Bone02943 schrieb:Wie schnell sich alles ändert sieht man ja auch in der Politik. Als Spahn noch verkündet hat, dass man mit dem Wissen von heute(also damals) keine Läden wie Friseure und dergeleichen mehr schließen werde. Wie man nun sieht ein Trugschluss und es bedarf wohl weitreichendere Maßnahmen.
yupp, ganz genau .. ich kann mich noch gut an die Diskussion erinnern, die wir Anfang des Jahres geführt haben
muss gestehen, ich habe dieses Virus damals auch unterschätzt (und ich war noch eine von denen, denen damals durchaus auch "Panikmache" vorgeworfen wurde
;))
das ist schon interessant, wenn man sich das rückblickend so ansieht
ich denke, dass damals schon ganz viele Menschen, psycholgisch gesehen, auf eine Denkschiene gebracht worden sind, die uns jetzt (gesellschaftlich gesehen) bei den Pandemiebekämpfungsstrategien in den Rücken fällt
in Europa (und natürlich auch in Deutschland) hat man ganz lang in der öffentlichen Debatte die (potentielle) Gefährlichkeit des Virus heruntergespielt (ich erinner mich an ein Video, das man im öffentlich rechtlichen Rundfunk gezeigt hat und das ich damals auch im ersten Covidthread gepostet habe, und das in satirischer Weise die Furcht vor dem Virus als "die Furcht vor dem Unbekannten", so, wie man es von rechter Propaganda kennt, verortet hat.) So etwas ist natürlich fatal - auch linke, "Aufgeklärte" waren zu Beginn des Jahres dadurch teilweise darauf eingeschworen, dass es "so schlimm schon nicht werden wird". Natürlich hat sich das dann mit den Bildern aus Italien etc. wieder relativiert - aber, wie man so schön sagt, es bleibt immer etwas zurück.
;)Die Coronakrise ist nicht nur eine medizinisch humanitäre Katastrophe, sie ist auch zutiefst verstrickt mit Traumaerfahrungen, nicht zuletzt psychologischer Natur. Das Verharmlosen, Negieren folgt ja auch einem psychologischen Zweck - einem Art modernen Beschwörungsglauben. Wenn man es nicht so schwer nimmt, wird es schon auch nicht so schwer. Das beste Beispiel in diesem Zusammenhang ist übrigens Trump, der ja sogar explizit darauf angespielt hat, das Virus werde verschwinden, auf eine magische Art und Weise.
Davon ab: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, es fällt ihm schwer zuzugeben, auch vor sich selbst, dass er Situationen falsch eingeschätzt hat (besonders vor sich selbst, denn das kratzt am Ego). Und genau das fliegt uns jetzt um die Ohren: In der öffentlichen Debatte tun sich Politiker unheimlich schwer, zuzugeben, dass das, was beschlossen wurde, auf jetzt falschen Einschätzungen beruht (wäre politisch gesehen auch ein Zeichen von Schwäche). Deshalb wird auch so lange herumgeeiert, die Menschen darauf "vorbereitet", wenn man so will, da für so ein Pandemieszenario einfach noch keine politischen Routinen existieren.
Interessant ist, dass in Ländern wie z. B. Taiwan von Anfang an eine ganz andere Linie gefahren wurde (ich hab zu Beginn des Jahres die Strategie dort sehr genau beobachtet, und wir hatten damals auch schon über Taiwan diskutiert) - da wurde von Anfang an die ganze Bevölkerung auf die Dramatik der Situation eingeschworen. Corona war damals schon DAS Thema schlechthin, es liefen ständig Nachrichtensendungen, die dramatische Bilder aus China zeigten, während man hier in Dtland dieses noch als "Panikmache" deklariert hat (wem das jetzt zu "quellenarm" ist, meine Meinung zu dem Thema, der lese doch bitte im ersten Sars-Cov-Thread nach, bzw. wird in den Archiven der taiwanesischen Fernsehsender fündig) . Fakt ist: Dort wurde sehr stark durchgegriffen (im Gegensatz zu China aber demokratisch legitimiert!), von Anfang an wurden Infektionen akribisch verfolgt, mit der Folge, dass Taiwan Stand heute so viele Todesopfer gesamt zu beklagen hat, wie Menschen in Deutschland an einem Tag (!) versterben.
Auch finde ich es bemerkenswert, dass man, wenn man z. B. hier darauf hingewiesen hat, wie Ernst die Lage ist, sich zu einem oft Panikmache vorwerfen lassen musste oder sogar, man wäre verschwörungstheoretisch unterwegs.
Das zeigt doch auch, wie unter eigentlich aufgeklärten, rational Denkenden ein Hang zum (leider immer noch) Verharmlosen der Situation zu finden ist (ich nehme mich selbst nicht ganz davon aus, obwohl ich sehr vorsichtig bin, kann ich nicht alle potentiell gefährlichen Handlungen meiden, einfach, weil ich jobtechnisch nicht jedes Risiko ausschließen kann.)
Die Leopoldina (einige der klügsten Köpfe unseres Landes) hat erst heute wieder darauf hingewiesen, dass das Infektionsgeschehen außer Kontrolle ist (zum Nachlesen des kompletten Statements hier:
https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2020_12_08_Stellungnahme_Corona_Feiertage_final.pdf )
zur Erinnerung: noch vor zwei Wochen wurde uns der "Lockdown Light" von politischer Seite aus als Erfolg verkauft!
Man sieht also, dass diese Diskussion ganz viele Facetten hat.
Man muss auch sehr sensibel miteinander umgehen, die Meinung anderer hören, ohne sie gleich zu verdammen, dennoch vor allem die Stimme der Wissenschaft sprechen lassen. Und denjenigen, die nicht so gut darin sind, diese zu verstehen, Dialog- und Hilfemöglichkeiten (aber ohne Überheblichkeit) anbieten, um gemeinsam diese nie dagewesene Krisensituation zu meistern. Und, nichtsdestotrotz, braucht es tatsächlich auch einen bestimmten Common sense in Bezug auf Corona.