Automatisch Organspender - Bist du dafür oder dagegen?

Ich trage einen Organspender-Ausweis in meiner Tasche, seit es diese Dinger gibt (ca. 1990?).
Wenn ich tot bin, kann ich zwar von der Hornhaut bis zur Niere alles in die Kiste mitnehmen, brauche es aber nicht mehr. Aber es gibt genügend Menschen, die mit meinen Organen besser weiterleben oder gar überleben können. Da wäre es ziemlich egoistisch von mir, den Kram mitzunehmen.

Selektiv schrieb:Es reicht, wenn sich Menschen damit auseinandersetzen, die auch spenden wollen. Leuten ein Thema aufbürden, was für sie gar nicht infrage kommt, ist definitiv vermeidbar.

Ansonsten können wir es ja auch wie in Bulgarien machen. Wer da kein Gruseln kriegt, dem ist nicht mehr zu helfen.

Sehe ich anders.

Das ist ganz ähnlich wie bei Wahlen. Da trägt dich auch keiner hin und keiner sagt dir, wen du wählen sollst. Diese Infos musst du dir auch selbst besorgen. Und es heißt ja auch Wahlpflicht, das heißt, eigentlich ist jede wahlberechtigte Person dazu verpflichtet, wählen zu gehen.

violetluna schrieb:Und es heißt ja auch Wahlpflicht, das heißt, eigentlich ist jede wahlberechtigte Person dazu verpflichtet, wählen zu gehen.

Eine Wahlpflicht gibt es in der BRD nicht, aber glücklicherweise ein Wahlrecht.

Doors schrieb:Eine Wahlpflicht gibt es in der BRD nicht, aber glücklicherweise ein Wahlrecht.

In Österreich auch nicht mehr bzw. nur mehr in manchen Bundesländern. War auch nur als Beispiel gedacht, denn bei Wahlen würde auch niemand auf die Idee kommen, dass man ihnen die Informationen frei Haus liefern muss.

@violetluna

Naja, aber wenn du nicht wählen gehst, wird trotzdem niemand anderer für dich wählen bzw ein Kreuzerl machen. Somit ungültig - somit nein zur Wahl/Organspende.

nanusia schrieb:Naja, aber wenn du nicht wählen gehst, wird trotzdem niemand anderer für dich wählen bzw ein Kreuzerl machen. Somit ungültig - somit nein zur Wahl/Organspende.

Das schon, es ging aber darum, ob man sich um die Informationen aktiv kümmern soll oder nicht. Und da finde ich eben, dass das durchaus zumutbar ist.

violetluna schrieb:Das ist ganz ähnlich wie bei Wahlen. Da trägt dich auch keiner hin und keiner sagt dir, wen du wählen sollst.

Sehr schlechter Vergleich. Der hinkt mit Holzbein.

violetluna schrieb:Und es heißt ja auch Wahlpflicht

Das auch nicht, nein.

Selektiv schrieb:Sehr schlechter Vergleich. Der hinkt mit Holzbein.

Warum?

violetluna schrieb:Warum?

Ganz einfach. Meine Organe gehören von anfang an mir, da hat niemand anders drüber zu entscheiden.
Eine Wahlstimme nimmt mir körperlich nichts weg und dient einem Regierungssystem, über das wir alle mitentscheiden. Wenn wir wollen.

Selektiv schrieb:Ganz einfach. Meine Organe gehören von anfang an mir, da hat niemand anders drüber zu entscheiden.
Eine Wahlstimme nimmt mir körperlich nichts weg und dient einem Regierungssystem, über das wir alle mitentscheiden. Wenn wir wollen.

Da hast du recht, aber darum ging es nicht, sondern darum, dass die Information keine Bring-, sondern eine Holschuld ist.

violetluna schrieb:Da hast du recht, aber darum ging es nicht, sondern darum, dass die Information keine Bring-, sondern eine Holschuld ist.

Hat auch niemand gesagt, die Information müsse frei Haus kommen. Lediglich dass sich nur diejenigen sich mit dem Thema vertraut machen müssen, die auch spenden wollen.

XAE schrieb am 15.03.2022:Unabhängig von meiner eigenen Meinung bin ich dagegen, in so einer wichtigen und persönlichen Frage einen Automatismus einzuführen. Der Schritt ist so elementar, dass man ihn bewusst gehen sollte.

Man kann ja bei jedem Arztbesuch standardmäßig darauf angesprochen werden, dann ist man gezwungen sich etwa 100 Mal in seinem Leben mit dem Thema auseinanderzusetzen - mindestens. Wer nach 100 Mal noch dagegen ist, hat offensichtlich gute Gründe

Selektiv schrieb:Seh ich auch so.

Selektiv schrieb:Es reicht, wenn sich Menschen damit auseinandersetzen, die auch spenden wollen.

Sehe ich genauso.

Selektiv schrieb:Ansonsten können wir es ja auch wie in Bulgarien machen. Wer da kein Gruseln kriegt, dem ist nicht mehr zu helfen.

Genau, die Frage ist nämlich wo das dann enden soll.

Hypothetisch: Wenn die Medizin soweit ist uns quasi Unsterblich werden zu lassen, muss sich jeder irgendwann für das Sterben entscheiden, da ansonsten das Leben automatisch verlängert wird.

Selektiv schrieb:Hat auch niemand gesagt, die Information müsse frei Haus kommen. Lediglich dass sich nur diejenigen sich mit dem Thema vertraut machen müssen, die auch spenden wollen.

Genau da bin ich anderer Meinung.

Wer nicht spenden will, sollte sich darum bemühen müssen. Seine Organe nicht zu spenden ist nämlich eine sehr egoistische Handlung. Dem potentiellen Spender bringt es null, wenn er seine Organe behält und sie mit ihm kremiert oder erdbestattet werden. Er hat nichts mehr von seinen Organen, wenn er tot ist. Sie könnten aber jemand anders das Leben retten. Das hat meiner Meinung nach höhere Priorität als die persönlichen Befindlichkeiten und Ängste jener Menschen, die sich gegen eine Organspende entscheiden.

Deshalb ist der Widerspruch für mich eben eine Hol- und keine Bringschuld.

BerlinerLuft schrieb:Hypothetisch: Wenn die Medizin soweit ist uns quasi Unsterblich werden zu lassen, muss sich jeder irgendwann für das Sterben entscheiden, da ansonsten das Leben automatisch verlängert wird.

Warum sollte man sich dann denn fürs Sterben entscheiden wollen? Wenn uns die Medizin unsterblich machen kann, dann bedeutet das ja, dass es keine Krankheiten mehr gibt, an denen man sterben kann und auch der Alterungsprozess nicht mehr existiert. Das heißt, man ist für immer jung, fit und gesund. Warum sollte man unter diesen Umständen nicht mehr leben wollen?

violetluna schrieb:Wer nicht spenden will, sollte sich darum bemühen müssen. Seine Organe nicht zu spenden ist nämlich eine sehr egoistische Handlung. Dem potentiellen Spender bringt es null, wenn er seine Organe behält und sie mit ihm kremiert oder erdbestattet werden. Er hat nichts mehr von seinen Organen, wenn er tot ist. Sie könnten aber jemand anders das Leben retten. Das hat meiner Meinung nach höhere Priorität als die persönlichen Befindlichkeiten und Ängste jener Menschen, die sich gegen eine Organspende entscheiden.

Deshalb ist der Widerspruch für mich eben eine Hol- und keine Bringschuld.

Sehe ich ebenso und finde die Widerspruchsregelung deshalb auch sehr gut. Dadurch wird niemand gezwungen zu spenden, ein kurzer Widerspruch reicht ja. Das dürfte jedem zuzumuten sein.

violetluna schrieb:Er hat nichts mehr von seinen Organen, wenn er tot ist. Sie könnten aber jemand

Das klingt einerseits richtig, andererseits ist es einer der Kritikpunkte an der Organspende.
Der Spender ist zum Zeitpunkt der Entnahme nicht tot, sondern lebt noch.

https://www.deutschlandfunk.de/wie-tot-darf-ein-organspender-sein-100.html

Ärzte wie Jürgen in der Schmitten fordern daher Konsequenzen. Und vor allem die Anerkennung: Ein Hirntoter ist höchstens ein Sterbender. Aber eben keine Leiche. Was ihn wirklich tötet, ist die Organentnahme:

„Ja, die Organentnahme führt den Tod herbei, der Tod tritt ein während des Prozesses der Organentnahme, davon bin ich überzeugt und wir müssen uns dann überlegen, ob wir das ethisch und rechtlich auf sichere Füße stellen können oder nicht. "

Der Arzt schlägt daher vor, die Dinge beim Namen zu nennen. Und dies gesetzlich zu verankern:

violetluna schrieb:Wer nicht spenden will, sollte sich darum bemühen müssen. Seine Organe nicht zu spenden ist nämlich eine sehr egoistische Handlung. Dem potentiellen Spender bringt es null, wenn er seine Organe behält und sie mit ihm kremiert oder erdbestattet werden. Er hat nichts mehr von seinen Organen, wenn er tot ist. Sie könnten aber jemand anders das Leben retten. Das hat meiner Meinung nach höhere Priorität als die persönlichen Befindlichkeiten und Ängste jener Menschen, die sich gegen eine Organspende entscheiden.

Und hier sehe ich den Egoismus auf deiner Seite.
Es geht nicht jemandem seine Ängste und Befindlichkeiten mit dem Argument des Allgemeinwohls abzusprechen.

violetluna schrieb:Warum sollte man sich dann denn fürs Sterben entscheiden wollen? Wenn uns die Medizin unsterblich machen kann, dann bedeutet das ja, dass es keine Krankheiten mehr gibt, an denen man sterben kann und auch der Alterungsprozess nicht mehr existiert. Das heißt, man ist für immer jung, fit und gesund. Warum sollte man unter diesen Umständen nicht mehr leben wollen?

Weil man schon 150 ist und keine Lust mehr hat vielleicht.

Bundeskanzleri schrieb:Das klingt einerseits richtig, andererseits ist es einer der Kritikpunkte an der Organspende.
Der Spender ist zum Zeitpunkt der Entnahme nicht tot, sondern lebt noch.

Und das ist auch einer meiner Hauptkritikpunkte.
Wir wissen einfach viel zu wenig über das Gehirn und den Sterbeprozess und den endgültigen Zeitpunkt des Todes.
Solange diese Fragen nicht geklärt sind ist die derzeitige angewendete Prozedur der Organentnahme einfach nur Unethische für mich.

Ich bin dagegen.

Bei Abtreibung wird mit Recht am eigenen Körper argumentiert.
Bei Suizid wird auf Recht am eigenen Körper argumentiert.
usw.
Bei Organspende plötzlich nicht mehr?

Wer Organspender werden möchte - sollte das explizit angeben.

violetluna schrieb:Wer nicht spenden will, sollte sich darum bemühen müssen. Seine Organe nicht zu spenden ist nämlich eine sehr egoistische Handlung. Dem potentiellen Spender bringt es null, wenn er seine Organe behält und sie mit ihm kremiert oder erdbestattet werden. Er hat nichts mehr von seinen Organen, wenn er tot ist. Sie könnten aber jemand anders das Leben retten. Das hat meiner Meinung nach höhere Priorität als die persönlichen Befindlichkeiten und Ängste jener Menschen, die sich gegen eine Organspende entscheiden.

Alles, was einem ohnehin gehört, muss nicht widersprochen werden. Es muss um Erlaubnis gefragt werden, nicht von vornherein angeeignet werden mit der Option des Widerspruchs.
Es geht einfach um das Prinzip der Aneignung des Staates von Dingen, die ihm nicht gehören.
Das hat auch nichts mit Egoismus zu tun, nicht zu wollen, dass einem Organe erst enteignet und dann erst per Widerspruch wieder selbst überlassen werden. Das ist mein Körper. Ich bin auch keine Ware und kein Lager für Ersatzteile.

@violetluna

Ich war sehr erstaunt als ich vor ein paar Jahren -zufällig - herausgefunden habe, dass man in Ö einer Organentnahme aktiv widersprechen muss. Habe das dann auch gemacht.

Bis dahin bin ich davon ausgegangen, dass man der Organspende zustimmen muss und nicht umgekehrt.

Niemand hat das Recht jemandes Organe gegen seinen Willen zu entnehmen. Mit Egoismus hat das absolut gar nichts zu tun. Denn es sind MEINE Organe, und wenn ich mit denen begraben/verotten/verbrannt werden will, dann ist das zu akzeptieren und nicht als Egoismus zu titulieren.