Ich arbeite an einer Brennpunktschule und viele unserer Schüler kommen aus Familien, die Hartz4 beziehen - auf die Frage gibt es, wenn ich meine Schüler zu Grunde legen, keine Antwort - vermutlich kommt es darauf an, warum die Familie in die Situation kam, welche Werte daheim vermittelt werden, etc.
Wir haben Schüler, deren Leben völlig "normal" läuft -trotz Hartz4. Oft sind das auch die Aufstocker, die praktisch Eltern oder ein Elternteil haben, das "bürgerliche" Lebensstrukturen hat, oftmals gering qualifiziert ist und den Wert von Bildung zu schätzen weiß (oft auch Zugewanderte, die einfach wenig Möglichkeiten hatten und oft auch Sprachprobleme haben). Diese Schüler kommen satt zur Schule, haben alle Materialien, nehmen an Klassenfahrten teil (oft auch über den "Bildungsgutschein"), fehlen selten, machen Hausaufgaben ... sind oft auch sehr motiviert, einen gesellschaftlichen Aufstieg zu erreichen. Je nachdem, was das Problem war, gelingt es auch den Eltern, oft durch wahnsinnigen Fleiß, etc., sich besser im Arbeitsmarkt zu etablieren. Da ist Hartz4 eine "Anschub-" oder "Übergangsfinanzierung".
Dann haben wir das Gegenteil (und natürlich dazwischen alle möglichen Schattierungen von "grau"). Oft viel mehr Kinder, als der Haushalt und die Eltern verkraften können, wenig Erziehungskompetenz und -interesse. Bildung hat in der Familie keinen Wert, die Kinder wachsen sehr reizarm auf, elektronische Medien spielen eine große Rolle, die Familie ist oft in Finanznot (und das Klischee trifft dann auch zu: Eltern rauchen, trinken, schlafen morgens, wenn die Kinder das Haus verlassen, am Ende des Monats gibt es Cornflakes oder die berühmten Billignudeln mit Ketchup). Es ist bei den Kindern auch egal, ob Deutsch oder eine andere Sprache die Familiensprache ist, sie können kein Präteritum bilden, haben ein eingeschänktes Vokabular und ein sehr eingeschränktes Wissen - so wirklich interessiert sie aber auch ncihts.
Für Gruppe I ist Hartz 4 ein Segen und für für Gruppe II könnte es doppelt so viel Geld geben - es würde nichts positiv verändern.
sacredheart schrieb:In den 50er-70er Jahren wurden beispielsweise Freibäder und Hallenbäder meistens von kommunalen Geldern, oft unterstützt durch Landesmittel errichtet. Die Gesellschaft hatte davon großen Nutzen. Mittlerweile versucht man Schließungen wenn möglich zu verhindern, oft klappt das leider auch nicht.
Da waren die Prioritäten anders - bei uns war z.B. früher für Familien mit mehr als drei Kindern das Schwimmbad kostenlos. Die Wilhelma in Stuttgart 1x im Jahr auch. Wenn ich heute zum Abendtarif mit meinen Kindern ins Hallenbad gehe, bin ich 30€ los. Auch für "Normalverdiener" ein teurer Spaß.
sacredheart schrieb:Wäre es nicht sinnvoller, anstatt noch die letzten Sanktionen für hartz IV Bezieher abzuschaffen und jedem der möchte, etwas aus allen möglichen Sozialtöpfen zu geben, Infrastruktur zu stärken, sprich Schulen zu sanieren, Lehrer einzustellen, Kindergärtner(innen) besser zu bezahlen, Sport- und Schwimmanlagen wenigstens zu erhalten?
Bei uns an der Schule gibt es schon ein Heer an Sozialarbeitern, wenn du einen Raum renovierst, kannst du darauf warten, dass einer aus Rache oder Langeweile oder Coolness in die Ecke pinkelt ... Es ist in einigen Klassen wirklich so, dass die "Coolen" regieren, die anderen einschüchtern und ich mich stundenlang mit den gleichen sieben Schüler herumärgere - Vorlaut, frech, keine Hausaufgaben, keine Unterlagen, keinen Bock ... in der Zeit könnte ich zehn anderen Schülern noch eine Menge erklären. Daher ist "mehr Geld" alleine nicht der richtige Weg. Mir wäre geholfen, wenn es ein Konzept gäbe, lernunwillige Schüler nicht mit lernwilligen zusammen in eine 30er Klasse zu pferchen und ihnen klar zu machen, wie wichtig Bildung sein kann. Wir haben Schüler, die uns sagen 'dann hartzen wir halt, who cares ...".