerkmale zurren das Individuum erst recht in einem Raster fest, aus dem es sich doch eigentlich befreien möchte. Sie errichten neue Grenzen, wo sie vielmehr eingerissen werden sollten. Man möchte fluid sein, erstarrt jedoch im Korsett neuer binärer Systeme.
https://www.nzz.ch/meinung/identitaetspolitik-auf-dem-friedhof-ein-weg-in-die-sackgasse-ld.1741276