Das Phänomen "Versager" und die gesellschaftliche "Norm"
30.08.2017 um 16:09
Was bitte ist denn eigentlich "die Norm"?
Ach ja, das hier:
Der Durchschnittsdeutsche
Es gibt ihn millionenfach. Man glaubt er sei normal– vom Kopf bis zu den (fast) täglich gewechselten Socken. Tatsächlich aber ist er sehr merkwürdig.
von Dela_Kienle
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Der Durchschnittsmorgen
6.18 Uhr: Der Wecker fiept nach sieben Stunden und vier Minuten Schlummerzeit. Ins Bett gegangen ist der Durchschnittsdeutsche um 23.04 Uhr, zum Einschlafen hat er 15 Minuten gebraucht. Geträumt hat er wahrscheinlich von wirren Jobgeschichten. Oder von Sex im Taxi: Immerhin fünf Mal (bei Frauen) beziehungsweise fünfzehn Mal (bei Männern) pro Monat versüßen ihm erotische Träume den Schlaf. Nachts kommt’s auch zum größten Teil der 301 125 Erektionen, die ein Durchschnittskerl im Lauf seines Lebens hat. Doch wie gesagt: Jetzt muss er erst mal aufstehen, der Durchschnittsdeutsche, und tappt ins Durchschnittsbad (7,7 Quadratmeter), in dem er 26 Minuten täglich verbringt. Er ist reinlich: Morgens und abends putzt er sich die Zähne, normalerweise wechselt er die Unterhose. 65 Prozent der Deutschen duschen sogar jeden Tag, mit steigender Tendenz. Zum Frühstück gibt’s unbedingt Kaffee (Teetrinker sind nur 22 Prozent) und außerdem Brot, Käse, Wurst. Jeder Vierte isst Müsli. Dann geht’s zur Arbeit – meist ärgerlich langsam: Der Durchschnittsdeutsche steht sechs Monate seines Lebens im Stau.
Aussehen und Charakter
Wie ist er aber denn nun, der durchschnittliche Deutsche? Nicht unbedingt ansehnlich: 41 Jahre alt. Übergewichtig. Nur Singles halten mühsam ihre Speckrollen unter Kontrolle, um sich’s beim anderen Geschlecht nicht zu verscherzen. Im Lauf des Lebens finden sich tatsächlich auch 5,8 Bettgenossen. Wahrscheinlich heißt der Durchschnittsdeutsche Thomas, Andreas, Stefan, Michael oder Sabine, Petra, Susanne, Claudia – das waren die beliebtesten Vornamen Mitte der 60er Jahre. Die Kleinstadt ist sein natürlicher Lebensraum: 33,3 Prozent der Bevölkerung wohnen in Ortschaften mit 10 000 bis 50 000 Einwohnern. Und zwar tendenziell zur Miete, auf 89 Quadratmetern, mit 2,11 Personen pro Haushalt. Der Durchschnittsdeutsche heiratet erstmals mit 29,4 (Frauen) bzw. 32,4 (Männer) Jahren. Bei der Benennung seiner 1,3 Kinder gibt er sich engagiert und putzig, sodass derzeit vor allem Maries, Sophies oder Annas beziehungsweise Alexanders, Maximilians oder Leons in den Kinderwagen krähen. Selbst wenn er könnte und fit bliebe: Der Durchschnittsdeutsche hätte keine Lust, 150 Jahre alt zu werden. Sein Testament macht er schon im Alter von 52. Er glaubt nicht an Ufos, findet den Valentinstag überflüssig und raucht täglich vier Zigaretten sowie alle sechs Tage eine Zigarre oder einen Zigarillo. Sex gehört für ihn zu einem gelungenen Wochenende dazu. Und wenn er sich eine Berufsgruppe aussuchen könnte, würde er’s am liebsten mal mit einer Krankenschwester treiben (sagen 54 Prozent der Männer) – oder mit einem Feuerwehrmann (47 Prozent der Frauen).
Job, Geld und Bildung
Der Durchschnittsdeutsche hat einen Hauptschulabschluss (41 Prozent der Bevölkerung) und er will sich partout nicht auf die neue Rechtschreibung um - stellen. Allerdings behauptet er, Werke von Thomas Mann gelesen zu haben. Der Durchschnittsdeutsche hat’s geschafft, 54 600 Euro auf die hohe Kante zu legen und er spendet jedes Jahr 119 Euro an Wohlfahrtsorganisationen. Wie viel er verdient? Jedem Haushalt bleiben durchschnittlich 2358 Euro netto pro Monat. Teilt man das Geld, das durch Schwarzarbeit erwirtschaftet wird, unter allen Deutschen auf, erschummelt sich jeder zusätzlich 4256 Euro jährlich. Wie auch immer: Es ist genug, damit Marie-Sophie und Alexander-Maximilian Weihnachtsgeschenke im Wert von 357 Euro bekommen. Insgesamt investiert der Durchschnittsdeutsche bis zur Volljährigkeit stolze 121 752 Euro in jedes seiner Kinder. Was Berufsgruppen angeht, verspürt der Durchschnittsdeutsche Hochachtung vor Ärzten (sagen 71 Prozent), aber nicht vor Fernsehmoderatoren und Gewerk- schaftsführern (sechs und fünf Prozent). Trotz allen Gejammers ist sein Durchschnittsjob gar nicht übel: Aufs ganze Leben umgerechnet arbeitet der Deutsche nämlich gerade mal sieben volle Jahre. Sechs Monate verbringt er dagegen auf dem Klo, ein Jahr und sechs Monate kauft er ein – nur zum Vergleich. Für Abwechslung im Joballtag sorgt, dass er sich mindestens einmal in seinem Leben einen Kollegen/eine Kollegin verliebt. Und auch ansonsten ist der Durchschnittsdeutsche leicht glücklich zu machen – mit Schnitzel, Pilzsoße und Pommes. Das ist in der Kantine sein Lieblingsgericht, gefolgt von Spaghetti Bolognese.
Fraß & Freizeit
Womit wir beim Essen wären. 61 Kilo Fleisch, 209 Eier, 120 Kilo Obst und acht Kilo Schokolade verdrückt der Durchschnittsdeutsche. Er kauft zwar gelegentlich Bio (sagen 60 Prozent!). Doch tatsächlich gibt er monatlich mehr Geld für Alkohol aus als für Gemüse. Kein Wunder: Täglich zischt er 0,35 Liter Bier, an jedem achten Tag genehmigt er sich einen Sekt, aufs Jahr gerechnet kippt er 290 Gläschen Schnaps. Mit Kochen und Broteschmieren verbringt er zwei Jahre und zwei Monate seines Lebens. Mindestens einmal monatlich geht er ins Restaurant – am liebsten zum Italiener. Sonstiger Freizeitspaß: Vor allem Fernsehen, 227 Minuten täglich, also beinahe vier Stunden. Hat er ZDF eingeschaltet, bestehen 0,2 Prozent des Programms aus Mainzelmännchen-Gags. 37 Minuten täglich sind fürs Lesen reserviert, etwa sieben davon für ein Buch, der Rest für Zeitungen und Zeitschriften. Knapp sechs Minuten hört der Durchschnittsdeutsche täglich Musik. 1,5 Mal pro Jahr geht er ins Kino. Trägt er eine Sonnenbrille, stammt sie wahrscheinlich aus China, genau wie die drei Paar Importschuhe, die er jährlich kauft. Die Durchschnittsfrau leistet sich 1,1 neue BH für etwa 14 Euro sowie drei Nylonstrumpfhosen jährlich. Ein Mann kauft sechs neue Slips. Für Pauschalreisen lässt der deutsche Durchschnittshaushalt jährlich 732 Euro springen, obwohl das Durchschnittspaar im Urlaub doppelt so lange streitet wie zu Hause. Vielleicht weil die Durchschnittsfrau zu viele Klamotten eingepackt hat (86 Prozent). Oder weil der Durchschnittsmann am Strand heimlich barbusige Schönheiten beobachtet (93 Prozent).
Triebe und Liebe
Ihr erstes Mal haben Mädchen mit 15,5 Jahren, Jungs mit 16,4. Danach vögelt der Durchschnittsdeutsche knapp zwei Mal pro Woche – wobei laut einer Studie Menschen zwischen 56 und 65 sexuell aktiver sind als 25-Jährige. Der Durchschnittsdeutsche ist ein romantisches Mauerblümchen: Er hatte noch nie einen One-Night-Stand (nur 36 Prozent prahlen mit diesbezüglichen Erfahrungen) und ist angeblich nie fremdgegangen (zumindest geben das gerade mal 10 Prozent zu). Auch viel Geld könnte ihn nicht dazu verführen, die Nacht mit einem/r Fremden zu verbringen – nur der Durchschnittsbayer ist da nicht ganz so abgeneigt. Der Durchschnittsdeutsche findet einen Seitensprung allerdings okay, wenn es »Revanche« ist. Seine Traumfrau hat volle, feste Brüste, ist zärtlich und trägt gern erotische Wäsche. Der Traummann ist ebenfalls zärtlich, aber auch zuverlässig und mit einer tiefen, männlichen Stimme gesegnet. Nicht nötig ist Intelligenz – darauf legen in Umfragen nicht einmal die Hälfte der Frauen und Männer wert. Vielleicht bleibt auch einfach kaum Zeit zum Reden: Zwei Wochen seines Lebens küsst sich der Durchschnittsdeutsche, sechs Wochen verbringt er beim Vorspiel. Und 16 ganze Stunden erlebt er insgesamt den Höhepunkt – wobei der Durchschnittsmann einen Output von insgesamt 53 Litern Sperma hat. Der Durchschnittsmann liebt übrigens Sex im Hellen, die Durchschnittsfrau im Dunkeln. Sollten daraus Konflikte resultieren, gibt’s insgesamt 11 Rosen pro Person und Jahr zum Trost.
(Neon.de)
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