Subtilitas
Diskussionsleiter
Profil anzeigen
Private Nachricht
Link kopieren
Lesezeichen setzen
dabei seit 2016
Profil anzeigen
Private Nachricht
Link kopieren
Lesezeichen setzen
Sprachwandel — Ansicht, Beobachtung und Urteil
12.06.2016 um 15:24Liebe User,
bemerken wir einen vermeintlichen oder tatsächlichen Wandel in unserer Sprache, nehmen ihn die einen als natürliche Entwicklung hin, während die anderen auf den Erhalt eines Status quo erpicht sind und bisweilen gar einen Verfall darin erkennen möchten. Hierbei unterscheidet man zwischen deskriptiver (beschreibender oder moderner) und präskriptiver (vorschreibender oder normativer) Grammatik. In einfachen Worten, erstere möchte die Sprache so beschreiben, wie sie kompetente Muttersprachler spontan verwenden, ohne ein Urteil abzugeben. Letztere hingegen zielt darauf ab, einen sich an bestimmten Vorbildern orientierenden, verbindlichen Standard zu lehren. Hier komme ich bereits zur ersten Frage an Euch:
• Betrachtet Ihr einen Wandel in der Sprache als "natürliche Entwicklung" oder sollte man ihn zurückdrängen, um einen bestimmten Standard möglichst zu bewahren? Wie bewertet Ihr ihn?
Siehe hierzu:
- Wikipedia, Arten von Grammatiken: Wikipedia: Grammatik#Arten von Grammatiken
- Wikipedia, Normative (präskriptive/vorschreibende) Grammatik: Wikipedia: Normative Grammatik
In der Vergangenheit haben Sprachgelehrte (Sprachwissenschaftler, Germanisten,...) zur Genüge Prognosen dazu erstellt, wie sich die deutsche Sprache verändern werde, also was aus der Sprache verschwinden und was ihr hinzugefügt werde. Diese Prognosen sind mit äußerster Vorsicht zu genießen, denn sagte man doch vor Jahren den Untergang des Genitivs voraus, ist er heute immer noch überall zugegen und in regem Gebrauch (zumindest der adnominale). So hat er sogar in Dialekte, denen der Genitiv unbekannt ist (wie etwa dem Bayerischen), in mancher Wendung Einzug gehalten. Still very much alive. Deshalb und weil die wenigsten unter uns Fachleute sein dürften, wollen wir von Vorhersagen also Abstand nehmen und uns hier auf von uns ganz persönlich wahrgenommene Veränderungen der Gegenwart konzentrieren. Daher meine zweite Frage an Euch:
• Welche Veränderungen in der Sprache, welcher Art auch immer, stellt Ihr gegenwärtig fest? Zwar geht es um Euren ganz persönlichen Eindruck, doch bitte ich Euch dennoch, die von Euch wahrgenommenen Auffälligkeiten auf ihre Häufigkeit und Systematik zu prüfen. Versprecher/Verschreiber von Muttersprachlern wie Deutschlernern, einzelne neue Wörter, die aufgenommen werden, und solcherlei sei hier also nicht berücksichtigt. Haltet Ausschau nach relativ häufig und systematisch auftretenden Veränderungen, die bei Euch einen Eindruck hinterlassen haben, weil Ihr sie als mehr oder weniger tiefgreifend erachtet.
Ein Beispiel von mir zu einer Unregelmäßigkeit auf grammatikalischer Ebene:
"Einen" ist der unbestimmte männliche Artikel im Akkusativ (Wen?) und "ein" ist unter anderem der unbestimmte männliche Artikel im Nominativ (Wer?). Da "einen" in der gesprochenen Sprache häufig zu "ein" zusammengezogen wird und weil die zum Teil problematische Devise in den Schulen "Schreib wie du sprichst!" lautet, um den Schülern das Erlernen der deutschen Rechtschreibung zu erleichtern, tritt diese Verwechslung in der geschriebenen Sprache zuhauf auf. Wenige Minuten im Forum oder vielleicht ein Blick in einen Eurer Facebook-Chatverläufe reichen, um darauf zu treffen, daher verzichte ich auf Beispiele.
Wenn es nur noch "ein" gäbe, welche Vor- und Nachteile hätte dies? Ein Vorteil wäre, dass die Grammatik "leichter" würde, da eine Form eliminiert worden wäre. Einen Nachteil möchte ich am folgenden Beispiel veranschaulichen:
"Einen Chihuahua beißt die Katze." — Da der Chihuahua, das Objekt, mit dem Akkusativ "einen" markiert ist, ist trotz der unüblichen Wortstellung klar, dass die Katze den kleinen Chihuahua beißt und nicht umgekehrt. Es verändert sich lediglich die Betonung. Gäbe es hier nur noch "ein", würde die Wortstellung rigider und eine Vertauschung würde die Bedeutung der Aussage ändern, wie im Englischen. Auch bei verkürzten Aussagen, wo der Akkusativ "einen" stehen müsste, wird oft nicht mehr unterschieden: "(Ich möchte) Einen Kaffee, bitte!", stattdessen begnügt man sich mit "Ein Kaffee, bitte!", und oft liest man, dass jemand "kein Bock" hat, was nach heutigem Standard nicht korrekt ist, wonach er "keinen Bock" haben müsste. Das Phänomen scheint präsenter zu sein, denn es gibt konkret hierzu sogar eine Internetseite: http://ein-einen.de/
Bemerkenswert ist das Beispiel insoferne, als ein Wandel in der Grammatik allgemein sehr langsam voranschreitet, während im Wortschatz sich von heute auf morgen etwas ändern kann. Nun aber zurück zu Euch:
Ob Grammatik, Schreibung, Bedeutung von Wörtern ‒ Welche Veränderungen oder "Unregelmäßigkeiten" beim Sprechen und Schreiben mit Leuten sowie beim Lesen von Texten jeglicher Art fallen Euch ins Auge? Wie bewertet Ihr sie und was könnten die Gründe dafür sein?
Beste Grüße
Subti
bemerken wir einen vermeintlichen oder tatsächlichen Wandel in unserer Sprache, nehmen ihn die einen als natürliche Entwicklung hin, während die anderen auf den Erhalt eines Status quo erpicht sind und bisweilen gar einen Verfall darin erkennen möchten. Hierbei unterscheidet man zwischen deskriptiver (beschreibender oder moderner) und präskriptiver (vorschreibender oder normativer) Grammatik. In einfachen Worten, erstere möchte die Sprache so beschreiben, wie sie kompetente Muttersprachler spontan verwenden, ohne ein Urteil abzugeben. Letztere hingegen zielt darauf ab, einen sich an bestimmten Vorbildern orientierenden, verbindlichen Standard zu lehren. Hier komme ich bereits zur ersten Frage an Euch:
• Betrachtet Ihr einen Wandel in der Sprache als "natürliche Entwicklung" oder sollte man ihn zurückdrängen, um einen bestimmten Standard möglichst zu bewahren? Wie bewertet Ihr ihn?
Siehe hierzu:
- Wikipedia, Arten von Grammatiken: Wikipedia: Grammatik#Arten von Grammatiken
- Wikipedia, Normative (präskriptive/vorschreibende) Grammatik: Wikipedia: Normative Grammatik
In der Vergangenheit haben Sprachgelehrte (Sprachwissenschaftler, Germanisten,...) zur Genüge Prognosen dazu erstellt, wie sich die deutsche Sprache verändern werde, also was aus der Sprache verschwinden und was ihr hinzugefügt werde. Diese Prognosen sind mit äußerster Vorsicht zu genießen, denn sagte man doch vor Jahren den Untergang des Genitivs voraus, ist er heute immer noch überall zugegen und in regem Gebrauch (zumindest der adnominale). So hat er sogar in Dialekte, denen der Genitiv unbekannt ist (wie etwa dem Bayerischen), in mancher Wendung Einzug gehalten. Still very much alive. Deshalb und weil die wenigsten unter uns Fachleute sein dürften, wollen wir von Vorhersagen also Abstand nehmen und uns hier auf von uns ganz persönlich wahrgenommene Veränderungen der Gegenwart konzentrieren. Daher meine zweite Frage an Euch:
• Welche Veränderungen in der Sprache, welcher Art auch immer, stellt Ihr gegenwärtig fest? Zwar geht es um Euren ganz persönlichen Eindruck, doch bitte ich Euch dennoch, die von Euch wahrgenommenen Auffälligkeiten auf ihre Häufigkeit und Systematik zu prüfen. Versprecher/Verschreiber von Muttersprachlern wie Deutschlernern, einzelne neue Wörter, die aufgenommen werden, und solcherlei sei hier also nicht berücksichtigt. Haltet Ausschau nach relativ häufig und systematisch auftretenden Veränderungen, die bei Euch einen Eindruck hinterlassen haben, weil Ihr sie als mehr oder weniger tiefgreifend erachtet.
Ein Beispiel von mir zu einer Unregelmäßigkeit auf grammatikalischer Ebene:
"Einen" ist der unbestimmte männliche Artikel im Akkusativ (Wen?) und "ein" ist unter anderem der unbestimmte männliche Artikel im Nominativ (Wer?). Da "einen" in der gesprochenen Sprache häufig zu "ein" zusammengezogen wird und weil die zum Teil problematische Devise in den Schulen "Schreib wie du sprichst!" lautet, um den Schülern das Erlernen der deutschen Rechtschreibung zu erleichtern, tritt diese Verwechslung in der geschriebenen Sprache zuhauf auf. Wenige Minuten im Forum oder vielleicht ein Blick in einen Eurer Facebook-Chatverläufe reichen, um darauf zu treffen, daher verzichte ich auf Beispiele.
Wenn es nur noch "ein" gäbe, welche Vor- und Nachteile hätte dies? Ein Vorteil wäre, dass die Grammatik "leichter" würde, da eine Form eliminiert worden wäre. Einen Nachteil möchte ich am folgenden Beispiel veranschaulichen:
"Einen Chihuahua beißt die Katze." — Da der Chihuahua, das Objekt, mit dem Akkusativ "einen" markiert ist, ist trotz der unüblichen Wortstellung klar, dass die Katze den kleinen Chihuahua beißt und nicht umgekehrt. Es verändert sich lediglich die Betonung. Gäbe es hier nur noch "ein", würde die Wortstellung rigider und eine Vertauschung würde die Bedeutung der Aussage ändern, wie im Englischen. Auch bei verkürzten Aussagen, wo der Akkusativ "einen" stehen müsste, wird oft nicht mehr unterschieden: "(Ich möchte) Einen Kaffee, bitte!", stattdessen begnügt man sich mit "Ein Kaffee, bitte!", und oft liest man, dass jemand "kein Bock" hat, was nach heutigem Standard nicht korrekt ist, wonach er "keinen Bock" haben müsste. Das Phänomen scheint präsenter zu sein, denn es gibt konkret hierzu sogar eine Internetseite: http://ein-einen.de/
Bemerkenswert ist das Beispiel insoferne, als ein Wandel in der Grammatik allgemein sehr langsam voranschreitet, während im Wortschatz sich von heute auf morgen etwas ändern kann. Nun aber zurück zu Euch:
Ob Grammatik, Schreibung, Bedeutung von Wörtern ‒ Welche Veränderungen oder "Unregelmäßigkeiten" beim Sprechen und Schreiben mit Leuten sowie beim Lesen von Texten jeglicher Art fallen Euch ins Auge? Wie bewertet Ihr sie und was könnten die Gründe dafür sein?
Beste Grüße
Subti