Gildonus schrieb am 23.03.2020: Ich finde darin meine schlimmen Befürchtungen bestätigt. Da die Fachleute des Institutes augenscheinlich von einer einmaligen Bundesaktion ausgehen, könnte es noch schlimmer kommen. 1929 läßt grüßen.
Ich finde, man sollte sich durch die aktuellen Schlagzeilen auch nicht verrückt machen lassen. Klar: Nun ist die Delle da - aber die Märkte waren auch extrem heiß gelaufen - und das über eine lange Zeit.
Aber da die Nachrichten voller Corona sind, nimmt man Schlagzeilen auch nur noch wahr, wenn Superlative benutzt werden.
Bettman schrieb am 23.03.2020:Und sehen wir es doch mal langfristig realistisch: wir haben in Deutschland 15 Millionen Rentner, über 5 Millionen Angestellte im öffentlichen Dienst und mehr als 10 Millionen Angestellte in Großkonzernen.
Dazu kommt eine Gruppe Menschen, die ihr Geld nicht alle strukturiert ausgeben: Wenn man hört, dass viele Erwachsene zwei Wochen nach Krisenbeginn bereits große Schwierigkeiten haben, die Aprilmiete zu bezahlen ... da wurde auch vorher alles "rausgehauen" - daher die Frage, ob die Krise zu mehr sparen verleitet oder nicht.
Mein Mann arbeitet im Eventbereich - am Wochenende vor dem Shutdown (es war schon klar, dass montags die Schulen schließen), waren er und das Team für zwei Events gebucht - die Jungs hatten Angst, hinzugehen und haben gehofft, dass die Teilnehmerzahlen moderat wären (kamen nicht mehr aus dem Vertrag raus) - da ging es zu ... es war wie ein Booster - es kamen deutlich mehr Leute, als im Durchschnitt (daher auch gut, dass der Gastrobereich dicht ist, auf vernünftige Selbstregulierung konnte man in manchen Bereichen nicht hoffen).
CMO schrieb am 25.03.2020:Die Menschen fahren weniger Auto, brauchen daher weniger Benzin, gehen nicht mehr Essen, fahren nicht in den Urlaub, gehen nicht mehr Shoppen, ins Fitnessstudio oder an sonstige Vergnügungsorte. Das heißt alleine durch die genannten Beispiele wurde die Nachfrage ganzer Branchen (Tourismus, Gastronomie, Vergnügung, Einzelhandel mit Luxus- bzw. Sondergütern, Non-Food Discounter, Bekleidungs-Einzelhandel etc. pp.) mehr oder weniger komplett vernichtet.
Einige Branchen sind echt hart getroffen: Andererseits steigen woandes die Umsätze: Wir haben so eine türkische Drehspießbude im Ort, die auch Pizzen produziert - der hat nun gleichmal ein paar Fahrer mehr angestellt, weil v.a. der Pizzaexpress absolut expandiert. Die Leute sind nun auch unter der Woche daheim und beginnen nun schon zur Mittagszeit, Pizza zu ordern - der backt nun durchgehend.
Wir haben so einen Gamerladen, der schon immer viel Geld mit Onlinegeschäften machte - da brennt im Keller nun Tag- und Nacht Licht.
Ich selbst habe erst mal mehr Geld ausgegeben: Da meine drei Kinder nun alle daheim essen, müssen wir deutlich mehr ausgegeben. Zudem habe ich mir, als sich die Krise abzeichnete, überlegt, wie man die Freizeit sinnvoll gestalten könnte und habe nochmal im großen Stil Bastelmaterial geordert, Druckerpatronen und Papier, Klaviernoten. Wir haben einen zusätzlichen Computer angeschafft, für die reibungslose Abarbeitung von Schulaufgaben. Zudem habe ich jeden nochmals zum Frisör geschickt.
Die Securitybranche, mit denen mein Mann zu tun hat, sucht auch für Verstärkung: Viele große Supermärkte haben nun Einlasskontrollen und ähnliches ... da gibt es einen neuen Markt, so wie der alte verschwunden ist.
Der Tourismus leidet, keine Frage, aber ich glaube, dass es eine Kundengruppe gibt, die das Geld hinterher explosionsartig wieder ausgibt.
CMO schrieb am 25.03.2020: Demgegenüber haben die Menschen aber keinen höheren Verbrauch von bspw Nahrungsmitteln oder anderen Gütern des alltäglichen Bedarfs. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass alleine durch die gestiegene Nachfrage bei z.B. Desinfektionsmittel oder Einmal-Handschuhen die zuvor genannten Verluste auch nur ansatzweise aufgefangen werden könnten.
Doch - weil sich die Interessenlage verändert. Wenn du vorher auf Marie Kondo gestanden bist und in einer fast leeren Wohnung lebst, fehlt dir nun die Infrastruktur, um dich selbst zu unterhalten. Dieses Defizit kannst du nun durch gezieltes Onlineshopping wieder reinholen.
Ich glaube, da gibt es ganze Segmente, die gerade massiv von der Krise profitieren.
Da Leute nicht mehr im Restaurant essen und in Kantinen und nichts mehr "to go" holen können - steigt der Umfang von Lebensmitteln. Zudem sind viele Leute verunsichert und kaufen lieber "etwas mehr". Viele Tafeln melden z.B. dass die Spendenzahlen sehr zurückgehen, auch, weil die Supermärkte nun nicht mehr so viel übrig haben.
Quatermass schrieb am 26.03.2020: Nachfrage ist aktuell eingebrochen, wird auch so bleiben. Die Entgelteinbußen wird ein Großteil empfindlichen treffen und die Auswirkungen werden die Jahreseinkommen erheblich beeinflussen – schon jetzt.
Da gibt es aber verschiedene Mindsets:
(a) die Gruppe, die es finanziell gar nicht trifft (Rentner, Beamte, Industrie, die weiterarbeitet). Die wird sehr schnell ins "alte Leben" zurückfinden.
(b) die Gruppe mit den Rücklagen - die haben die berühmten drei Monatsgehälter auf dem Konto und können sich selbst helfen. Die vermissen nun schon das Steak im Lieblingsrestaurant und werden auch schnell "zurückschnappen".
(c) die "ich gebe immer alles aus" - die werden etwas brauchen, bis sie sich erholen.
(d) die Prekären - die werden wirklich leiden - die Frage ist, wie "wichtig" sie für die Wirtschaft sind.
Quatermass schrieb am 26.03.2020:Die Arbeitslosenzahlen werden steigen, allein im prekären Bereich – die Unternehmen müssen sparen, Verluste kompensieren, die Nachfragesituation und Weltwirtschaftsentwicklung vorsichtig abschätzen und sich für eine längere Delle zu rüsten.
Mein Mann und mein ältestes Kind arbeiten im Event- und Gastrobereich. Da war es in letzter Zeit so, dass es entsetzlich schwer war, ordentliches und zuverlässiges Personal dauerhaft zu rekrutieren. In dem Sektor gibt es vermutlich erst mal ein "gesund Schrumpfen".