Rotmilan schrieb: Ich bin der Meinung, dass der Präsenzunterricht an sich, bei den hohen Infektionszahlen längst auf Hybrid bzw. Homeschooling umgestellt gehört. Bei GS Schülern sehe ich ein, dass sie nicht nur Online lernen können, sie sind dafür noch zu jung.
Das Problem ist, dass die Performance dann sehr von der intrinsischen Motivation des Schülers und des Elternhauses, dem Bildungsgrad der Eltern, der Priorität, die Schulbildung so hat, etc. abhängt.
Ich arbeite an einer Schule mit eher problematischen familiären Hintergründen. Wir haben im Lockdown Videokonferenzen angeboten, Material hochgeladen, per Email verschickt, per Post verschickt, Lehrfilme gedreht. Ergebnis: 1/3 meiner Schüler hat in den vielen Wochen nicht ein Arbeitsblatt bearbeitet. Mitunter die Briefe gleich ins Altpapier entsorgt. Bei einigen Schülern stimmte die Adresse gar nicht mehr. Bei anderen gab es keine Telefonnummer. Ganz viele Eltern fühlten sich gar nicht zuständig und kommunizierten das entsprechend "Sie werden doch dafür bezahlt ...".
Rotmilan schrieb:In meinen Augen sollten Schüler ab der 7. Klasse im Prinzip auch alleine lernen können. Mit Zoom und Skype Kontakt zum Lehrer halten.
Da hast du schon zwei Probleme: Zoom und Skype sind gar nicht datenschutzkonform. In der Klasse meiner Tochter (Gymnasiale Oberstufe) hat ein Elternpaar offiziell Einspruch gegen die Verwendung von Skype eingelegt und die gesamte Oberstufe musste auf eine andere Plattform umziehen, die dann wenig verlässlich fünf bis sechsmal die Sitzung abstürzte.
Zudem behaupten viele Schüler (und bei einigen trifft das tatsächlich zu), dass sie kein funktionierendes Endgerät haben. Bei mir in der Klasse war diese Gruppe fast zweistellig - wobei viele ein Handy haben, aber keine Lust hatten.
Bei meinen drei Kindern ist es so, dass das häusliche WLAN es nicht packt, wenn drei Videokonferenzen zeitgleich stattfinden. Und es liegt nicht an uns, sondern am ländlichen Raum und den Anbietern.
Rotmilan schrieb: In meinen Augen ist das mit dem Präsenzunterricht auf Biegen und Brechen ein Feldexperiment, welches vor allem zu Lasten der Gesundheit der Lehrkräfte geht. Dazu kommt, dass wegen des Lehrermangels sehr viele Lehrer, der Fraktion über 50 Jahre angehören, die schon altersmäßig ein Risiko, für einen schweren Verlauf haben.
Mir ist es ehrlich auch unheimlich. Unsere Klassen sind bis zum Klassenteiler voll, du sollst lüften, Maske tragen - aber alles ist so eng. Ich lüfte wirklich alle 20 Minuten wie vorgeschrieben, aber kann aufgrund der Gebäudegegebenheiten nicht querlüften (geht auch nur ein Fenster auf). Ich trage eine "Made in China" Einfachmaske. Schutz sieht anders aus.
Zumal bei uns das Gesundheitsamt gar nicht mehr hinterher kommt, letzte Woche hing die Kontaktverfolgung über sieben Tage hinterher.
Rotmilan schrieb: Meiner Meinung nach, sollten Kinder, die die Masken mit System und Unterstützung ihrer Eltern nicht ordnungsgemäß tragen, ohnehin dem Gesundheitsamt gemeldet werden.
Es ist als Lehrer halt eine Gradwanderung. Das Gesundheitsamt würde vermutlich gar nichts machen, die sind völlig überlastet ...
Rotmilan schrieb:Was sagt denn eure Schulleitung dazu? Ich finde das geht gar nicht. Das Leben der Lehrkräfte und der Mitschüler zu gefährden, ist unterste Kiste. Absolut unverantwortlich.
Sogar die Gewerkschaft macht nichts ... zumindest nichts, was sichtbar wäre. Es ist politisch gewollt, dass Schulen und Kitas offen bleiben, weil das Homeschooling nicht funktioniert hat (in großen Teilen) und weil es auch nichts bringt, wenn man die Schüler entsprechend ausstattet, weil sehr oft die fehlende Ausstattung nur ein vorgeschobener Grund für fehlende Motivation ist.
Man hat im Juni/ Juli viel zu lange gewartet, den Schulbetrieb wieder "normal" durchzuführen, es durften ja auch keine Klassenarbeiten geschrieben werden, das war an die entsprechenden Schüler eine Aufforderung "Ferien, musst nur die Zeit absitzen".
An der weiterführenden Schule gibt es Kollegen, die haufenweise Klassen ein oder zwei Stunden haben, also mit bis zu 15x30 Haushalten in Kontakt kommen. Ich weiß nicht, ob es besser ist, dass ich z.B. in meiner Klasse mehr Stunden habe, also intensiveren Kontakt mit 30 Schülern (und ich habe natürlich noch andere Klassen).
Bei uns in BW ist es so, weil wir ja nun alle fleißig Alltagsmasken tragen und lüften, wenn man einen Fall hat, kommt gar nicht die Klasse in Quarantäne, sondern nur der Schüler, den es betrifft, die anderen kommen weiterhin und als Lehrer unterrichtet man auch weiterhin normal.
sooma schrieb:Finde das auch grenzwertig, dass es quasi auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird und solche Drohungen ausgesprochen werden.
Irgendwas musst du machen - es ist auch grenzwertig, das zu tolerieren und hinzunehmen. Es ist eine mistige Lösung, egal, was man macht.
Frau.N.Zimmer schrieb: Vom deutschen Staat, bekam jedes Kind 300 Euro. Eigentlich müsste jetzt jedes Kind ein Tablet haben. Wobei ja schon bei 2 Kindern ein Tablet für die Schule ausreichen würde. Irgendwie kommen die Eltern ja auch zu fb usw., da muss man halt Prioritäten setzen.
Das Problem ist, dass viele der Eltern eben in Kurzarbeit sind und das Geld hinten und vorne fehlt. Bei uns war es auch so, dass Mr. Mary, der u.a.im Eventbereich tätig ist, seit März 50% seiner Einnahmen gar nicht hat. Von den anderen bekommt er 67% - das ist ein Batzen Geld, der uns jeden Monat fehlt.
Allerdings hatten meine drei Kinder (alle Teenies) jeweils ein Handy und zur Not liefen die Konferenzen eben über dieses. Und - da stimme ich dir zu - wir haben dann erst Mal ein Tablet (gebraucht, no name) angeschafft - das hat knapp 200€ gekostet und wurde eben für die Videokonferenzen weitergereicht. Inzwischen haben wir entsprechend aufgerüstet.
Nerok schrieb:In unserer Berufsschule musste sich die Lehrerschaft vom eigenen Schulbudget Laptops anschaffen..vom Staat haben sie durch komische Regelungen dafür keinen einzigen Cent bekommen.
Das sowieso. Das Problem ist zudem der Datenschutz ... du unterschreibst, dass du keine Schülerdaten auf deinem privaten Computer hast - d.h., du darfst eigentlich noch nicht mal eine Email an die Eltern schicken ... Nutze ich meinen privaten Computer daheim, dann mache ich mich praktisch strafbar. Das ist rechtlich eine dunkelgraue Grauzone.