Pergamon schrieb:Von einem Verfall zu sprechen halte ich für falsch, ich würde es eher als Verarmung bezeichnen.
Allgemein betrachtet halte ich auch das nicht für den Fall. Sprachen
ändern sich einfach, niemand von uns spricht noch immer Mittelhochdeutsch, nicht wahr? Dennoch betrachtet sich garantiert keiner als sprachlich verarmt und ist es auch nicht.
Sprachen ändern sich mit den veränderten Gegebenheiten und Bedürfnissen der Sprechenden. Gibt es neue Sachen, kommen neue Namen. Nicht nur Nomen, sondern auch Verben, weil mit den neuen Dingen ja auch irgendwie neu umgegangen wird. Dabei sind die neuen Begriffe oft noch die alten, sie erhalten lediglich eine andere Bedeutung.
Oder werden leicht variiert.
Oder aber kommen aus der Sprache, aus der auch das neue Ding kommt.
Wobei jede Sprache unterschiedlich dazu geeignet ist, Fremdworte schnell und gut zu assimilieren. Sie werden entweder 1:1 übernommen, oder leicht anders geschrieben oder ausgesprochen, den grammatikalischen Strukturen der eigenen Sprache unterworfen oder erhalten gar eine komplett andere Bedeutung als sie in der ursprünglichen Sprache, aus der sie entlehnt wurden, hatten.
Ein Superbeispiel dafür ist das Wort "Handy". Die heißen im Englischen nämlich "cell phone" oder, und auch das ist ein etwas älterer Ausdruck, der zunächst nur Telefone meinte, die transportiert werden konnten, "mobile phone". Letzteres ist eher British English, Ersteres amerikanisch (Sherlock Holmes in der neueren BBC Serie zB löst gerade mit dieser unterschiedlichen Benennung einen Fall, den in Bsskerville).
"Handy" hingegen heißt eigentlich nur "handlich, praktisch".
Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Erfinder des Telefons, demselbigen einen völlig neuen, und ja, total fremden, Namen gaben. Nämlich einen aus dem Griechischen zusammen gesetzten: "tele = fern" und "phone = Laut, Ton, Stimme, Sprache".
Wetten, dass das nicht viele wissen? Zumal ja auch Rechtschreibreformen das ursprüngliche Aussehen immer wieder mal verändern können.
Dennoch ist niemand, der "Telefon" statt "Telephon" schreibt, geistig verarmt, nicht wahr?
Haha! Witz am Rande: die Rechtschreibkontrolle deutet mir gerade "Telephon" als eventuell falsch geschrieben an. So weit ist es schon!
:DEs gibt umgekehrt durchaus auch deutsche Worte, die im Laufe der Zeit Eingang ins Englische gefunden haben. Manchmal, weil Auswanderer sie mitbrachten (Kindergarten, Rucksack), oder weil eben eine neue Entwicklung ein Wort beinhaltete, das es so (noch) gar nicht in der Sprache, die übernimmt, gab. Zb "Angst", ein Wort, dass erst nach Freud seinen Einzug ins Englische schaffte. Bis dahin hatten Englisch sprechende Menschen offenbar keine Angst. Sie kannten Furcht, aber keine Angst.
Diese Beispiele zeigen auch, dass sprachliche Veränderungen nicht nur das Deutsche betreffen sondern einfach ein
völlig normaler weltweiter Vorgang ist. Da wird nichts schlechter / schlimmer /ärmer, sondern anders.
Da außerdem der Muttersprache auf diese Art und Weise mehr Worte einverleibt werden, ist die Auffassung, die Sprache verarme, ohnedies falsch -
sie wird im Gegensatz sogar reicher, bekommt mehr Worte, mehr Nuancen, und man kann auf einmal Dinge ausdrücken, die man davor eben nicht so ausdrücken konnte, falls überhaupt.
Gerade Englisch besteht aus wesentlich mehr Fremdwörtern als Deutsch. Die Insel wurde schließlich mehrmals von Eindringlichen überrannt, die auch ihre Sprache da ließen, mehr oder minderer freiwillig akzeptiert. Auch das ist eine Methode, wie fremde Worte in die ursprüngliche Sprache gelangen. Zur Zeit hat Englisch knapp eine Million Wörter, Deutsch n etwa die Hälfte, aber es werden, gerade dank Einflüssen aus dem Englischen, täglich mehr.
Welche Sprache gerade Einfluss ausübt, hängt von der politischen und wirtschaftlichen Lage ab. Heute ist es Englisch, davor war es Französisch, davor Latein und Griechisch, und die Römer bevorzugten als Sprache der Gebildeten Griechisch.
Auch der Wunsch, sich hervorzuheben, ist ein Grund für die Annahme fremder Worte, denn unabhängig von dien bereits erwähnten Prozessen gibt es neben Dialekten eben auch noch Sub-Sprach-Codes, bewusste oder unbewusste "andere" Sprechweisen/Sprachen als die Hochsprache. Einige gesellschaftliche Gruppen verwenden eigene Sprachcodes, salopp auch Sprechs genannt. Diese dienen dazu, sich gegen andere abzugrenzen, sich hervorzuheben, mitunter auch dazu, schneller kompakte Informationen in kurzer Zeit und wenigen Worten zu vermitteln - Fachsprache gehört dazu ebenso dazu wie Jugendsprech (und selbst dort entwicklen sich von Gruppe zu Gruppe verschiedene Codes) und, gucken wir mal wieder nach England, Cockney (das sogar dazu gedacht war, andere nicht an den Gesprächen teilhaben zu lassen).
Kennt man sie, ist alles klar.
Kennt man sie nicht, erscheinen sie befremdlich und natürlich unverständlich.
Und genau dazu gehören *LOL*, "mompl* und Co.
Übrigens "co", auch so eine Abkürzung, eine Art Code, gelle?
Nur ist das keine Verarmung,
es sind sprachliche Codes, die genau das ausdrücken können, was sie auch ausdrücken sollen. Natürlich drücken sie nicht alles aus, sondern nur einen bewusst eingegrenzten Teil. Der fachliche Ausdruck dafür ist
restringiert und ist, ebenso wie der Vorgang seit Jahrzehnten wertneutral bekannt.
Ob jemand wirklich sprachlich verarmt ist, stellt sich erst heraus, wenn er mehr als LOLen soll/muss/möchte oder außerhalb seines Faches Kontakt aufnimmt.
"Die Sprache" selbst verarmt nur, wenn sie nicht mehr gesprochen wird (zB Latein), oder in einer räumlich-sprachlichen Abgeschlossenheit stattfindet (Dialekte zB), und zwar aus denselben Gründen:
- Es gibt keinen Fremdkontakt,
- damit auch keine Kenntnisse neuer Dinge/Erfindungen/Entwicklungen und
- somit werden auch keinen neuen Worte mehr aufgenommen.
Oder wenn aufgrund völliger Unkenntnis von Sprachentwicklung und gleichzeitig ideologisch überzogener Selbstverherrlichung versucht wird, unbedingt, und sei es mit Gewalt, die eigene Sprache niemals nie nicht von einer anderen, fremden infiltrieren zu lassen.
Dann muss man nämlich gewaltsam neue Worte hervor würgen, die höchst eigenartig ausfallen können, wie zB der "Meuchelpuffer", ein sprachlicher Versuch der Nazis, das gebräuchliche Wort böser Fremder, nämlich "Pistole" bzw "Revolver" abzuschaffen.
Wer kennt eigentlich die "Stoffwechselstube"? [*]
We lautete damals doch der Spruch vom Propagandaminister Goebbels? Ich mein, der war´s, der Folgendes (in etwa so) sagte: "Die Fremdwörter in der deutschen Sprache müssen auf ein
Minimum reduziert werden":
:D :D : D
Da aber eine Sprache nie mehr als Worte hat, ist deren Anzahl begrenzt, und somit auch die Möglichkeiten, sie neu zusammen zu setzen. Hinzu kommt, dass gerade Semantik und Grammatikstrukturen jeder Sprache Grenzen setzen, Worte, Begriffe oder gar Strukturierungen einmal anders als gewohnt oder neu zu kreieren. So gibt es einfach auch Lautkombinationen, die in den eigenen Sprachen oft undenkbar sind.
Ein Wort wie "wrtlbrnft" zB ist im Deutschen zwar ein Witz-, aber kein echtes Wort. Kein Deutschsprachler würde allen Ernstes ein solches Wort als Deutsch empfinden oder gar erschaffen; kein Chinese würde Worte mit "rrrrrr" erfinden und Engländer keine mit "ch" - Schweizer und Schotten hingegen schon. Die hätten keine Probleme damit.
Wir neigen offenbar dazu, die Worte, die wir kennen, als normal und ursprünglich als "unsere" Sprache zu deuten, und vergessen dabei, dass viele davon auch nur Zuagroaste sind. Diesen Prozess bemerken wir erst dann, wenn wir "Opfer" von ihnen werden, nicht aber als "Täter". Wobei wir nur dann "Opfer" sind, wenn wir die neuen Worte nicht mehr erlernen können oder wollen.
Da es außerdem schwer fällt, zu erkennen, dass man selbst derjenige ist, der etwas nicht begreift, greifen wir auf eine altbewährte Methode zurück und bepöbeln diejenigen, die uns das vorführen. Nicht wir sind veraltet und kommen mit den neuen sprachlichen Entwicklungen nicht mehr mit, sondern "die Jugend" kann einfach nicht mehr richtig reden.
;)Dennoch besitzt gerade Deutsch aufgrund seiner innewohnenden Grammatik die Fähigkeit, Fremdworte zügig aufzunehmen und ebenso zügig locker umzuwandeln, weil wir solche Feinheiten wie Vor- und Nachsilben, Groß- und Kleinschreibung, Artikel, Deklinationen und Konjugationen kennen, Interpunktationen nicht zu vergessen.
Was einen Fremdsprachler, der Deutsch lernen muss, schier an den Rand des Wahnsinns bringt, erleichtert es uns aber, einen Text schneller aufzufassen (in der Tat ist Deutsch die Sprache, die sich von einem Muttersprachler am schnellsten lesen lässt) und ihr jederzeit relativ flott neue Worte einzuverleiben und sie in kurzer Zeit deutsch aussehen zu lassen.
Was mich an meine ersten Kontakten mit den Worten "mompl" und "re-uppen" erinnert. Letzeres schrieb sich und ich las es als "reu-ppen" und konnte mich zunächst nur darüber wundern. Ich verstand es erst, als ich die Silben trennte.
:DDurch dieses adaptierte Fremdwort wurde meine Sprache aber nicht ärmer, sondern reicher, und ich nicht blöder, sondern schlauer.
:DGanz zu schweigen von der Palette an Möglichkeiten für Wortspiele und -witze, die die Aufnahme fremder Worte nun mal so bietet.
PS: [*] = Toilette, Klo, WC
Und WIKI weiß dazu:
Die Toilette /to̯aˈlɛtə/ (von französisch toile ‚Tuch‘), auch Klosett (von englisch closet, auch nur kurz Klo), Null-Null (von ‚00‘) oder die Abkürzung WC (von englisch water closet ‚Wasserklosett‘)
Quelle:
Wikipedia: Toilette#:~:text=In Deutschland verbreiteten sich Toiletten mit Wasserspülung gegen Ende des 19.&text=Jahrhundert bezeichneten die Zeitgenossen eine,„sich zurückziehen“, zurück.
Ein "closet" ist übrigens ein Wandschrank.
Wie aber die Doppelnull zu dieser Ehre kommt, ist WIKI und mir schleierhaft.