Der zumutbare Schulweg - darf‘s ein bisschen mehr sein?

Bei mir war die Grundschule max. 10 Min entfernt. Ab der 5ten Klasse ging es dann auf die Realschule in den Nachbarort, ca. 4 km entfernt. Bushaltestelle war ca. 5 Min entfernt, mit dem Bus ist man ca. 25 Min lang gefahren, weil er an vielen Haltestellen Leute eingesammelt hat. War aber vollkommen ok. Oftmals bin ich aber auch mit dem Fahrrad gefahren oder wir sind gelaufen, wenn der Bus mal wieder ausfiel oder Verspätung hatte. 3 Std pro Tag, für Hin-und Rückweg, finde ich allerdings auch mehr als grenzwertig.

Kennt ihr die Dokureihe "Die gefährlichsten Schulweg der Welt"?

Da sind die Kinder teilweise Tage unterwegs um zur Schule zu kommen.
Da kann man doch froh sein, dass es bei uns nicht so ist und sollte auch den 3 stündigen Schulweg in Kauf nehmen können.

Cherokeerose schrieb:Da kann man doch froh sein, dass es bei uns nicht so ist und sollte auch den 3 stündigen Schulweg in Kauf nehmen können.

Das kann man doch nicht vergleichen. Wir leben in Deutschland und nicht im Himalaya, Bolivien oder sonstwo. Da herrschen doch allgemein andere Zustände.

Photographer73 schrieb:Das kann man doch nicht vergleichen. Wir leben in Deutschland

Da hast du recht.
Jedoch meinte ich es eher so das wir in diesem Land schon auf sehr hohem Niveau meckern, wir sind so verwöhnt, dass es einem Kind nicht mehr zumutbar erscheint seinen Schulweg alleine zu bestreiten.
In den armen Ländern hingegen nimmt man viel mehr auf sich um etwas Bildung zu erhalten.
Da käme man nicht auf den Gedanken ob der Schulweg zumutbar ist oder nicht.

Ich hatte in der Kleinstadt aufgewachsen dass Glück das Grundschule, Orientierungsstufe und weiterführende Schulen allesamt in 20 Minuten zu Fuß erreichbar waren. Auch mit unseren Umzügen hat sich das nie geändert.

Abenteuerlich fand ich dann das Erwachsenwerden. Als ich in die nächste Stadt zur Berufsschule fahren musste (25 Minuten mit 50er Roller) oder in mein erstes Praktikum in die andere Stadt (30 Minuten mit Roller) war ich meinen Eltern so dankbar dass ich mir mit 14 nicht vom Konfi Geld nen PC oder ne Spielekonsole kaufen durfte, sondern eben meinen Roller plus Führerschein. Auf einmal waren Kumpels von mir neidisch und wollten alle mitgenommen werden und die Eltern fanden das ja viel zu gefährlich bei Wind und Wetter mit dem Moped.

Und tatsächlich hörte ich dann das einige Eltern morgens vor der Schicht extra früher aufstehen um das "Kind" zum Praktikum oder der Berufsschule zu bringen. PEINLICH sage ich da nur. Aber selbst schuld für beide Seiten. Bin Jahrgang 86 und wenn ich heute so von Freunden die Kinder haben höre was so Gang und Gebe zu sein scheint- oh ne, da wünsche ich mir wirklich manchmal ebenfalls den Spruch meiner Eltern (eben den mit dem Zucker) zurück :D

Kleinkinder wiederum 3 Stunden unterwegs sein lassen im Jahr 2022 mit dem vollen Stundenplan finde ich allerdings ebenso fraglich

Cherokeerose schrieb:In den armen Ländern hingegen nimmt man viel mehr auf sich um etwas Bildung zu erhalten.
Da käme man nicht auf den Gedanken ob der Schulweg zumutbar ist oder nicht.

Das stimmt sicherlich, aber die Diskussion dreht sich ja nun um den Schulweg in Deutschland.

Cherokeerose schrieb:Jedoch meinte ich es eher so das wir in diesem Land schon auf sehr hohem Niveau meckern, wir sind so verwöhnt, dass es einem Kind nicht mehr zumutbar erscheint seinen Schulweg alleine zu bestreiten.

Klar wird in Deutschland bei verschiedenen Dingen auf sehr hohem Niveau gemeckert und gejammert. Auch bin ich natürlich der Meinung, daß es einem Schulkind vollkommen zuzumuten ist, seinen Schulweg alleine zu bestreiten. Mir geht es nur um die 3 Stunden.

Photographer73 schrieb:Auch bin ich natürlich der Meinung, daß es einem Schulkind vollkommen zuzumuten ist, seinen Schulweg alleine zu bestreiten. Mir geht es nur um die 3 Stunden.

Aus pädagogischer Sicht ist es ja auch durchaus wichtig, das Kinder ihren Schulweg allein bestreiten. Vom elterlichen Auto in den Klassenraum zu wechseln ist, was die Entwicklung angeht, eher nicht zu befürworten. Es geht um Selbstständigkeit, aber auch eben nicht dauerhaft unter Aufsicht zu stehen. Ich konnte lange Zeit zu Fuß zur Arbeit und habe den Spaziergang als Übergang zwischen Arbeit und zu Hause sein sehr genossen. Auch das ist durchaus ein Punkt.
Nur treten diese Dinge ab einer gewissen Strecke bzw. Dauer in den Hintergrund, weil sozusagen der Kosten-Nutzenfaktor (eingesetzte Zeit gegen positive Effekte) nicht mehr stimmt und die Strecke zur Belastung wird.

Und ich denke auch, da kann man schlecht mit unseren Großeltern oder dem Schulweg in Tansania argumentieren.
Klar sind unsere Großeltern auch groß geworden. Meine Oma hat auf Grund der Kriegswirren ganze zwei Jahre Schulbildung genossen, und hat auch Arbeit gefunden. Da käme ja jetzt auch keiner auf die Idee, sein Kind nach der zweiten Klasse aus der Schule zu nehmen, weil zwei Jahre Schule haben ja früher auch gereicht.

kampfgnom schrieb:Das mit dem jammern auf hohem Niveau unterschreiben ich.ich finde die oben genannten 2 Stunden durchaus zumutbar. Heute werden viele Kinder einfach zu sehr gepampert.

Sehe ich anders. Ich selbst hatte einen Schulweg von etwa 25 Minuten zu Fuß. 1,5 Stunden hin und 1,5 Stunden zurück? Niemals. Ist für mich übertrieben ausgedrückt "verschwendete" Lebenszeit. Die bekomme ich nie wieder zurück.

Auch jetzt achte ich darauf das ich in maximal 30 Minuten auf der Arbeit bin, nicht länger. Dafür ziehe ich dann sogar um. Nicht ist schlimmer als Zeit zu "verschwenden".

Finde ich echt schwach von der Gesetzeslage. Aber gut, da ich keine Kinder möchte wird mich das zum Glück nicht betreffen (Kosten auch wieder Zeit 🙂) . Schade für die Menschen die sich damit auseinander setzen müssen.

kampfgnom schrieb:Das mit dem jammern auf hohem Niveau unterschreiben ich.ich finde die oben genannten 2 Stunden durchaus zumutbar. Heute werden viele Kinder einfach zu sehr gepampert.

Wenn es stürmt, stark regnet, schneit oder Glatteis vorhanden ist, noch dazu schwerer Tornister, ist das eine Belastung.
Das ist eine Feststellung, kein Jammern.

Unter Umständen ist ein Kind dann länger unterwegs.

Wenn diese Faktoren bzw. einzelne davon vorhanden waren, habe ich meine Kinder zur Schule gefahren.
Ansonsten haben sie den Weg mit dem Fahrrad bestritten.

Was ist dagegen einzuwenden, wenn es ein Jeder auch einfach(er) haben kann.

Also, ich bin auch meist ca. 45-55 Minuten Bus gefahren, pro Strecke. Da der jedes Dorf abklapperte (Linienbus), war ich zu Fuß fast genauso schnell.

Irgendwann habe ich den Unterricht aber nur noch punktuell besucht, da war der Weg dann auch egal :D

Fahrrad habe ich nie gemocht. Nach bestensfalls 9 Stunden Blödsinn und Dönekens in überfüllten Schulräumen mit überfülltem Lehrplan und unterfüllten Hirnen meiner Mitschüler auch noch körperliche Belastung? Es war genug Belastung, niemanden einen Stuhl in die Klappe zu donnern.

Zur Grundschule ging ich von Anfang an alleine. Das war schön, fünf Minuten Schulweg und auf dem Weg immer Obst vom netten Liefermann der Markthalle bekommen und über das neuste Buch geredet, dass ich las. Da gab's immer Kirschen und Birnen und eine Kurzbesprechung von Kalle Blomquist. Großartige Zeit.

50 min u-Bahnfahrt mit umsteigen - läuft :D
21km Schulweg! (Eine Strecke, nicht zusammen)

@MiaJinn
Bei 21 km Schulweg frage ich mich auch, wie ist das denn mit den Sozialkontakten?
Man freundet sich ja in der Regel mit Leuten aus der eigenen Klasse an, klappt das überhaupt, dass man sich da mit Freunden nachmittags oder am Wochenende trifft oder ist das gar nicht drin, weil die Wohnorte der Schüler so weit auseinanderliegen?

Ich habe den Eingangspost zuerst falsch verstanden und dachte, es ginge um jeweils 3 Stunden Schulweg, also 3 Stunden hin und 3 Stunden heim. Dann hab ich angefangen die Beiträge zu lesen in denen jeder schrieb "ja ist zumutbar" "ist doch voll okay" etc. und ich dachte nur "was stimmt nicht mit euch :D ?!" Aber gut, hab dann nochmal nachgelesen...aber 1,5 Stunden finde ich trotzdem lange. Obwohl ich denke, dass es einem als Kind eventuell nicht so lange vorkommt, wenn im Bus Freunde mitfahren und man mit denen quatscht.
Mein Schulweg damals waren ca 20-30 Minuten eine Strecke, später mit dem Auto höchstens 10 Minuten, das war toll :D und als erwachsener Mensch weiß ich es auch sehr zu schätzen, dass meine Arbeit ebenfalls nur ca 15 Minuten von meinem Zuhause entfernt ist. Ewig langes Pendeln ist überhaupt nicht mein Fall, ich bin gerne früher Zuhause und habe dann mehr Freizeit.

@Ilvareth

Doch klar ging das :)
Gab ja Bus und Bahn! (Schülerkarte)

Hardware schrieb:1,5 Stunden hin und 1,5 Stunden zurück? Niemals. Ist für mich übertrieben ausgedrückt "verschwendete" Lebenszeit.

Wenn es um Bildung geht, die heutzutage immer wichtiger wird, sollte man nicht von "verschwendeter" Lebenszeit sprechen.

Ilvareth schrieb:Da käme ja jetzt auch keiner auf die Idee, sein Kind nach der zweiten Klasse aus der Schule zu nehmen, weil zwei Jahre Schule haben ja früher auch gereicht.

Da vergleichst du jetzt aber Äpfel mit Birnen.

Ich musste von der 1. bis zur letzten Klasse immer 4 km zur Schule zurücklegen. Ab der Oberstufe gab's auch keine Buskarte mehr und man konnte selbst schauen, wie man zur Schule kommt. Allerdings hätte einem auch die Buskarte nicht viel genutzt, da die Busse im Grunde nur 2 Mal am Tag in dieses Dorf fuhren (früh zur Schule hin und mittags halt wieder zurück) und der Oberstufenstundenplan da überhaupt nicht mehr dazu passte.

Allerdings war es zu "meiner Zeit" (und soooo alt bin ich nun auch nicht) durchaus üblich, viel Fahrrad zu fahren, um von Buszeiten, Eltern, etc. unabhängig zu sein. Da wir in der Grundschule bereits den "Fahrradführerschein" gemacht haben, wussten wir auch, wie wir uns im Verkehr zu verhalten haben.

Gerade wenn man auf dem Dorf wohnt und die weiterführenden Schulen etwas weiter weg sind, steht fast jeder irgendwann vor der Frage, wie der Schulweg bewältigt werden soll.

Außerdem sind ja meist mehrere Kinder aus einem Dorf/Stadtteil in der gleichen Klasse, da können sich die Eltern ja u. U. auch abwechseln und Fahrgemeinschaften bilden, wenn sie der Ansicht sind, dass den Kindern der Schulweg nicht zuzumuten ist oder das Wetter zu "schlecht" (?) ist, um mit dem Fahrrad selbst zu fahren.

Edit-Zeit abgelaufen:

Ich finde auch, dass Kinder (teilweise) heutzutage viel zu sehr gepampert werden.

Üblicherweise kommen ja meist mehrere Kinder aus dem gleichen Dorf/dem gleichen Stadtteil: Gerade wenn in einer Gruppe geradelt wird, ist die Gefahr, gekidnappt oder sonstwie zu Schaden zu kommen, meiner Ansicht nach dann doch recht gering, auch wenn einem die Berichte in den Medien gerne anderes suggerieren.

Bei uns zuhause war Schulweg tatsächlich nie ein Thema - Viertelstunde zur Bushaltestelle laufen, 20 Minuten Busfahrt 10 Minuten zur Schule laufen. Wem das zu blöd war, der ist eben geradelt. Wer keine Lust hatte, eine Stunde auf den nächsten Bus zu warten, weil er spontan früher aus hatte, lief halt nach Hause (bei 4 km durchaus machbar) auch wenn das natürlich keine Zeitersparnis in dem Sinne war, aber man halt auch nicht doof und untätig rumsaß, wenn die Hausaufgaben schon erledigt waren.

Meine Eltern haben meine Geschwister und mich kein einziges Mal gefahren - wozu auch?

Manchmal habe ich den Eindruck, Kindern wird auch absolut nix mehr zugetraut.

Ilvareth schrieb:Bei 21 km Schulweg frage ich mich auch, wie ist das denn mit den Sozialkontakten?
Man freundet sich ja in der Regel mit Leuten aus der eigenen Klasse an, klappt das überhaupt, dass man sich da mit Freunden nachmittags oder am Wochenende trifft oder ist das gar nicht drin, weil die Wohnorte der Schüler so weit auseinanderliegen?

Die anderen Schüler wohnen ja vermutlich auch nicht alle direkt neben der Schule, sondern auch im Umkreis. Es wird also nicht jeder Mitschüler ebenfalls 21 km entfernt gewohnt haben.
Dennoch sind 21 km schon ein sehr langer Schulweg. Alles was über 1 Stunde Schulweg einfache Strecke ist, finde ich zu lang. Es geht ja nicht nur um den Weg, ein Kind muss ja auch noch Hausaufgaben erledigen und lernen. Wenn dann schon pro Tag 8 Stunden Schule + 2 Stunden Schulweg drauf gehen, dann bleibt nicht viel übrig vom Tag.

@Ilvareth
Der Gesetzestext kann nicht einfach zu einem Umkehrschluss verarbeitet werden. Es heißt da nicht, dass 3 Stunden zumutbar sind - sondern es wird geregelt, was nicht mehr zumutbar ist. Das ist eine Auslegungshilfe.
Die Zumutbarkeit bestimmt sich immer bezogen auf den konkreten Fall. Also wie viele Schulen es gibt, wie dünn besiedelt eine Gegend ist etc.

In meiner Schulzeit hatte ich einige Mitschüler, die einen langen Schulweg hatten. Mit Umsteigen, warten etc. waren das teilweise Stunden. Das waren dann eben Busse, die verschiedene Käffer abgeklappert haben und nur selten fuhren. Das war leicht eine dreiviertel Stunde Bus fahren und dann noch 20 Minuten laufen (oder einen anderen Bus im Stadtgebiet nehmen).

Ilvareth schrieb:Bei 21 km Schulweg frage ich mich auch, wie ist das denn mit den Sozialkontakten?

Meistens in den kleine Orten mehrere, die an eine Schule gehen. Man kennt sich aus der Grundschule oder eben aus dem Ort und kann dann auch eher gemeinsam die gleich weiterführende Schule besuchen. Und Sozialkontakte gibt es dann im Bus. Da wurden dann auch gerne Hausaufgaben gemacht, Vokabeln gelernt etc.
Und je älter man wird, desto eher sind auch solche Distanzen für Freunde überwindlich. Mein bester Freund der Schulzeit wohnte in so einem Kaff und das hat prima funktioniert.

3 Stunden täglich, nur für den Schulweg, sind schon heftig. Ich hätte darauf als Schülerin auch keine Lust gehabt und so einen langen Arbeitsweg würde ich auch nicht dauerhaft in Kauf nehmen.

Meine Erfahrungen zum Thema Schulweg:

Die Grund- und Hauptschule war knapp 2 km entfernt. Ich bin von der ersten Klasse an, mit dem Fahrrad dorthin gefahren. Von den Eltern wurden wir nur selten gefahren. Das war dann immer ein Highlight. :D

Zur Realschule fuhr der Bus. Obwohl das nur 3-4 KM waren, hat das auch eine Zeit gedauert. Ne 1/2 bis 3/4 Stunde war das bestimmt. Fand ich aber auch noch O.K.. Zumindest auf dem Heimweg, konnte ich oft mit meiner Mutter mitfahren, die in der Nähe gearbeitet hat. Ab und zu sind wir auch mit dem Fahrrad gefahren.

Ätzend fand ich den Weg zur Berufsschule. Waren etwa 30 km mit ner ziemlich lahmen Zugverbindung. Da saß man auch insgesamt 2 Stunden pro Schultag im Zug. Das hat mich damals schon richtig angenervt. Sobald ich den Führerschein hatte, bin ich mit dem eigenen Auto hingefahren und ich habe so viele Mitschüler aus der Gegend mit eingepackt, wie nur ging. :D Das ging bedeutend schneller.